Schlechtes Gewissen

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sterneputzer
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Schlechtes Gewissen

Beitrag von sterneputzer »

Hallo zusammen. Ich lebe seit etwas mehr als 5 Jahren getrennt von meiner Familie. Meine Kinder sind heute 5 1/2 und 10 jährig.

Seit bald 2 Jahren habe ich eine neue Partnerin, welche selber ein kleines Mädchen von mittlerweile 2 1/2 Jahren hat. Per 1. April dieses Jahres sind wir nun zusammengezogen.

Meine Kinder sind jedes Wochenende mindestens eine Nacht und einen Tag bei mir. Zudem sehe ich sie meistens auch in irgendeiner Form einmal unter der Woche.

Mein Problem ist nun aber das Folgende: Seit ich mich von meiner Exfrau und damit irgendwie halt auch von den Kindern getrennt habe, habe ich täglich ein schlechtes Gewissen. Dieses schlechte Gewissen wird nun noch zusätzlich durch den Umstand verstärkt, dass die kleine Tochter meiner neuen Partnerin in der Freizeit oft um mich herum ist und sie natürlich auch gerne mit mir spielen will. Wenn ich am Abend von der Arbeit nach Hause komme, dann begrüsst sie mich wie andere Kinder ihren Papa. Natürlich weiss ich, dass das schön ist und auch normal. Gleichzeitig merke ich aber auch, wie ich die Kleine innerlich - und manchmal auch äusserlich - von mir wegweise. Ich habe dann immer in meinen Gedanken, dass ich die Nähe oder die Zeit jetzt viel lieber meinen Kindern widmen würde und sie das doch auch bräuchten.

Vor kurzem war die Situation dann für mich so unangenehm, dass ich die Kleine wegen dem kleinsten Bisschen einfach zurechtgewiesen habe. Ich kann dann sehr streng sein und auch nicht mehr wirklich objektiv. Ich empfinde dann regelrecht Ablehnung gegen das Kinder meiner Partnerin, obwohl ich die Kleine ja eigentlich mag.

Ich bin mir bewusst, dass die Kleine am allerwenigsten dafür kann, dass ich meine Kinder nicht täglich sehe. Meine neue Partnerin ist genauso unbeteiligt. Ich tue also momentan beiden ziemlich unrecht.

Hat jemand auch solche Gefühle gehabt und wenn ja: Wie seit Ihr damit umgegangen bzw. wie habt Ihr reagiert?

Ich freue mich auf Eure Meinungen!

Liebe Grüsse

Sterneputzer
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Ria
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Beitrag von Ria »

Hallo Sterneputzer

Willkommen in unserem Forum!

Danke für deinen Beitrag, zeigt er uns (mehrheitlich Frauen) doch sehr gut dargestellt ein Phänomen auf, mit dem viele Väter sich das Leben schwer machen.

Du weisst ja selber, dass weder deine Partnerin noch ihr Kind dieses Problem lösen können. Aber Du! Diese Situation ist DIE Möglichkeit, um dein schlechtes Gewissen zu verarbeiten! Du willst ja damit nicht deine neue Beziehung gefährden. Und deinen Kindern nützt es ja auch nichts, im Gegenteil.

Der Schlüssel dazu liegt darin, dich mit deiner Vergangenheit zu versöhnen und ihr zustimmen zu können. Das ist aber allein kaum möglich. Weil schönreden nichts bringt. Hol dir Unterstützung dafür, es lohnt sich! Für dich, deine Kinder und deine Beziehung.

Wenn du magst, kann du mir als private Nachricht schreiben, in welcher Gegend du bist, und vielleicht kann ich dir ja einen Coach vorschlagen.
Seit 27 Jahren Patchworkfamilienfrau und Coach für solche :-)
http://www.coacheria.ch
Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

Hallo Sternenputzer

Das was du da fühlst, so geht es ganz vielen Vätern. Und es zeigt - entgegen ganz vielen Aussagen von Feministinnen - dass eben auch Männer Gefühle haben und ihre Kinder lieben und vermissen.

Werte dein schlechtes Gewissen als positiv. Das Gegenteil wäre ja Gleichgültigkeit. Und das wiederum wäre traurig gegenüber den Kinder.

Ev. hilft dir folgendes afrikanisches Sprichwort: Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. Insofern betrachte es als Bereicherung für deine Stieftochter, dass sie mit dir zusammen leben kann. Und auch deine Kinder werden irgendwann einen Stiefvater haben, der ihnen eine andere Sicht der Welt vermittelt. Da brauchst du kein schlechtes Gewissen zu haben. Es gehört halt eben zum Leben von Geschiedenen, resp. ist die Konsequenz, wenn man nicht mehr mit dem anderen Elternteil zusammen lebt.


Der Tipp von Ria finde ich gut. Suche dir einen Coach und rede über deine Emotionen. Oder suche dir einen Männer-/Väterverein und tausche dich mit Gleichgesinnten aus. Da gbit es inzwischen ganz viele. Ria oder ich können dir da diverse Adressen geben.
tarzan
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Beitrag von tarzan »

Lieber Sternenputzer

Ich kann das auch bestätigen. Während meiner 15-jährigen Patchwork-Situation, hatte mein Ex-Mann auch immer wieder ein schlechtes Gewissen. Die ersten Jahre, ich war damals noch jung, konnte ich das nicht nachvollziehen. Doch mit der Zeit wurde mir klar, um was es geht.

In der jetzigen Konstellation wo ich mich befinde (Mann mit 10 jährigem Junge) ist es, so glaube ich, nicht anders. Er besucht seinen Bub täglich, muss ihn hüten, Hausaufgaben machen oder ähnliches. Dadurch sieht er seine Ex-Partnerin auch täglich. Ich begrüsse, dass er sich so um den Jungen kümmert, auch wenn das bedingt, dass ich ihn nicht so oft sehe.
Denke nebst dem kümmern hat das bei ihm auch damit zu tun, dass er auch ein schlechtes Gewissen hat, vielleicht auch unbewusst.

Nun, was kann man tun ? Denke es hat sicher auch mit Akzeptanz zu tun, dass die Situation nun mal so ist, wie sie ist. Und mit emotioneller Ablösung. Ich würde dir auch empfehlen, dich mit der Thematik intensiv auseinander zu setzen um einen Weg zu finden, dass Du gut mit der Situation leben kannst.
15 Jahre Patchworkerfahrung
mira
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Beitrag von mira »

Hallo Sterneputzer

Mein Vater hatte mir gegenüber auch ein sehr schlechtes Gewissen. Er hat dermassen darunter gelitten, dass er sich zu einer Psychotherapie entschieden hat. Ich habe erst als Erwachsene davon erfahren und war völlig perplex. Ich habe weder ihm noch seiner zweiten Frau je Vorwürfe gemacht, hatte auch nie das Gefühl, dass er MICH verlassen hatte. Das schlechte Gewissen war völlig grundlos, und es tat mir so leid, als ich später davon erfahren habe.

Mein Partner und ich hatten öfter Streit, weil seine Kinder nichts im Haushalt mithelfen mussten. Ich hätte mir gewünscht, dass sie in die Hausarbeit integriert werden. Erst nach längerer Zeit sagte er mir, dass er ihnen gegenüber ein schlechtes Gewissen hätte und nicht wolle, dass sie (die armen Scheidungskinder) bei ihm auch noch arbeiten müssten (sie lebten 50% bei uns). Dass er weder ihnen noch uns einen Gefallen damit gemacht hat, ist ihm heute schon klar. Die Kinder haben das nicht goutiert.
Es ist schade, dass er mir so lange nichts von seinen Gefühlen erzählt hat.
Wenn ich mit meinem heutigen Wissen noch einmal von vorne beginnen könnte, würde ich schon sehr früh die Hilfe von einer Familienberatung in Anspruch nehmen.

Hier wirst du vor allem Antworten von Frauen bekommen. Vielleicht ist es auch interessant für dich, Meinungen aus einer anderen Perspektive zu lesen. Aber ich glaube auch, dass der Austausch mit anderen betroffenen Männern oder einer Fachperson dich emotional entlasten könnten.
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BabyOne
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Beitrag von BabyOne »

Hallo Sterneputzer,

das mit dem schlechten Gewissen kennt wohl jeder getrennt lebende Elternteil. Mein Freund war da genauso. Seine Exfrau hat sich auch nach Kräften bemüht, dieses schlechte Gewissen zu verstärken und für sich auszunutzen ("wenn Du schon als Vater versagt hast, weil Du Dich von mir getrennt hast, dann könntest Du wenigstens noch Schuhe und einen Tisch und den Wintermantel für die Tochter zahlen, mir den Keller ausmisten und mir das neue Etagenbett aufbauen...")

Sein Sohn war in einer Therapie, und die Therapeutin sagte dann einmal, wenn der Junge sich als Scheidungskind benachteiligt fühlen sollte gegenüber unserer gemeinsamen Tochter, dann könnte man ihn ja daran erinnern, dass es auch Vorteile hat, Scheidungskind zu sein: doppelte Geschenke an Weihnachten, Ostern und zum Geburtstag, doppelt so viel Urlaub wie alle anderen in der Familie, mehr erwachsene Bezugspersonen (durch die neuen Partner der Eltern), die ihn in vieler Hinsicht unterstützen. Ich glaube, dass diese Aussage und das Nachdenken darüber letztlich meinem Partner sehr geholfen hat, sein schlechtes Gewissen loslassen zu können. Man muss irgendwann, wie Ria geschrieben hat, Frieden mit der Vergangenheit machen und akzeptieren, dass die Lage nun eben so und nicht anders ist, mit allen Nachteilen, aber auch Vorteilen.

Ich glaube, die Beziehung zu der Tochter Deiner Partnerin ist eigentlich ein zweites Thema neben dem Thema "schlechtes Gewissen". Beziehungen zu Stiefkindern sind von Natur aus nicht ganz einfach. Die Tochter Deiner Partnerin scheint ja ein liebes Kind zu sein und Du schreibst auch dass Du sie magst, aber ein nicht leibliches Kind ist eben doch ein "fremdes" Kind. Man würde ja auch die Tochter der Nachbarn nicht dauernd in der eigenen Wohnung haben wollen, auch wenn sie noch so nett ist. Da gilt es, sehr bewusst hinzusehen und auch auf die eigenen Reaktionen und Gefühle zu achten.

Wenn Dir der Kontakt manchmal einfach zu viel ist, dann wäre es gut, wenn Du mit Deiner Partnerin vielleicht Grenzen absprechen könntest, wo sie dann darauf achtet, dass das Kind Dich nicht zu sehr vereinnahmt. Wenn man von der Arbeit heimkommt, ist man ja beispielsweise manchmal noch gestresst und müde und will gerne erst einmal eine Pause. Ich fand es zum Beispiel furchtbar, wenn mein Stiefsohn mich am Wochenende immer so früh geweckt hat. Da ist mein Freund dann aufgestanden und hat sich um die Kinder gekümmert, damit ich ausschlafen konnte. Wenn solche Grenzen immer wieder missachtet werden (weil das Kind es schlicht nicht weiß und der Partner auch nicht), dann entwickelt man im Lauf der Zeit einfach einen Groll, und der richtet sich dann gegen das Kind, auch wenn das Kind eigentlich nichts Besonderes gemacht hat.
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Babell
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Beitrag von Babell »

Hallo Sternenputzer

Mir ist da noch ein Satz aufgefallen:
Ich habe dann immer in meinen Gedanken, dass ich die Nähe oder die Zeit jetzt viel lieber meinen Kindern widmen würde und sie das doch auch bräuchten.
Brauchen tun sie dich, indem du dann für sie da bist, wenn du Zeit für sie hast und indem es dir gut geht! Wenn du nicht da bist, haben sie nämlich andere Bezugspersonen, die sie genau so schätzen und die ihnen genauso viel für ihr Leben mitgeben können, wie du als Vater.
Wenn deine Kinder spüren, wie sehr du an ihnen hängst und sie deinerseits brauchst, dann werden sie gehemmt, andere Menschen genau so in ihr Herz zu schliessen.
Eltern sein heisst auch, die Kinder gehen lassen. Die Kinder auf ihrem Weg zu unterstützen, gross zu werden und ein eigenständiges Leben zu führen. Das tust du besser, wenn es dir gut geht und wenn du auch liebevolle Beziehungen zu anderen Menschen als ausschliesslich zu deinen Kindern führen kannst.
Hab Mut, deine Kinder eigene Schritte gehen zu lassen! :D
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