Besuchswochenenden ausweichen

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Aurora
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Besuchswochenenden ausweichen

Beitrag von Aurora »

Liebe Forumsmitglieder
Ich bin neu hier und froh um die Möglichkeit, mit Euch austauschen zu können. Ich würde gerne von Euch wissen, ob Ihr Erfahrungen damit habt, wie sich das auswirkt, wenn Ihr Euch an den Besuchswochenenden öfters ausklinkt. Das ist nämlich etwas, was ich mir gerade überlege. Ich lebe seit drei Jahren im Patchwork mit meinem Mann und seiner elfjährigen Tochter, die alle zwei Wochen und teilweise in den Ferien bei uns ist.
Mein Mann ist Südländer und in Deutschland aufwachsen. Die Tochter ist in der Schweiz geboren und wächst ca. 1 Autostunde von uns entfernt bei der Mutter auf, die aus dem Heimatort meines Mannes stammt und schlecht deutsch spricht. Sie spricht mit dem Kind ausschliesslich in ihrer Muttersprache.

Als unsere Beziehung begann, war mein Mann schon mehrere Jahre lang geschieden.Kennengelernt habe ich die Tochter vor vier Jahren. Zu Beginn war sie sehr eifersüchtig auf die neue Frau an Papas Seite und hat jede Vertrautheit von uns mit Schreien und Schlagen quittiert. Das hat einen langen Atem unserseits gefordert, viel Geduld, Liebe und Verständnis. Gleichzeitig schien sie mich als Person aber durchaus zu akzeptieren, sie verhält sich mir Gegenüber im direkten Kontakt freundlich und auch respektvoll. Ich habe nie versucht, eine Mutterrolle ihr gegenüber einzunehmen. Ich würde unser Verhältnis als freundschaftlich bezeichnen, vielleicht am ehesten so wie zwischen einer Patin und ihrer Patentochter. Mit ihrer Mutter verstehe ich mich gut, sie hat mir nie Steine in den Weg gelegt und meine Beziehung zur Tochter wohlwollend unterstützt.

Soweit alles so gut. Der schwierige Punkt ist allerdings die Vater-Tochter-Beziehung, die sich nicht hilfreich auf unser Dreiergespann auswirkt. Mein Mann vergöttert seine Tochter und tut alles dafür, sie in jeder Hinsicht zufrieden zu stellen. Das bedeutet, dass sich die Besuchswochenenden ausschliesslich um die Bedürfnisse der Tochter drehen. Grenzen und Regeln kriegt sie keine gesetzt, mein Mann moutiert in ihrer Anwesenheit zum Kinder-Entertainer, Diener und Spielkameraden. Sie setzt ihre Besitzansprüche dem Vater gegenüber mit Schmollen durch oder mit kleinkindlichem Verhalten, das seinen Fürsorgerinstinkt weckt. Für mich erschwerend hinzukommt, dass sich die beiden oft in der Muttersprache meines Mannes unterhalten, die ich nicht beherrsche. So gerate ich regelmässig ins Abseits und fühle mich als Zaungast in meinem eigenen Haus. Wir haben zwar abgemacht, dass deutsch gesprochen wird, wenn ich da bin, aber die beiden vergessen das immer wieder. Es ist nicht so, dass sie dauernd nur zu zweit sein möchten, sie unternehmen gerne etwas zu Dritt, aber ich fühle mich durch die Sprachbarriere dabei trotzdem oft ausgeschlossen.

Mit meinem Mann habe ich all diese Punkte schon mehrmals besprochen. Er weiss, wie es mir dabei geht, und was ich anders haben möchte. Im Gespräch sieht er das auch ein. Aber an diesen Wochenenden setzten sich dann Gewohnheiten aus dem alten Familiensystem, Schuldgefühle als Scheidungsvater und sein übergrosses Vaterherz durch, und alles bleibt beim Alten.

Deshalb habe ich mir nun überlegt, mich öfters für ein Wochenende auszuklinken, und etwas für mich zu unternehmen für diese 2,5 Tage. Ich habe Hunde, um die ich mich sehr gerne kümmere, kann Freunde besuchen oder auch für ich alleine wegfahren, das ist alles kein Problem.
Ich frage mich nur, wie sich das auswirken wird auf unsere Patchwork-Situation. Wird sich die Vater-Tochter-Symbiose dadurch verstärken, so dass ich es dann als noch schwieriger empfinde, wenn wir zu Dritt sind? Oder kann sich die Lage dadurch entspannen?

Ich würde mich über Eure Erfahrungen und Gedankenb freuen.

Herzliche Grüsse
Aurora
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Ria
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Re: Besuchswochenenden ausweichen

Beitrag von Ria »

Hallo Aurora und willkommen im Forum!

Wenn ich deinen Beitrag lese, kommt bei mir Bewunderung auf, wie ihr die erste schwierige Zeit mit der Tochter gemeistert habt! Vor allem du, die du nicht ihre Mutter bist!
Aurora hat geschrieben: 26.02.2021 15:51 Soweit alles so gut. Der schwierige Punkt ist allerdings die Vater-Tochter-Beziehung, die sich nicht hilfreich auf unser Dreiergespann auswirkt. Mein Mann vergöttert seine Tochter und tut alles dafür, sie in jeder Hinsicht zufrieden zu stellen. Das bedeutet, dass sich die Besuchswochenenden ausschliesslich um die Bedürfnisse der Tochter drehen. Grenzen und Regeln kriegt sie keine gesetzt, mein Mann moutiert in ihrer Anwesenheit zum Kinder-Entertainer, Diener und Spielkameraden. Sie setzt ihre Besitzansprüche dem Vater gegenüber mit Schmollen durch oder mit kleinkindlichem Verhalten, das seinen Fürsorgerinstinkt weckt.
Da werden sicher einige von uns Leserinnen denken, "das kennen wir doch..."
Und du schreibst ja sogar, dass du weisst, woher das kommt:
Aurora hat geschrieben: Gewohnheiten aus dem alten Familiensystem, Schuldgefühle als Scheidungsvater und sein übergrosses Vaterherz
und wahrscheinlich will er einfach auch die wenige Zeit mit seiner Tochter geniessen und keine Konflikte riskieren, gäll.
So lange das so für ihn stimmt, wirst du ihn wohl kaum dazu bringen, sein Verhalten zu ändern.
Erst dann, wenn er selber findet, dass er eine Grenze setzen müsste.

Was dir das Leben dann schwer macht, ist deine Meinung darüber, dass es anders sein sollte. Muss es aber nicht.
Wenn du es aber akzeptieren kannst und dich nicht mehr dagegen wehren musst, geht es vor allem dir besser. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, das ist mir schon klar...
Aurora hat geschrieben:Für mich erschwerend hinzukommt, dass sich die beiden oft in der Muttersprache meines Mannes unterhalten, die ich nicht beherrsche. So gerate ich regelmässig ins Abseits und fühle mich als Zaungast in meinem eigenen Haus. Wir haben zwar abgemacht, dass deutsch gesprochen wird, wenn ich da bin, aber die beiden vergessen das immer wieder.
Ganz ehrlich, da würde ich mich wehren. Zum Beispiel, indem du deinem Mann sagst, was du dir für einen Ausgleich dafür von ihm wünschst, wenn er es wieder "vergisst". Es sieht bis jetzt nämlich so aus, wie wenn ihm das gar nicht so wichtig wäre. Aber für dich ist es das!
Als Beispiel für einen Ausgleich könnte ein Betrag in ein Wellness-Kässeli sein, falls du daran Freude hast. Aber es müssten dann schon etwa CHF 50 sein, dass es auch etwas ausmacht
Oder dir kommt noch etwas viel Besseres in den Sinn :wink:
Aurora hat geschrieben:Deshalb habe ich mir nun überlegt, mich öfters für ein Wochenende auszuklinken, und etwas für mich zu unternehmen für diese 2,5 Tage. Ich habe Hunde, um die ich mich sehr gerne kümmere, kann Freunde besuchen oder auch für ich alleine wegfahren, das ist alles kein Problem.
Ich frage mich nur, wie sich das auswirken wird auf unsere Patchwork-Situation. Wird sich die Vater-Tochter-Symbiose dadurch verstärken, so dass ich es dann als noch schwieriger empfinde, wenn wir zu Dritt sind? Oder kann sich die Lage dadurch entspannen?
Ich glaube, dass du auch hier ganz richtig spürst und befürchtest. Denn das kann es einfach nicht sein, dass du ihnen aus dem Weg gehst - es ist schliesslich dein Zuhause!
Auch wenn du Ideen hast, was du tun könntest und es absolut legitim ist, auch mal weg zu sein, um etwas zu tun, das dir Spass macht: Ein Stück Groll bleibt bei dir hängen, wenn du es tust, weil es dir Zuhause wegen ihrem Verhalten nicht wohl ist.
Deshalb ist es wichtig nicht zu resignieren und dich einzubringen und deine Bedürfnisse ernsthaft und konkret anzumelden!
Was würdest du gerne mit ihnen gemeinsam unternehmen, das dir auch Spass macht? Bring dich ein, es lohnt sich!
Und eben, nur deutsch reden in deiner Anwesenheit :D

Ich hoffe, das bringt dir etwas und du kommst da einen Schritt weiter.
Viel Erfolg und herzliche Grüsse
Ria
Seit 27 Jahren Patchworkfamilienfrau und Coach für solche :-)
http://www.coacheria.ch
Aurora
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Re: Besuchswochenenden ausweichen

Beitrag von Aurora »

Liebe Ria
Herzlichen Dank für Deine ermutigenden Antworten. Der Impuls mit dem Wellness-Kässeli gefällt mir 8)! Es hilft ja wirklich ungemein, den Humor nicht aus den Augen zu verlieren.
Was dir das Leben dann schwer macht, ist deine Meinung darüber, dass es anders sein sollte. Muss es aber nicht.
Wenn du es aber akzeptieren kannst und dich nicht mehr dagegen wehren musst, geht es vor allem dir besser. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, das ist mir schon klar...
Damit hast Du natürlich Recht, und ich wünschte mir oft, ich könnte mich von diesen Empfindungen frei machen oder einfach zur Kenntnis nehmen, dass sie da sind und dann gelassen darauf reagieren. Das klappt mal besser und mal schlechter. Mein Mann und ich sind im Gespräch darüber einig, dass wir der Tochter auch vorleben möchten, was UNS wichtig ist. Nämlich unsere Ehe und unser gemeinsames Leben. Nur funktioniert das nicht, wenn der Grossteil von allem, was unseren gemeinsamen Alltag ausmacht, ins Abseits gerät, sobald die Tochter da ist. Sie hat bis jetzt nur zerbrochene Beziehungen erlebt. Es wäre schön, wenn sie erleben würde, dass Mann und Frau einander wichtig sind. Und dass sich dies in einem achtsamen Umgang miteinander äussert. Nicht im Übergehen des anderen in entscheidenen Momenten.

Wir haben uns nun überlegt, die Wochenenden mit der Tochter bewusster anzugehen. Danke für Deine Ermutigung, mich einzubringen, und da nicht zu resignieren. Vielleicht sollten wir einfach versuchen, das zu fördern, was wir zu Dritt gut können. Also aus dem Guten mehr zu machen, und die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Im Übrigen stelle ich mir einen Mix vor, aus eigener und gemeinsamer Zeit. Das war vor Corona einfacher und hat gut funktioniert. Zur Zeit sitzt man halt ohnehin mehr aufeinander, was auch in Familien ohne Patchwork zu Problemen führen kann. :wink:

Und guter Letzt hilft einem ja auch die Zeit 8)! In den nächsten Jahren wird sich entwicklungsmässig bei der Tochter wohl viel tun, und da bin ich auch einfach mal gespannt drauf.

Ich grüsse Dich ganz herzlich und wünsche Dir einen wunderschönen, sonnigen Tag! :applaus:
Herzlichi Grüess
Aurora
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