Stiefsohn ist sehr aggressiv gegen mein eigener Sohn

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marion
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Stiefsohn ist sehr aggressiv gegen mein eigener Sohn

Beitrag von marion »

Schon einmal war ich sehr dankbar für Eure Ratschläge und hoffe es ganz fest, dass ich jetzt auch Hilfe finde...
Kurz zusammengefasst: mein 9-jähriger Stiefsohn, mit dem ich eigentlich mehr oder weniger gut auskomme, geht sehr aggressiv gegen mein 7 jährigen Sohn vor. Eigentlich ist er sehr schüchtern in der Schule und überall und kaum ist er bei uns (ca zu 40 %) habe ich das Gefühl alles muss raus und dann gehts los.: den ganzen Tag (kein Witz) zeigt er verbal und auch körperlich, dass er stärker ist als mein Sohn. Er lacht in aus bei jeder Gelegenheit, er geht dabei vorallem verbal und sehr fies und hinterlistig vor, bis der kleinere hässig wird und ihm eines schlägt, dann packt der Stiefsohn ihn und verdreht ihm den Arm oder schlägt ihn auf den Rücken/ Kopf etc. das Würde ja noch alles gehen, weil ich weiss das passiert bei vielen Brüdern, aber das was mir zu Denken gibt, dass er keine Grenzen sieht. Den selbst wenn der kleinere dann weint und am Boden liegt, macht er noch weiter, entweder mit hauen oder verbal, z.B. mit du bist nichts wert, ach jetzt weint er schon wieder... und würde ich oder mein Mann nicht einschreiten, würde er einfach weiter machen.

Verbal ist er schon so stark, dass weder ich noch mein Mann mit ihm wirklich reden können, er verdreht alles, kehrt das Thema um (Du hast aber auch schon... oder Du bist selber...) ändert blitzschnell das Thema, oder sagt "ja immer geht ihr gegen mich, immer bin ich der schuldige..." oder "ja Du Papa hast dein Stiefsohn lieber als dein eigener Sohn".
Er kann auch nicht sich entschuldigen, er kann nicht einsehen, dass er gegen einen kleineren geht.
Heute morgen als er, kaum war ein Freund von ihm da, dem Freund aufzählte, so das der keinere es hören musste, wie schlecht er im Fussball sei und er könne nicht einmal etc. etc. habe ich ihm gesagt, ob er das nicht auch sehr fies finde so mit seinem Stiefbruder umzugehen, war seine Antwort, ja er müsse sich ja einfach wehren der kleine.
Tja, und so gehts denn ganzen Tag. Er ist auch sehr frech zu mir, und alle meine Anworten lassen ihn kalt oder er dreht es um, oder er lügt einfach etwas, z.B. als ich die beiden einmal trennte und sie beide am Arm festhielt, behauptete er einfach ich hätte ihn geschlagen.

Ich weiss nicht mehr weiter, kennt jemand die Situation? Soll ich zu einem Psychologen gehen? Mein Stiefsohn würde sich sehr wehren, weil er ja glaubt, er würde nichts machen, obwohl ich weiss, dass er das auch weiss, dass es nicht stimmt. Was soll ich tun? Er kommt mir wie ein 16 jähriger vor, aber er ist doch erst 9?

Ich bin sehr dankbar für alle Anworten. Vielen Dank!
Patchworkfamilie seit 2007 mit 3 Jungs (eigener 7 jähriger Sohn, 9 jähriger Stiefsohn und 1 jähriger gemeinsamer Sohn)
Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

Hallo marion

Du schreibst 1:1 von meinem älteren Steifsohn, der genau so mit seinem 1 Jahr jüngeren Bruder umgeht. Und genau so ist auch die Mutter der beiden.

Der ältere Stiefsohn hat ein ganz tiefes Selbstwertgefühl und kompenisert dieses eben mit Gewalt oder Macht oder der Maske der Niedertracht. (Buchtitel) Der Junge kann sich keine Schwächen und Fehler eingestehen, da er so das Gesicht verlieren könnte.
Wir suchten für den Jungen einen Kinderpsychologen zu dem der Junge auch Vertrauen fasste. Aus zwei Gründen mussten wir leider die Therapie abbrechen. Erstens hatte der Therapeut am WE keine Zeit mehr und zweitens hätte man auch die Mutter einbeziehen müssen und davor hatten wir alle Angst.
Die Schule hat dann einen Psychologen vermittelt. Der hat sich dann aber sehr unprofessionell verhalten und so hat der Junge die Therapie verweigert.
Vor ein paar Monaten hat sich mein Partner einer Psychologin anvertraut und die hat die Vermutung geäussert, der Junge könnte ein leichtes AD(H)S haben. Wie die Mutter vermutlich auch.

Mit meinen gemachten Erfahrungen würde ich euch dringend raten, fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wen ihr mit der Mutter des Jungen reden könnt, dann sucht gemeinsam nach Lösungen.
Dann soll der Vater bei einem nächsten Elterngespräch mal nachfragen, wie sich der Junge in der Schule verhält. Ist er dort auch auffällig oder bezieht sich die Aggression rein nur auf eure Patchwork-Situation.
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BabyOne
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Beitrag von BabyOne »

Hallo,

ich kenne es etwas ähnlich aus meiner Familie, bei uns ist es aber ein altes Problem, das schon seit vielen Jahren esteht - erst hat mein Stiefsohn meine Tochter regelmäßig körperlich angegangen, jetzt macht er es nicht mehr so auf diesem Weg, dafür ist er verbal sehr unangenehm geworden. Er ist in psychotherapeutischer Behandlung, und die Therapeutin meint, dass er immer noch nicht gelernt hat mit Aggressionen umzugehen. Er ist auch sehr unsicher und hat ein mieses Selbstwertgefühl, und er wertet sich selber auf, indem er andere klein macht. Dafür sucht er sich aber genau die, die in jedem Fall schwächer sind als er.

Einen wirklichen Ratschlag habe ich auch nicht, aber ich würde auch mal Ausschau nach fachlicher Hilfe halten. Es gibt auch spezielle Trainings für soziale Kompetenz.

Die Psychotherapeutin sagt immer, man soll sein Selbstvertrauen mit viel Lob füttern und sein unangebrachtes Verhalten möglichst nicht beachten, um es nicht dadurch noch zu verstärken.
Patch von 2002/2003 bis 2017
eine gemeinsame Tochter 15 J.
Anita

Beitrag von Anita »

hallo marion

ich nehme an, dass dein sohn und du beim papi deines stiefsohnes wohnt. dein sohn sieht also SEINEN papi mehr, als er selbst....?

vermutlich ist er nicht wirklich gegen deinen sohn, sondern möchte damit ausdrücken, dass er unsicher ist, was SEINE beziehung zu seinem papi anbelangt. "liebt papi mich trotzdem noch, auch wenn der kleine bei ihm wohnt?" - "bin ich noch immer sein sohn, oder löst der kleine mich ab?"

ich bin sicher, dass er VERUNSICHERT ist. darum ist es wichtig, dass sein vater ihm diese sicherheit schenkt. mehr als sonst. er sollte seinem sohn zeigen und sagen, dass er für ihn besonders und wertvoll ist und dass der umstand (nicht negativ gemeint), dass der kleine (dein sohn) bei ihm wohnt, NICHTS an seiner liebe für ihn verändert.

ich bin überzeugt, dass wenn er diese sicherheit wieder gewinnt, er auch nicht mehr seine angst und wut an deinem sohn auslassen muss.

viel erfolg!

anita
Heaven
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Beitrag von Heaven »

Liebe Marion,
als ich eben deinen Text gelesen habe, hatte ich Hühnerhaut.
Ich habe das Gefühl, dass das Verhalten deines Stiefsohnes ein einziger Schrei um Hilfe, um Liebe und Aufmerksamkeit ist. Nicht, dass ihr ihm keine Liebe und Aufmerksamkeit geben würdet - bitte nicht falsch verstehen!!!
So wütend, wie er sich im Aussen zeigt, so einsam, verunsichert und traurig ist er wohl im Innern. Nur, dies ist nicht dein Fehler, dies liegt nicht in deiner Verantwortung und wahrscheinlich wirst du ihm da auch nicht gross helfen können. Dies ist Sache seiner Eltern. Sie müssen ihm die Liebe, das Vertrauen und den Halt geben, nach dem er sich sehnt.

Ich kenne die Situation nur zu gut, dass Halbgeschwister aufeinander losgehen und eifersüchtig aufeinander sein können. Diese Eifersucht richtet sich normalerweise auf die Kinder, die immer beim Vater oder der Mutter leben dürfen und nicht nur am Wochenende oder alle paar Wochen. Ich bin auch der Meinung, dass man nicht wegen jedem Streit eingreifen und den Kindern die Lösung eines Konfliktes zutrauen sollte. Doch alles hat seine Grenzen und diese werden bei euch überschritten, meiner Meinung nach. Es geht nicht an, dass sein Schmerz und sein geschwächtes Selbstwertgefühl an dein Kind weitergegeben wird.

Wir hatten einmal eine Situation, dass das ältere Kind meines Mannes hier bei uns war und unser gemeinsames Kind, dass 1 Jahr jünger ist, die Treppe herunter gestossen hat. Einmal hat es ihm eine Schaufel an den Kopf gehauen, sodass wir notfallmässig zum Arzt und das Lochen tapen lassen mussten. Ich habe es mit der Angst zu tun bekommen, denn das ältere Kind sagte, es wünschte, unser Kind sei tot...

Dieses Kind ist bald 10 Jahre jung und erhält nun Ritalin. Es sch... und pinkelt noch in die Hose und nachts trägt es Windeln. Ich scheine in der Familie die Einzige zu sein, die das nicht als "normal" hinnimmt, sondern sagt, das Kind braucht dringend Hilfe.

Mir persönlich hat das Familienstellen sehr geholfen. Meistens habe ich dies alleine gemacht. Aber es gab auch akute Situationen, zu denen mich mein Mann begleitet hat oder wir haben alle Kinder mitgenommen und mit ihnen im privaten Rahmen, also nur die Therapeutin und wir, die Familiensituation angeschaut (mit den Kids z.B. mittels Playmobil Figuren). Mir hat dies immer sehr viel vom Druck genommen und ich konnte jeweils wieder besser mit der Situation umgehen. Um dem Kind wirklich helfen zu können, hätte man mit dieser oder irgend einer Form von Hilfe weiterfahren sollen... Doch dies ist nicht in meiner Verantwortung und die Eltern sind überfordert.

Der Stiefsohn muss lernen, dass er bei euch herzlich willkommen ist - er sich aber ganz klar an eure Regeln halten muss. Handelt er gegen eure Regeln, so gilt es konsequent durchzugreifen. Schlimmstenfalls, dass er nicht mehr zu euch kommen darf und der Vater ihn auswärts trifft. Es gilt, dein Kind zu schützen... und eure Beziehung! Denn nur, wenn ihr intakt und stabil seid, könnt ihr ihm das Nest bieten, nach dem er sich so sehr sehnt.

Gibt es ev. die Möglichkeit, dass er mal an einem Weekend nur mit dem Vater alleine etwas unternehmen kann? Der Junge braucht die Kraft und bedingungslose Liebe seines Vaters, damit er sich wieder sicher fühlen und in seine Kraft kommen kann.
Patchwork-Familie seit 2000
4 Kids, davon 1 gemeinsames
marion
Beiträge: 5
Registriert: 05.01.2009 11:27

Beitrag von marion »

Vielen Dank für Eure hilfreichen Antworten!
Ja, es ist leider so, dass mein Stiefsohn ein ganz schlechtes Selbstvertrauen hat. Er ist aber z.B. sehr gut in der Schule in praktisch allen Fächern und er ist aber auch beliebt bei seinen Mitschülern. Aber eher schüchtern, hört lieber zu und bleibt lieber im Hintergrund. Mein Sohn ist eigentlich das Gegenteil, er ist ein kleiner Draufgänger und eine ziemliche "Wildsau". Alles wird ausprobiert, wenn es geht. Und ganz klar, auch er ist nicht ein Lämmlein, und kann ziemlich nerven. Das schlimme ist einfach, die ständige verbale Abwertung, welcher er ausgesetzt ist.

Ich glaube auch, dass mein Stiefsohn mehr Zeit braucht mit seinem Vater und das werden wir jetzt mehr schauen. Eine Therapie wird kaum möglich sein, weil er sich extrem dagegen wehren wird, obwohl ich glaube, dass es dringend nötig wäre.

Ich habe auch beschlossen, darauf zu schauen, dass die beiden nicht zu viel zusammen sind, was gar nicht einfach ist zum organisieren, aber es bleibt mir wohl nichts anderes übrig.

Vielen Dank nochmals für Eure Antworten und VIEL Energie wünsche ich allen Patchworker Familien!
Marion
Patchworkfamilie seit 2007 mit 3 Jungs (eigener 7 jähriger Sohn, 9 jähriger Stiefsohn und 1 jähriger gemeinsamer Sohn)
Heaven
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Registriert: 01.07.2010 13:35

Beitrag von Heaven »

Hallo Marion,
ich kann mir gut vorstellen, dass er sich gegen eine Therapie wehrt. Dies hat ja leider immer noch einen negativen Beigeschmack und kann das Gefühl auslösen, dass etwas mit ihm nicht stimmen könnte... Dies ist ja in Niemandes Sinne.
Falls du etwas für dich (bzw. für euch alle) machen und etwas Ordnung in das Familiensystem bringen möchtest, so kann ich dir eine Familienaufstellung bei einer ausgebildeten Fachperson sehr empfehlen. So könnten alle (endlich) ihren Platz einnehmen, der ihnen in eurer Familie zusteht, jede/r stünde an ihrem/seinen Platz und kann den voll ausfüllen. Jede/r weiss, wohin sie/er gehört.
Uns hat das viel Erleichterung und Ruhe gebracht. Manche von unserer Familie waren nur 1x in einer Aufstellung, ich gehe immer mal wieder gerne in eine Gruppe (oder Einzelsitzung), um für mich selber weiterzukommen, an mir und meinem Rucksack zu arbeiten und den Druck von der Familie zu nehmen.
Eine andere "Methode", die mir persönlich immer wieder geholfen hat, ist die, mich vermehrt auf das Gute und auf das, was ich habe, anstelle auf das, was (noch) nicht ist, zu konzentrieren. So kannst du die Schwingung verändern, deine Gefühlslage verändert sich praktisch sofort. Ich habe dies leider viel zu sehr vernachlässigt in letzter Zeit und bin wirklich wieder emotional Tiefseetauchen gegangen... heute ist mir dies wieder in den Sinn gekommen und ich werde versuchen, mich selber so wieder vermehrt auf das Gute und Schöne zu konzentrieren...
Ich wünsche dir und deiner Familie von ganzem Herzen viel Kraft, Zuversicht und Vertrauen!
Patchwork-Familie seit 2000
4 Kids, davon 1 gemeinsames
Buchenholz
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Registriert: 15.03.2009 17:14

Beitrag von Buchenholz »

Hallo Marion

Möglicherweise ist sein Verhalten ein Zeichen von Eifersucht. Wenn man es damit lösen kann, dass der Junge mehr Zeit mit seinem Vater verbringen kann und das die erfolgsversprechende Lösung ist, dann ist ja super.

Bei uns bekam der Ältere schon mehr als genug Papazeit. Da hätten alle anderen berechtigen Grund zur Eifersucht gehabt.

Sollte sich nichts ändern, dann würde ich dennoch eine Therapie in Betracht ziehen. Coaching klingt übrigens moderner.
Wenn er eine Therapie verweigert, dann ist er sich gerade seines Tuns bewusst und möchte nichts ändern.

Ich wünsche euch viel Glück.
Babell
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Registriert: 21.05.2010 15:04

Beitrag von Babell »

Hallo Marion

Ein Praktischer Tipp zu den Gewaltanwendungen:
Stärke deinen Sohn, wenn der Stiefsohn "auf ihn losgeht", so dass er sich wehren kann. Das heisst in dem Fall, dass du ihm vorschlagen würdest, dass der jüngere dem älteren in so einem Fall (in Kindersprache) erklären könnte: "das tut mir weh, ich mag das nicht". Vielleicht denkst du, das sei viel verlangt von deinem Sohn, und du möchtest ihn ja beschützen, aber trau ihm das ruhig zu. Wenn du immer den Jüngeren verteidigst, wird sich der Ältere ausgeschlossener fühlen und noch mehr gegen den Jüngeren vorgehen. Wenn sich der Jüngere selber wehren kann, wird der Ältere ihn auch ernst nehmen.
Probier es aus, so stärkst du auch sein Selbstvertrauen. Viel Mut und gutes Gelingen!
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