Es besteht noch Hoffnung

Fragen, Probleme und Sorgen...
Buchenholz
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Es besteht noch Hoffnung

Beitrag von Buchenholz »

Bald ist es 10 Monate her, seit dem Eklat auf der Kreuzung vor unserem Haus. Zur Erinnerung: Mein Partner hätte ungelesen eine Verfügung unterschreiben sollen. Weil er sich weigerte, stellte die Ex-Frau die Kinder vor die Wahl, sich sofort für (resp. auch gegen) einen Elternteil zu entscheiden. Darauf hat der Vater die Kinder von ihrem Besuchsrecht befreit.
Dies hat sehr zur Entspannung zwischen den Eltern herbeigführt. Leider verstanden das die Jungs als Botschaft, nicht mehr kommen zu müssen (dürfen).
Der Ältere war seither 3 Mal bei uns. 2x nur zum Kaffee für 2 bis 3 Stunden. Einzig an Weihnachten hat er hier geschlafen.
Der Jüngere kommt etwas öfter.

Damit der Vater den Kontakt zu den Jungs nicht verliert, geht er mit dem Älteren 1 x pro Woche Mittagessen. Nur in 45 Minuten ist nicht viel Beziehungsarbeit möglich. Der Jüngere besucht eine Tagesschule und so treffen sich Vater und Sohn am Abend. Manchmal zum Essen, mal zum Bowlen, mal Kino. Dem Jüngeren hat die Sonderschule gut getan. Der Kontakt via Handy funktioniert und die Termine werden eingehalten.

Der Ältere verspricht immer wieder, am WE zu Besuch zu kommen. Am Sonntagabend dann via Facebook, er hätte keine Zeit gehabt. Dafür liest man Party, Party, Party. An Ostern hat er sich selber hochoffiziell eingeladen. Er wünschte sich einen reichhaltigen Brunch, so wie früher. Wir haben uns mächtig ins Zeugs gelegt. Um 11 Uhr wollte er da sein. Um 12 hat er angerufen, er sei jetzt erwacht um 14 Uhr stand er dann da.

Er macht uns grosse Sorgen. Der erzieherische Einfluss des Vaters fehlt und seit letztem Herbst manövriert der Junge in eine Kriese. Er kifft zu viel, geht nicht ins Bett, schläft dafür in der Berufsschule, macht knapp die Aufgaben, lernt aber nicht für die Prüfungen. Entsprechend war das Zeugnis.
Früher gab es fast monatliche Eltern-Lehrer-Gespräche. Die finden jetzt einfach mit dem Lehrmeister statt.

Es ist ganz klar. Das alleine Wohnen ist nicht gesund. Die Jungs haben zuviele Freiheiten, zu viel Selbstverantwortung, zuwenig Unterstützung.

Im Frühling hatte man das Gefühl, er würde sein Leben wegschmeissen, er würde depressiv. Im Geschäft brachte er die Leistung nicht mehr, es gab ein paar Unregelmässigkeiten. Speziell dabei, dass die Mutter seine Lügen deckt und für ihn Entschuldigungen schreibt.
Und wie schon mehrmals geschrieben: wer Regeln aufstellt und Konsequenzen durchzieht ist ein A.... Mutter und Sohn haben Mühe mit Autoritätspersonen. Nun möchte der Junge die Lehre schmeissen. Er bringt Alternativen, die nur scheitern können. Er möchte, dass "man" seine Probleme löst. Er klagt, dass er im Stich gelassen wird. Lösungen und Hilfe lehnt er ab.
Der Vater hat ihm nochmals vorgeschlagen hier zu wohnen. Sein Lehrmeister hätte einen anderen Arbeitsort organisiert. Der Junge will nicht. Er beschreibt detailiert, dass das Leben bei uns viel besser sei. Aber die Freiheiten bei der Mutter haben doch mehr Priorität. Und sein bester Satz (ich musste mir das Lachen verkneifen): "er könne mit Freiheiten umgehen, er sei eben schon erwachsen."

Gestern hat der Junge wieder gejammert und der Vater konnte ihm endlich aufzeigen, dass über diese Distanz und ohne Beziehung keine Unterstützung möglich sei. Und dass inzwischen soviel schief gelaufen ist, da kann auch der Vater nicht mehr helfen. Der Junge ist nun endlich bereit, mit dem Vater die Psychologin zu besuchen, die wir bereits vor einem Jahr angefragt haben.

Hommmm .... tief durchschnaufen ..... ich hoffe
Anita

Beitrag von Anita »

ich weiss das klingt einfach und hart....aber ihr müsst dem jungen die verantwortung für sein tun abgeben.
es ist zu spät für grenzen und erziehung. er lässt sich nicht mehr davon beeinflussen.
kann sein, dass er erst mal weiter abstürzt....aber solange ihr immer versucht etwas aufzufangen, braucht er ja die verantwortung für sich nicht wirklich zu übernehmen.
versucht ihm vertrauen zu schenken, dass er es nun selbst packen wird und bietet eure offenen ohren für seine kummer, wenn er danach sucht und um hilfe bittet (dann gerne helfen!).
das könnte in etwa so klingen:

"xy....wir wissen, dass du es nicht einfach hast und wir haben nun lange versucht dir zu helfen. nun haben wir gemerkt, dass dies wohl nicht das ist, was dich weiterbringt und wir denken es ist an der zeit, dir die verantwortung selbst zu überlassen, wie du in zukunft dein leben anpacken willst. wir sind da und haben sicher immer ein offens ohr und nun wünschen dir alles gute auf deinem weg"
Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

Hallo Anita

Es ist nicht so, dass der Vater dem Jungen die Verantwortung/Probleme total abnimmt. Mit Ausnahme der grossen Schulden. Die hat der Vater zwar bezahlt. Immer 1000 Fr. im Rückstand zu sein, kann schon belastend sein. Jetzt stottert der Junge einfach monatlich kleinere Beträge ab.
Es ist aber so, dass der Junge an ZUVIEL Selbstverantwortung zu Grunde geht.

Es ist so, dass die Jungs nie wirklich richtige Konsequenzen spüren mussten. Früher war es der Vater, der aus Angst, die Beziehung zu den Jungs zu verlieren, zu wenig konsequent war. Dann bei Schulproblemen war es eher die Mutter, welche den Lehrern sogar mit Anwalt drohte, falls es Konsequenzen gebe. Und so hat v.a. der Ältere gar nie gelernt, mal ein negatives Gefühl zu ertragen oder mal durchzubeissen.
Auch jetzt bejaht die Mutter den Lehrabbruch. Ihre Alternative: Kuschelvariante.

Sobald es also schwierig wird, sucht man Schuldige und/oder läuft davon. Tja und jetzt in der Lehre muss man eben auch arbeiten. Hausaufgaben machen. Das Leben besteht nicht nur aus Freizeit und Party. Was dem Jungen somit fehlt, ist ein Erfolgserlebnis. Immer hat man ihm eben die Probleme abgenommen. Auch jetzt möchte er, dass man für ihn das Problem mit seiner Lehre löst. Er findet sein Leben Sch..... Und es ist so. Das Leben, welches die Jungs führen müssen ist nicht in Ordnung. Es werden ihnen total falsche Werte vermittelt und mit denen werden sie immer wieder in der Gesellschaft anstehen.
Der Junge hat kürzlich zugeben, dass seine Mutter schwierig sei. Er versteht aber den Zusammenhang seiner Probleme und seiner Mutter nicht. Und der Vater kann ihm das zuwenig detailiert erklären, ohne die Mutter total schlecht zu machen. Und viele Muster hat der Junge ja bereits selber übernommen. Intuitiv spürt der Junge schon, dass da was falsch läuft, aber er steckt ja selber mittendrin und er ist zu jung und vor allem noch zu abhängig von der Mutter. Daher wäre es besser, wenn eine neutrale Drittperson sich seiner Geschichte annimmt und ihm zuhört.
Und !!!! und das ist unsere Hoffnung, eben auch die Mutter in die Therapie miteinbezieht.

Es ist so, dass der Junge sehr viel verschweigen muss. Vieles was bei der Mutter läuft, darf der Vater nicht wissen. Tja und mit wem soll dann der Junge reden, wenn der Vater eigentlich seine Vertrauensperson ist? Schwierig.
Vor ein paar Monaten war die Mutter wieder sehr krank. Wieder war die Rede, sie könnte sterben und die Jungs dürfen mit niemandem darüber reden. So etwas können nicht mal wir Erwachsene einfach so wegstecken. Und wie bitte sollen denn Kinder mit sowas umgehen?

Und wie und wann soll der Vater dem Jungen gut zureden. In 45 Minuten Mittagszeit, bei der ein Teil der Zeit für die Wahl des Menüs und des Essens drauf geht, wann willst du dem Jungen noch zureden. Es soll schon schwierig sein, überhaupt herauszufinden, was dem Jungen so zusetzt. Und fast jedes Mal erwähnt der Junge, in welcher Sache er wieder mit der Polizei Kontakt hatte. Kein Wunder ist sein Leben eine Dauerbaustelle.
Jetzt am Sonntag hat er versprochen zu kommen. Und der Vater wird mit ihm reden.

Ich möchte einfach nie grosse Lettern in der Zeitung lesen, dass sich ein Jugendlicher vor den Zug geworfen hat. Seine Mutter hat 3 Suizidversuche hinter sich. Wenn es schwierig ist, dann läuft man davon. Wenn es sein muss auch vor dem Leben. Und ich will auch keinen Abschiedsbrief lesen, in dem steht: "und niemand hat mir geholfen".
Pubertät ist für viele eine schwierige Zeit.
Anita

Beitrag von Anita »

es gibt für mich keine konsequenzen die man einem menschen aufbürden müsste, damit er lernt.
es ist mehrfach in studien bewiesen, dass aus strafe (konsequenz sagt man heute, weil es netter klingt) kein lerneffekt erfolgt.....ausser das jemand anders mächtiger ist (was den selbstwert eines menschen massiv senkt).

natürlich haben die jungs ihre geschichte und die ist wahrlich nicht einfach....aber NUR SIE entscheiden, wann sie bereit für hilfe und therapie sind. man kann menschen nicht zur therapie zwingen, die dann auch noch wirkungsvoll sein soll.
da nutzt die ganze logik die du beschreibst NICHTS. es ist IHR entscheid und ihr könnt, auch wenn ihr das noch so gut gemeint wollt, ihnen das nicht abnehmen. aber ihr könnt da sein.

dein mann sollte bei den essen doch viel lieber über dinge sprechen, die spass machen. die den talenten der jungs entsprechen. die ein gutes gefühl auslösen und BEZIEHUNG schaffen. das geht auch in 45 min!
löchern, bohren in den themen die ungut tun, schwächen das gemüt.
lasst ihnen zeit, dass sie damit auf euch zu kommen und verlangt nicht, dass sie es tun, weil IHR das wollt.

ich verstehe gut, dass ihr euch sorgt. aber ihr habt ja ein offenes haus und immer offene ohren für die jungs und sie wissen das. ihr könnt für sie nicht flicken was nicht gut war....das können sie nur selbst, dann wenn sie dazu bereit sind.

lg anita
Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

Nein Anita, da bin ich nicht ganz einig mit dir.
Wenn eine Arbeit nicht korrekt ausgeführt wird, dann wird sie halt so lange gemacht bis sie richtig ist. Wer tagsüber zu viele Pausen macht, der arbeitet abends eben etwas länger. Wenn man dahinter aber eine Strafe sehen will, der lernt nicht aus seinen Fehler oder Fehlverhalten.
Wer nicht für Prüfungen lernt, der bekommt schlechte Noten. Punkt. Und dafür ist man selber verantwortlich. Und die Konsequenz dafür ist, dass man irgendwann die Lehre verliert. Ja, insofern ist es die Strafe für seine eigene Unzulänglichkeiten.
Wer in der Schule einen Regelbruch begeht, der spürt Konsequenzen. Mag sein, dass einige wie eine Strafe aussehen. Der Ältere hatte kurz vor Schulende zu viele Grenzen überschritten. Als Konsequezn durfte er nichts ins Abschlusslager, sondern musste dafür arbeiten gehen. Man kann dies als Strafe ansehen. Mann kann aber auch sagen, dass ein Lager eine Belohnung ist für jene Schüler, welche sich an Regel halten. Er hat jetzt einfach diese Belohnung nicht verdient. Und einfach während der offiziellen Schulzeit eine Woche zu Hause bleiben, das geht nicht. Also ging er halt eben Strasse putzen und Hecken schneiden. Aber sogar da hat er sich davongelogen und die Mutter hat es gedeckt. Toll. :-(
Wenn die Mutter aber dem Jungen vermittelt, wie böse diese Schule ist, dann wird da ein falsches Weltbild vermittelt.

Dieser Junge ist jetzt in der Lehre. Und wer nicht arbeitet, der fliegt. Vögeli friss oder stirb. Das ist nicht mehr so wie in der Schule, wo es eine Ausbildungspflicht gibt. Es ist nicht so, dass der Lehrmeistern einen Lehrling ausbilden MUSS. Man bekommt auch nicht Lohn, damit man überhaupt zur Arbeit erscheint. Ein Lerhlingslohn ist nicht Bestechungsgeld.

Etwas positives gibt es aber. Es hat ein Gespräch mit dem Berufsinspektorat gegeben und der Junge und sein Arbeitsort werden jetzt ein bisschen begleitet. Der Junge darf diese Lehre nicht aufgeben.

Wenn der Junge über Dinge redet, die Spass machen, dann sind das alles Sachen, die verboten sind. Blöd nur, dass die Polzei diesen Spass nicht versteht.
Und viele dieser spassigen Sachen sind extrem teuer. Blöd, dass niemand diesen Spass finanzieren will.
Eben, irgendwer sollte auch diese Problem lösen.

Es ist jetzt 5 vor 12. Noch weiter abstürzen könnte u.U. Jugendvollzugsanstalt bedeuten. Möchtest du, dass deine Kinder diese Erfahrung machen müssten?

Der Ex-Frau würde es Recht sein. Sie wüsste auch schon, wem sie die Schuld dafür zuschieben könnte.

Der Junge hat beim letzten Gespräch gesagt, dass ihm nie geholfen wird. Anscheinend war die Unterstützung des Vaters nicht Hilfe genug. Und deshalb der Vorschlag, dass eine Psychologin helfen könnte. Und er hat dem zugestimmt. Das heisst doch, dass er für eine Therapie einwilligt.
Anita

Beitrag von Anita »

guten morgen buchenholz

ich habe auf deinen satz "konsequenzen spüren müssen" reagiert, weil es sich für mich nach strafe angehört hat.
wenn eine arbeit zu ende geführt werden muss, ist dies eine natürlich folge, die logisch ist. das weiss aber jeder. sicher auch dein bonussohn.
alles was ihr ihm sagt, weiss er bestimmt schon. er ist nur noch nicht offen dafür.
das selbe gilt für seine geschichte. er weiss das alles. er kennt inzwischen auch eure haltung und weiss und fühlt schon viele jahre seines lebens, dass es seiner mami nicht gut geht....er muss es nicht noch mehr hören...das ändert nichts. erst wenn er dazu bereit ist.
vielleicht muss er dafür noch mehr fallen. vielleicht auch in strukturierten, begleitenten massnahmen zur ruhe kommen....ich wünsche mir das für keinen jugendlichen, kein kind...
aber ich erlebe zum glück auch, dass manche so ihren weg finden....dann, wenn sie aus distanz wieder zugang zur familie finden und von aussen unterstützt werden.
ich glaube einfach, dass ihr das aushalten müsst....so traurig es ist.
seid da. zeigt präsenz und habt offene türen. das ist wohl das grösste was ihr geben könnt.

alles gute
anita
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Delphia
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Beitrag von Delphia »

Ich gehe mit Euch einig. Ihr habt zwar verschiedene Ansatzwege und zum gleichen Schluss kommt ihr ;-).

Die Kids brauchen Liebe, Zuneigung, Verständnis und Unterstützung. Wobei mit dem Älterwerden kommt auch die Verantwortung. Die wächst mit dem Alter. Für die einen schneller, für die anderen langsamer.

Eigenverantwortung übernehmen: da winden sich einige Scheidungskinder. Das hat damit zu tun, dass die Eltern sich nicht einig werden. Saperlott! Es ist immer das Gleiche. Die Kids wissen es und sie schlüpfen...

Kenne dies aus Erfahrung!
Delphia
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Probleme? nein! Herausforderungen: ja :-), manchmal aber völlig hoffnungslos...
Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

Hallo ihr beiden

Für mich ist es aber ein Unterschied, ob eine Familie erkennt, dass sie mit ihrer erzieherischen/elterlichen Verantwortung überfordert sind und dann ihr Kind in die Hände von Fachleuten übergibt. Sei es eine Tagesschule oder ein Heim.

Oder ob man ein Kind so tief fallen lässt, bis die Jugendjustiz (Gericht) beschliesst, ein Kind in eine Institution zu überweisen, wo es dann erzogen wird. Wo dann der Staat die Wahl der Institution trifft. Auch wenn Jugendliche mit 16 schon ziemlich erwachsen sind und man sie loslassen muss, so haben Eltern immer noch die erzieherische Verantwortung. Und so lange es möglich ist, sollten die Eltern die auch selber wahrnehmen. Wir können das nicht dem Staat abschieben.

Und à propos fallen lassen. Wie tief muss ein Kind fallen, wo setzt man da die Grenzen? Ich übertreibe jetzt: wenn es Drogenabhängig ist, gewalttätig wird, Suizid begeht? Nein, Verantwortung darf man nicht abschieben.


Der Junge hat gesagt, sein Leben sei Sch... , alles geht schief, nichts funktioniert. Daher will er die Lehre schmeissen. Und das wäre der falsche Ansatz. Er darf nicht das wegwerfen, was ihm Struktur gibt. Aber das kann wohl eine Fachperson besser erklären. Und vor allem sollte er mal all seine Probleme bei jemandem abladen dürfen. Ausser dem Vater, zu dem er ja jetzt kaum mehr eine wirkliche Beziehung pflegt, hat der Junge KEINE Vertrauensperson.
Anita

Beitrag von Anita »

ich glaube eher, dass es zu komplex ist, hier darüber zu diskutieren....
und das wir schon aneinander vorbei schreiben...zudem habe ich da wohl auch aus persönlichen erfahrungen eine sehr offene haltung, die ja nicht jeder teilen muss ;)

ich habe aber nicht geschrieben, dass ihr ihn fallen lassen sollt! im gegenteil!
er braucht bezugspersonen die präsent sind und zu ihm stehen und ihm VERTRAUEN schenken ;)

ebenso habe ich geschrieben, dass er vielleicht in einem jugendheim gut aufgehoben sein könnte;
Anita hat geschrieben:vielleicht auch in strukturierten, begleiteten massnahmen
zur ruhe kommen....ich wünsche mir das für keinen jugendlichen, kein kind...
aber ich erlebe zum glück auch, dass manche so ihren weg finden....dann, wenn sie aus distanz wieder zugang zur familie finden und von aussen unterstützt werden.
da übernimmt ein anderes system (ausserhalb der familie) einfluss, was eben eine chance sein kann, aber nur, wenn er dazu bereit ist.

ein abbruch einer erstausbildung bedeutet auch nicht gleich den untergang...viele menschen brauchen etwas zeit, ihren weg zu finden...

und zum schluss ganz persönlich;
auch ich habe in meiner jugend viel ausprobiert und manche hochs, aber auch üble tiefs durchlebt...wer immer mich eingrenzen wollte (grenzen setzen), hat bei mir nur noch mehr ausbruchsgefühle hervorgelockt....ich habe zünftig rebelliert gegen mein familiensystem und brauchte dies auch, um zu mir zu finden.
ich hatte aber einen papi, dessen vertrauen in mich, ich immer gespürt habe. dies war mein grosses glück, dass mich vor dem ganz tiefen fall geschützt hat.

ich lasse es nun so stehen und hoffe, ihr findet EUREN weg. es gibt ja bekanntlich viele :wink:
lg
anita
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Delphia
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Beitrag von Delphia »

Hi Buchenholz

Ich habe eine Tochter, die Ähnliches erlebt...

Sie muss Eigenverantwortung übernehmen. Aber eben, dort wo Grenzen gesetzt werden, geht es ihr wie Anita als Jugendliche. Es ist für sie Grund genug, um wieder auszubrechen.

Ich höre nicht auf, ihr zu sagen, dass sie es schaffen wird. Ich bin auch davon überzeugt, obwohl viele sie bereits aufgegeben haben. Sie versucht immer wieder ihrem leiblichen Vater zu gefallen usw. Es gelingt ihr einfach nicht. Entweder gibt es keine Grenzen bei ihm oder dann völlige absurde, sodass beide am Anschlag sind. Dann passiert eben das, dass mein Ex-Mann mich anruft und sich über sie beklagt. Es kann so tönen: "Sie isch a chlini Nutte, so wie sie umelauft. Sie macht mi fertig, ich bi nu noh as hüffeli dräck. I wett sie niämeh gseeh. si isch nüme mini tochter." usw., usw.

Trotzdem geht sie immer wieder zu ihm, da er ihr keine wirklichen Grenzen setzt. Auch dieses Wochenende haut sie wieder auf die Pauke, sie ist das Wochenende dort. Da kann weder ich noch Fachleute helfen.

Ich bleibe dabei und stärke sie, wo ich kann. ;-)

Vielleicht würde das auch bei dem Jungen helfen?
Delphia
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Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

Der Vater baut den Jungen bei jedem Mittagessen auf. Zeigt ihm, wie er Erfolgserlebnisse erreicht, wie er seine Woche, seine Aufgaben strukturieren kann. Wie er mit seinen Vorgesetzen reden sollte, wie er die Aufträge ausüben soll, damit man sich nicht von ihm trennen wird. Dann geht der Junge ganz zuversichtlich wieder arbeiten. Am Abend dann nochmals ein positives Feedback, wie gut ihm das Gespräch getan hat und er jetzt weiss, wie er sein Leben gestalten wird, damit es gut kommt.
Tja, da ist aber auch wieder die Mutter, die ihm einpflanzt, wie doof die Welt ist, dass Papa's nette Art reine Berechnung ist, dass alle böse sind, dass sie die ärmsten, die Versager sind und schwups dreht der Junge wieder in der Negativspirale.
Und eine Woche später kommt wieder ein Häufchen Elend.

@ Anita
Ich weiss nicht, wie oft du deinen Vater gesehen hast. Täglich? Wöchentlich?
Wenn der Junge den Kontakt zum Vater verweigert und einzig einmal pro Woche mit ihm Essen geht, damit er wenigstens einmal eine feine warme Mahlzeit hat, dann ist es schwierig mit Beziehung aufbauen resp. erhalten.

Andere Frage: Schreibe ich irgendwie unverständlich? :roll:
Ich habe jetzt doch merhmals geschrieben, dass der Junge bereit ist, mit dem Vater eine Psychologin aufzusuchen. Das heisst doch, dass er bereit ist, seine Situation genauer anzuschauen und externe Hilfe anzunehmen.
carlotta37
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Beitrag von carlotta37 »

Liebe Buchenholz,

ich kann Dich gut verstehen: die Gratwanderung zwischen Hilfe geben und Loslassen ist schwierig! Und auch wenn die Jungs "schon" in der Lehre sind, sind sie doch noch sehr jung und wurden viel allein gelassen. Dass Ihr es Euch nicht einfach macht mit Euren Entscheidungen spürt man deutlich. Hilfe anbieten finde ich absolut richtig und im Fall der Therapie ja super, wenn der Junge sie annimmt. Ich kann mir vorstellen, dass er rein vom Alter her absolut überfordert wäre, sich so eine therapeutische Unterstützung selber zu suchen.... Ich würde wahrscheinlich genauso handeln wie Ihr es tut und ihm auch nicht erlauben, die Lehre so einfach aufzugeben. Zwingen kann man ihn allerdings nicht, aber das spürt Ihr ja auch!

Vor einem anderen Aspekt dieser Geschichte möchte ich aber warnen:
Du schreibst viel vom Umfeld des Jungen bei der Mutter, von all dem was versäumt wurde und wo diese Mutter nicht in der Lage ist, ihre Söhne zu unterstützen. Das ist sicherlich alles richtig. Aber falsch wäre die Schlussfolgerung, dass es alle diese Probleme gar nicht gäbe, wenn die Mutter anders wäre. Kinder bringen immer auch viel Eigenes mit und gehen ihren eigenen Lebensweg und so manches mal auch ganz unabhängig von den Einflüssen von aussen. Ich kenne Kinder aus ganz intakten Familien, die sich ähnlich verhalten wie Dein Stiefsohn und Kinder in ähnlichen Situationen, die völlig anders reagieren als er. Wir können unsere Kinder nicht vor allem beschützen,. ganz egal, wie gut wir es machen wollen und wie viel Hilfe wir ihnen geben und nicht an allem sind die Lebensumstände "schuld". Diese Einstellung finde ich sogar gefährlich, denn sie ermutigt die Kids auch dazu, mit 40 noch zu klagen, dass an allem Mist, den sie machen nur die schlechte Kindheit schuld ist.

Ich sehe hier in unserem Umfeld einen Jungen aus einer sehr kaputten Familie mit einer schwer depressiven Mutter, der jetzt 16, ganz zielstrebig seinen Weg geht und das ohne jede Hilfe. Gerade WEIL er mal anders leben will als eine Eltern....Und ich sehe täglich Kinder, die jede nur mögliche Hilfe bekommen und geborgen und geliebt und behütet aufwachsen und furchtbar rebellieren. Natürlich, auch da haben vielleicht die Eltern den ein oder anderen Fehler gemacht. Aber Fehler machen ALLE Eltern mal, wir sind doch alle nur Menschen!

Übrigens war ich, ähnlich wie Anita schreibt, so ein Kind, das manchen Umweg gegangen ist. Das begann bei mir zwar noch nicht in der Schulzeit, bis zum Abitur war ich eher übermässig brav :oops: . Dafür habe ich es dann danach umso intensiver nachgeholt. Wenn ich mir heute überlege, welche Sorgen besonders meine Mutter sich um mich gemacht haben muss, dann kann ich ihr einfahc nur dankbar sein, dass sie mich immer geliebt hat, mir das auch gezeigt hat, aber ohne mich anzubinden oder sich allzu sehr einzumischen. Irgendwie muss sie doch vertrauen gehabt haben und das schätze ich sehr. Sie hat mir immer wieder geholfen, aber sie hat mir nie gesagt, was ich zu tun habe!
Und heute muss ich sagen, ohne diese "Umwege" wäre ich ein anderer Mensch. Mein Leben wäre möglicherweise ruhiger und sicherer, aber auch sehr viel ärmer an Erfahrungen, Freunschaften und Möglichkeiten. Insofern war es doch gut so, wie es war.
Das einmal zu sagen, ist eine Chance, die man jedem Heranwachsenden geben muss, egal wie sehr man überzeugt ist, zu wissen was richtig wäre und besser wäre für ihn! Letztlich zeigt sich das sowieso erst zu einem viel, viel späteren Zeitpunkt im Leben!
carlotta37
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Beitrag von carlotta37 »

Liebe Buchenholz,

ich kann Dich gut verstehen: die Gratwanderung zwischen Hilfe geben und Loslassen ist schwierig! Und auch wenn die Jungs "schon" in der Lehre sind, sind sie doch noch sehr jung und wurden viel allein gelassen. Dass Ihr es Euch nicht einfach macht mit Euren Entscheidungen spürt man deutlich. Hilfe anbieten finde ich absolut richtig und im Fall der Therapie ja super, wenn der Junge sie annimmt. Ich kann mir vorstellen, dass er rein vom Alter her absolut überfordert wäre, sich so eine therapeutische Unterstützung selber zu suchen.... Ich würde wahrscheinlich genauso handeln wie Ihr es tut und ihm auch nicht erlauben, die Lehre so einfach aufzugeben. Zwingen kann man ihn allerdings nicht, aber das spürt Ihr ja auch!

Vor einem anderen Aspekt dieser Geschichte möchte ich aber warnen:
Du schreibst viel vom Umfeld des Jungen bei der Mutter, von all dem was versäumt wurde und wo diese Mutter nicht in der Lage ist, ihre Söhne zu unterstützen. Das ist sicherlich alles richtig. Aber falsch wäre die Schlussfolgerung, dass es alle diese Probleme gar nicht gäbe, wenn die Mutter anders wäre. Kinder bringen immer auch viel Eigenes mit und gehen ihren eigenen Lebensweg und so manches mal auch ganz unabhängig von den Einflüssen von aussen. Ich kenne Kinder aus ganz intakten Familien, die sich ähnlich verhalten wie Dein Stiefsohn und Kinder in ähnlichen Situationen, die völlig anders reagieren als er. Wir können unsere Kinder nicht vor allem beschützen,. ganz egal, wie gut wir es machen wollen und wie viel Hilfe wir ihnen geben und nicht an allem sind die Lebensumstände "schuld". Diese Einstellung finde ich sogar gefährlich, denn sie ermutigt die Kids auch dazu, mit 40 noch zu klagen, dass an allem Mist, den sie machen nur die schlechte Kindheit schuld ist.

Ich sehe hier in unserem Umfeld einen Jungen aus einer sehr kaputten Familie mit einer schwer depressiven Mutter, der jetzt 16, ganz zielstrebig seinen Weg geht und das ohne jede Hilfe. Gerade WEIL er mal anders leben will als eine Eltern....Und ich sehe täglich Kinder, die jede nur mögliche Hilfe bekommen und geborgen und geliebt und behütet aufwachsen und furchtbar rebellieren. Natürlich, auch da haben vielleicht die Eltern den ein oder anderen Fehler gemacht. Aber Fehler machen ALLE Eltern mal, wir sind doch alle nur Menschen!

Übrigens war ich, ähnlich wie Anita schreibt, so ein Kind, das manchen Umweg gegangen ist. Das begann bei mir zwar noch nicht in der Schulzeit, bis zum Abitur war ich eher übermässig brav :oops: . Dafür habe ich es dann danach umso intensiver nachgeholt. Wenn ich mir heute überlege, welche Sorgen besonders meine Mutter sich um mich gemacht haben muss, dann kann ich ihr einfahc nur dankbar sein, dass sie mich immer geliebt hat, mir das auch gezeigt hat, aber ohne mich anzubinden oder sich allzu sehr einzumischen. Irgendwie muss sie doch vertrauen gehabt haben und das schätze ich sehr. Sie hat mir immer wieder geholfen, aber sie hat mir nie gesagt, was ich zu tun habe!
Und heute muss ich sagen, ohne diese "Umwege" wäre ich ein anderer Mensch. Mein Leben wäre möglicherweise ruhiger und sicherer, aber auch sehr viel ärmer an Erfahrungen, Freunschaften und Möglichkeiten. Insofern war es doch gut so, wie es war.
Das einmal zu sagen, ist eine Chance, die man jedem Heranwachsenden geben muss, egal wie sehr man überzeugt ist, zu wissen was richtig wäre und besser wäre für ihn! Letztlich zeigt sich das sowieso erst zu einem viel, viel späteren Zeitpunkt im Leben!
Babell
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Beitrag von Babell »

[quote=carlotta37]Kinder bringen immer auch viel Eigenes mit und gehen ihren eigenen Lebensweg und so manches mal auch ganz unabhängig von den Einflüssen von aussen. Ich kenne Kinder aus ganz intakten Familien, die sich ähnlich verhalten wie Dein Stiefsohn und Kinder in ähnlichen Situationen, die völlig anders reagieren als er. Wir können unsere Kinder nicht vor allem beschützen,. ganz egal, wie gut wir es machen wollen und wie viel Hilfe wir ihnen geben und nicht an allem sind die Lebensumstände "schuld". Diese Einstellung finde ich sogar gefährlich, denn sie ermutigt die Kids auch dazu, mit 40 noch zu klagen, dass an allem Mist, den sie machen nur die schlechte Kindheit schuld ist.
[/quote] Wow, das finde ich eine super Einstellung!! :D
Nachtrag: ist aber wohl nicht so einfach. Ich weiss nicht, ob ich das könnte!

Hallo Buchenholz
Ich staune über die Geduld und Souveränität, die der Vater (und du als Stütze im Hintergrund) immer wieder aufbringt, um seinen Kindern zu zeigen, dass er für sie da ist. Ich wünsch Euch viel Geduld und Vertrauen und dass ihr intuitiv merkt, was das Richtige ist, was ihr machen könnt in dieser Sache.
carlotta37
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Beitrag von carlotta37 »

Naja, ich kann das selber nicht immer, bin gerade auch sehr an dem Thema dran, auch wenn's nicht so dramatisch ist wie bei den Stiefsöhnen von Buchenholz.....Müssen wir wohl alle üben! Insofern kann ich Buchenholz gut nachfühlen, wie sie sich fühlt!
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