Liebe Babell,
ich habe immer wieder den Eindruck, es ist eben gar nicht so einfach: was ist denn genau richtig und was ist falsch? Was für den einen richtig ist, muss es noch lange nicht für den anderen sein!
Und das Wohl des Kindes wird viel zitiert......Du und sicher die meisten von uns hier, versuchen mit voller Überzeugung im Interesse der Kinder zu handeln. Aber wissen wir wirklich immer so ganz genau was genau denn nun dem Wohl des betreffenden Kindes entspricht? Es gibt eben doch wenig so eindeutige Situationen, oder?
Vor allem aber gibt es Situationen, in denen wir sehr genau wissen, was gut wäre und uns wahrscheinlich auch nicht täuschen, aber aus dem einen oder anderen Grund liegt es nicht in unserer Macht, entsprechend zu handeln. Die Umgebung, andere beteiligte Personen beeinflussen auch unser Handeln und wir alle sind auch Menschen mit eigenen Gefühlen, denen wir auch manchmal ausgeliefert sind.
Aus meiner eigenen Geschichte kann ich Dir z.B. sagen, dass ich immer extrem viele Kompromisse gemacht habe in der Hoffnung, den Kindern oder mindestens der Tochter doch noch ein enges Verhältnis zum Vater zu ermöglichen. Ausserdem habe ich versucht, sie zu schützen. Meine eigenen, manchmal aus verständlichen Gründen auch negativen Gefühle, habe ich oft verborgen, so gut es ging. Das wäre ja eigentlich vorbildlich, oder?
Nun ist meine Grosse 16 und in Therapie. Und sie erkennt, dass sie - gerade weil ich sie so geschützt habe - nie gelernt hat, sich selber zu wehren und gegenüber dem Vater für ihre eigenen Gefühle einzustehen. Ich habe mich völlig von dem Thema abgegrenzt und ihr auch das erste mal meine eigenen Gefühle ganz offen erklärt. Und plötzlcih geht es ihr viel besser, sie findet jetzt ihren eigenen Weg.
Aber hätte ich mich anders verhalten sollen? Ich habe es einfach so gut gemacht, wie ich konnte. Und ich spüre jetzt auch, dass meine Tochter das anerkennt und weiss. Ich habe mein Bestes gegeben und was wäre wenn, ist alles nur Spekulation.
Ich könnte mir vorstellen, dass ihr Vater das ebenfalls von sich denkt....klar, bei uns spielen noch kulturelle Unterschiede eine Rolle. Aber dennoch hat er in seinen Augen und im Rahmen seiner Möglichkeiten seine Verantwortung als Vater wahrgenommen. Dazu gehört für ihn NICHT die tägliche Fürsorge für die Kinder, sondern in erster Linie die Aufsicht über wichtige Lebensentscheidungen.
Das hat den Kindern, die ja hier in der europäischen Kultur aufgewachsen sind und von Familie ein entsprechend anderes Bild haben, weh getan. Meine Tochter ist jetzt auf dem Weg zu erkennen: Eltern können einem Kind nie alles geben, was dieses Kind sich vielleicht wünscht....Wenn sie lernt, sich auf das zu konzentrieren, das ihr Vater und ich ihr geben konnten, lässt das Gefühl von Verlust nach.
Kennst Du das Gefühl, dass man bestimmte Dinge ganz anders machen will als die eigenen Eltern, selbst dann, wenn man eine eigentlich sehr glückliche Kindheit hatte? Oder auch umgekehrt: was man selber als wertvoll empfunden hat, will man den eigenen Kindern weitergeben? Es gibt beide Situationen, manchmal auch nebeneinander. Und dann staunt man, wenn die eigenen Kinder das überhaupt nicht schätzen....
Ich habe es als sehr bereichernd erlebt, mit meinen Eltern als Kind ein eher unkonventionelles Leben zu haben, wir waren viel im Ausland. Und meine Tochter wünscht sich nun eher ein Leben, das ich in ihrem Alter einfach nur als spiessig bezeichnet hätte.....
Meine Cousine dagegen kam aus einem extrem bürgerlichen Elternhaus auf dem Dorf. Hat alles als eng erlebt und die grosse Freiheit gesucht. Ihre Kinder finden das nun gar nicht cool und träumen von einem Häuschen mit Vorgarten wie es die Grosseltern haben. Hotelurlaub all inclusive statt Trekking auf den Kilimandscharo.....Tja....so unterschiedlich können die Bedürfnisse sein!
Inzwischen denke ich, wir können einfach nur unser Bestes geben und die Kinder werden irgendwann ihren eigenen Weg finden! Aus dem Abstand von nochmals 10 Jahren mehr, wenn sie selber als Erwachsene im Leben stehen, werden sie manches ausprobiert haben und die Dinge auch nochmals aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachten.
Aber ganz wichtig ist bestimmt, dass wir uns selber nicht so ganz vergessen und dafür sorgen, dass es uns auch gut geht!!! Frauen, die sich gut um eine Familie kümmern wollen inkl. Kinder vom Partner, neigen oft dazu, die eigenen Bedürfnisse zu ignorieren. Das erlebe ich bei vielen Freundinnen und auch bei mir. Die Männer können sich viel besser abgrenzen.
Aber es ist doch total wichtig, dass es uns auch gut geht, woher soll denn sonst die Kraft kommen, sich immer wieder mit all den offenen Fragen und Problemen rumzuschlagen?
Also: es ist Frühling, bald sind Ferien/Feiertage. In dem Sinne: