Die grosse Reise

Fragen, Probleme und Sorgen...
Nana

Beitrag von Nana »

Liebe Carlotta

wenn ich Diese Zeile so lese "ich kann die Kinder gehen lassen aber ich kann nicht gehen"...

Für mich ist das absolut verständlich.Als ihre Mutter ihr Nest und ihr sicherer Hafen bin ich absolut bereit sie ziehen zu lassen, sie ihre Entdeckungen zu machen.In dem Wissen,ich bin immer da.Egal was passiert,ich bin da.

Aber ich sehe es auch als meine Aufgabe ja als meine selbstverständliche Pflicht (zumindest in dem Alter in dem meine Kinder sind) immer für sie da zu sein.Ich habe sie in diese Welt gesetzt ich will vollumfänglich für sie da sein solange sie das wollen und vorallem brauchen.Ich bin ihr sicherer Hafen,das ist ihr Geburtsrecht.Das Recht eines jeden Kindes in meinen Augen.

Sie mussten schon so viel durchmachen,müssen damit Leben das sich die Eltern getrennt haben,aus welchen Gründen auch immer.Umso wichtiger empfinde ich es das sie sich jetzt ganz auf mich verlassen können.

Aber es ist schwer,wie schwer zeigt einem ein Burnout ja sehr deutlich auf.Ich spreche da aus eigener Erfahrung.Und trotzdem,ich bin genau so,ich gehe wenig von ihnen weg.Arbeit,das muss sein und einmal im Jahr für eine Woche.Und ich gehe mit so einem schlechten Gewissen und brauche fast drei Tage um es zu geniessen und freue mich dermassen auf sie(auch wenn sie mich eine Stunde später schon wieder nerven :wink: ).

Für meinen Partner ist das auch immer schwer zu verstehen.Aber es ist halt nicht sein eigen Fleisch und Blut,somit habe ich auch Verständis für ihn.Manchmal bleibt dann halt einfach das Verständis der Umwelt für einem selber auf der Strecke,gell.

Meine Kinesiologin versucht mir immer klar zu machen wie wichtig solche Inseln für mich sind,um mich zu erholen und Kraft zu schöpfen gerade auch weil ich feststellen durfte das ich nicht "unerschöpflich"bin.Im Kopf weiss ich das auch alles,es erscheint mir auch logisch usw.

Aber Kopf und Herz sind einfach zwei paar Schuhe.

Eigentlich wollt ich dir nur sagen das ich dich gut verstehen kann.

Liebe Grüsse,Nana
carlotta37
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 1089
Registriert: 29.10.2007 15:45

Beitrag von carlotta37 »

Schön zu wissen, dass es auch anderen so geht, Nana!
Aber eben: Auszeit zur Erholung wäre so wichtig! Aber was nützt mir das, wenn es mich im Endeffekt mehr belastet als entlastet???
Ich habe übrigens immer vor allem Angst, mir könnte unterwegs etwas passieren. Wer würde sich dann um die Kinder kümmern? Das ist meine grösste Sorge....
Benutzeravatar
Arabella
Stammgast
Stammgast
Beiträge: 255
Registriert: 22.10.2008 09:50

Beitrag von Arabella »

Diese Angst kenne ich auch. Sie hat meinen Mann und mich bewogen auf einer Wanderung, die wir lange zu zweit geplant hatten, umzukehren. Der Weg wurde immer steiler und rutschiger und wir kamen auf dieses Thema zu sprechen.....
Habe fünf Kinder im Alter von 19,17,15,13 und 11. Die drei Grossen sind von meinem Mann aus erster Ehe. Die beiden Kleinen sind Gemeinsame. (Fast) alle leben seit über 10 Jahren bei uns - und das find ich toll!
Meine Beiträge unterliegen dem Copyright.
Benutzeravatar
Delphia
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 2125
Registriert: 17.07.2006 11:43

Beitrag von Delphia »

Hallo zusammen

Ich habe nun sämtliche Beiträge dieses Threads gelesen und frage mich:

Warum können wir Mütter nicht einfach ein bisschen mehr egoistisch sein?

Und dies nur zum eigenen Wohl? Ich will hier nicht predigen, ich bin ja auch so, ich würde niemals ein Kind hängen lassen, egal, was es vorher gemacht hat...

Meine Schwiegermutter (weise Frau, wobei ich nicht alle Ratschläge befolge... ;-) ) meint zum Thema "sich aufopfern für die Kinder", das sei nur damit man die Kontrolle über sie nicht verliert. Dabei ist es doch so wichtig, die Kinder "fliegen" zu lassen.

Tja, könnt Ihr was damit anfangen?

Beste Grüsse

eine etwas philosophierende Delphia
Delphia
___________________________________
Probleme? nein! Herausforderungen: ja :-), manchmal aber völlig hoffnungslos...
val
Gehört zum Inventar
Gehört zum Inventar
Beiträge: 322
Registriert: 01.10.2007 19:12
Wohnort: Toggenburg

Beitrag von val »

Hallo zusammen

Das ist auch etwas, das mir an mir auffällt: Dieses "unterwegs" ist immer das schwierigste. Da hänge ich irgendwie im luftleeren Raum und weiss, dass die Fixpunkte aus den Angeln fallen, wenn auf dem Weg dazwischen etwas passiert.

Ich erinnere mich wie ich einmal meine beiden noch ziemlich kleinen Jungs ins Nachbardorf an einen Kindergeburtstag fuhr und ihre noch sehr kleine Schwester zu Hause schlief. Ich hatte total Panik ich hätte genau in diesem Moment einen Unfall. Meine grösste Sorge war, dass ich dann unbedingt nur so schwer verletzt sein dürfte, dass ich noch jemandem sagen könnte, dass zu Hause noch ein drittes Kind ist.

Völlig übertrieben, aber ich hatte fast die Krise.

Ich denke das ist halt einfach das Muttergen. Das lässt sich nicht einfach ausschalten. Und wenn man das weiss und so annehmen kann, fällt es einem vielleicht ein bisschen leichter, dass es einem nicht leicht fällt, loszulassen.

Liebe Grüsse
Val
Alleinerziehend mit Partner. Kinder 19/19 und 16
Never ever give up
carlotta37
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 1089
Registriert: 29.10.2007 15:45

Beitrag von carlotta37 »

Jetzt ist sie wieder da, die junge Dame!
Trotz einer ganzen Nacht im Flugzeug und Umsteigen in Paris bei scheusslichem Schneefall, kam sie strahlend und absolut souverän. Mit neuer und einfach hinreissender Haarpracht (tausende kleine Zöpfe...hat 8 Stunden gedauert...naja, wer schön sein will, muss leiden :wink: ), ich war richtig gerührt. Meine grosse, hübsche Tochter! Sie knuddelte ihre Brüder, erzählte und lachte.

Zuhause war erstmal auspacken angesagt, jedenfalls nach dem wir die Kofferschlüssel endlich gefunden hatten, oh Schreck...
Im Lauf des Nachmittags habe ich bei aller Schwärmerei auch kritische Töne bemerkt: der Papa, der immer alles im letzten Moment macht, ständig zu spät kommt und immer nur von Schule und guten Noten redet. Streit hatten sie nicht, aber Meinungsverschiedenheiten. Sie hat sich wohl gut abgrenzen können von seinen Anforderungen! Emotional stimmt der Kontakt zwischen den beiden, das war schon immer so. Seine Erziehungsmassnahmen haben ihr als kleines Mädchen Angst gemacht, heute scheint sie das nicht mehr ganz ernst zu nehmen.

Wirklich schockierend war für sie, als er einmal das erst 15jährige Hausmädchen geschlagen hat. Ich sage das hier so lapidar, weil ich weiss, dass diese junge Mädchen in fast allen afrikanischen Familien nicht gut behandelt werden. Eine Tragödie eigentlich, aber dort Alltag. Ihr Vater, der seine Kinder niemals anrühren würde (er ist auf andere Weise brutal, aber schlagen würde er sie niemals), tut so etwas! Ich glaube, sie musste es ein wenig von sich weg schieben, um es auszuhalten. Es gab wohl einen Riesenkrach mit seiner Schwester deswegen und M. war froh, nur die Beobachterin zu sein.

Abends kamen dann die Tränen vor Sehnsucht. Im Sommer kommt der Vater zu uns. Und Tochter liegt jetzt in meinem Bett, wo wir noch etwas ungestört reden konnten.

Ich spüre, dass ich auch recht aufgewühlt bin, einerseits glücklich, sie wieder hier zu haben, froh, dass es ihr so gut ergangen ist. Andererseits ahne ich, ,dass die Eingewöhnung hier nicht leicht wird. Ich darf nun wieder die Alltags-Mama sein und werde viel Papa-Schwärmerei mit anhören müssen. Und meinen Partner, der nur kurz vorbei kam, behandelt sie noch mehr wie Luft als vorher ( und hat mir gegenüber auch schon deutlich gesagt, sie habe ihre Meinung da nicht geändert). Papas Freundin dagegen hat sie voll akzeptiert.
Dürfte sie entscheiden, sie wäre dort geblieben. Und das tut weh....(ja, mir IST klar, dass sie diese Entscheidung auch bereuen könnte, wenn sie dort einen Alltag hätte mit Schule etc., aber trotzdem....). Und mein Partner hatte wohl sehr gehofft, dass diese Reise das Verhältnis verbessert. Ich glaube er ist sehr am Anschlag mit seiner Geduld und mir gegenüber klangen heut das erste mal wirklich hässliche Töne an über meine Tochter. Vielleicht passen die beiden wirklich absolut nicht zusammen?

Mein Fazit zu dieser Reise werde ich erst in einigen Wochen ziehen können. Momentan schwanke ich zwischen vielen Gefühlen hin und her....
Anita

Beitrag von Anita »

ich wünsche euch eine gute annäherung und wer weiss was nun wächst.... die erinnerungen verarbeiten ist auch ein prozess aus dem viel resultieren und sich verändern kann - bleib optimistisch - das könnte sich lohnen :)

alles gute!
anita
carlotta37
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 1089
Registriert: 29.10.2007 15:45

Beitrag von carlotta37 »

Die junge Dame hat sich wieder eingewöhnt und feiert gerade ihren 12. Geburtstag.
Sie ist zuhause weiterhin sehr kooperativ und wir kommen gut miteinander aus. Ihre Verschlossenheit mir gegenüber hat sie irgendwie weitgehend abgelegt. Sie war schon als Kleinkind recht distanziert.....das ist nun mir gegenüber erholsam anders. Sie spricht über ihre Gefühle und zeigt sie auch! Sie und ich scheinen eine schwierige Phase im letzten Herbst überwunden zu haben und ich habe langsam Hoffnung, dass die Annäherung dauerhaft ist. Mindestens erstmal....;-)

Ihren Vater sieht sie in viel realistischerem Licht, was an ihrer Liebe zu ihnm nichts ändert (gut so!). Nachdem nun innerhalb der (leiblichen) Familie die Konflikte sich gelegt haben, verlagern sich diese zunehmend nach aussen: da wäre einmal mein Partner, aber davon habe ich schon geschrieben. Neuerdings ist aber auch die Schule betroffen.

Sie hat einen recht autoritären Klassenlehrer, den sie aber lange geradezu angehimmelt hat. Ich kann mir schon vorstellen, dass pubertierende Mädchen nicht sein Spezialgebiet sind ;-) und er manchmal ein wenig unsensibel ist und vor allem recht ironisch. Die kleinen Stachelpflanzen sind ja selber sensibler als sie nach aussen vorgeben und das gibt dann schon Konflikte...
Leider eskalieren die gerade etwas und es wird anstrengend so noch weiterzumachen bis zum Ende der 6. im Sommer. Der Lehrer beschwert sich, dass das Mädel ein wenig eine Rädelsführerin ist unter den Mädchen der Klasse und eindeutig die mit dem frechsten Mundwerk. Man könne bald gar nichts mehr sagen, ohne eine arrogante freche Antwort zu bekommen.
Meine Tochter dagegen fühlt sich von dem Lehrer immer unfair behandelt und kommt oft weinend nach Hause. Er sagte mir, er verstehe einfach nicht, warum das von heute auf morgen so eskaliert wäre, bis Herbst war alles gut. Ihre Leistungen sind sehr gut, daran hat sich bislang nichts geändert.

Mein Gefühl ist, sie setzt sich besonders intensiv mit dem Thema Autorität auseinander. Nachdem sie und ich das im Herbst durchgemacht haben, sind nun die Männer dran. Und da Papa weit weg ist und im täglichen Leben für diese Ablösungsprozesse nicht zur Verfügung steht, halten mein Partner und der Lehrer her.

Montag steht ein Gespräch an, erstmal nur sie und der Lehrer. Bei ihr scheinen mir die Fronten verhärtet, mal schauen, ob sie sich überhaupt auf ein Gespräch mit ihm einlassen kann. Er wollte einen Rat von mir, wie er damit umgehen soll....aber ich weiss es auch nicht....
Eines steht fest: da treffen zwei Dickschädel aufeinander.... :roll:
Benutzeravatar
Nin
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 1009
Registriert: 12.11.2006 23:03

Beitrag von Nin »

Liebe Carlotta,

vieles, was du schreibst, erinnert mich an meinen Neffen, den älteren Sohn meiner Schwester.

Der Ex-Mann meiner Schwester wohnt in Potsdam, sie in Lausanne, auch, wenn also die Distanzen nicht ganz so gewaltig sind wie bei dir, kann doch auch der Junge den Vater nicht regelmässig sehen. Dabei liebt er ihn sehr! Den Gedanken, den er früher sehr oft geäussert hat, dort auch einmal zu leben, hat er jedoch aufgegeben, seit er mehr und mehr begreift, wie unzuverlässig der Vater ist und seit es in Deutschland eine kleine Halbschwester gibt.

Die letzte Partnerschaft meiner Schwester ist unter anderem an dem hartnäckigen, geradezu zähen Widerstand dieses Sohnes zerbrochen (das war aber nicht der einzige und vor allem nicht der Hauptgrund!). Er redete nicht mit ihm, war offen unverschämt und frech und da der damalige Freund nun auch sehr schlecht damit umgehen konnte, ist die Lage mehrmals heftig explodiert. Auc ihren vorherigen Freund hatte er sehr abgelehnt, aber nicht ganz so vehement, vielleicht, weil er da auch noch jünger war.

Die Partnerin des Vaters hingegen akzeptiert er.

Zur gleichen Zeit kamen ebenfalls grosse Schwierigkeiten mit der Lehrerin dazu: rotzfrech, keine Hausaufgaben, ständiger Widerspruch, praktisch jede Woche Strafarbeiten. Auch hier ging es um eine sehr konservative Lehrerin, die auch schnell mit dem Urteil "natürlich, vaterloses Kind, kann ja nicht gut gehen" zur Hand war. (Gibt es solche Untertöne beim Lehrer deiner Tochter?)

Mein Neffe ist extrem schlau und wird demnächst 13.

Meine Schwester, die nun ihrerseits auch keine kompromissbereite Persönlichkeit ist, ist beinah verrückt geworden und war dann auch mit dem Jungen bei der Therapie. Sie sagte mir oft, dass es ihr so vorkommt, dass der Junge sie in der Rolle einschliessen will, die sie halt auch spielen muss: die strenge Mutter, die ihn immer in die Grenzen weisen muss, mit der er sich nie amüsieren kann, so dass er dadurch den Papa noch mehr idealisieren kann - er provoziert also geradezu genau das Verhalten seiner Mutter, über das er sich dann beschwert - aber zumindest stimmt seine Welt.

Dieses Jahr ist besser: er ist jetzt in der Mittelschule und hat einen Lehrer pro Fach und das passt für ihn besser, dass nicht eine einzelne Person ihn so sehr kontrollieren kann. Und natürlich ist die Partnerschaft meiner Schwester zu Ende, der Freund ausgezogen, so dass diese Konflikte beendet sind.

Ich weiss, dass diese Geschichte keine Hilfe ist, aber die Paralellen gehen mir immer wieder durch den Sinn, weil es mir auch oft erscheint, dass die Kinder in einer ganzen Familienkonstellation reagieren und nicht nur ihre Persönlichkeiten, sondern auch Altersränge und Positionen eine Rolle spielen.

Viel Kraft, jedenfalls.
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
carlotta37
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 1089
Registriert: 29.10.2007 15:45

Beitrag von carlotta37 »

Liebe Nin,
ja da scheint es Parallelen zu geben....

Meine Tochter macht zum Glück ihre Aufgaben zuverlässig, ihre Leistung ist wirklich von dem Problem nicht betroffen. Sie ist gewissenhaft und zuverlässig in der Schule wie schon immer. "Nur" frech....arrogant...bei ihren Kolleginnen extrem beliebt und der Lehrer empfindet sie als Anführerin bei dem zunehmenden Unfrieden, der sich in der Klasse verbreitet.
Ich glaube allerdings überhaupt nicht, dass er ein Problem mit Kindern aus ungewöhnlichen Familienkonstellationen hat. Er ist selber ziemlich unkonventionell. Ich hatte recht viel mit ihm zu tun die letzten Jahre (er konnte bis zum letzten Jahr von meinem damaligen Job profitieren, schon deswegen hatten wir viel Kontakt) und kenne ihn als einen extrem gebildeten und offenen Typ. Aber ich befürchte, er kann auch ziemlich stur sein. Im Unterricht wurde immer viel gelacht, er hat die Kinder ermutigt, ihre Meinung zu sagen. Meine Tochter scheint es damit gerade zu übertreiben :?
Autoritär war vielleicht das falsche Wort, er ist einfach eine Autorität für die Kinder gewesen. Töchterlein hat ihn angehimmelt....Das war für sie mal ein richtiger Mann (hat sie selber so gesagt), ich finde er ist auch ein ziemlicher Macho. Und ob er nun gerade sensibel mit Konflikten umgeht, wage ich zu bezweifeln. Und meine Tochter ist ein nicht weniger grosser Dickschädel....

Das kann man ja nun nicht ändern, meine Frage ist eher: wie gehe ich damit um?
Lasse ich es laufen und tröste meine Tochter regelmässig wenn sie heulend aus der Schule kommt? Wäre bei dem verbleibenden halben Jahr auch eine Möglichkeit.
Ich finde es aber immer gut, wenn die Kinder auch lernen, Konflikte zu lösen....Sie werden immer wieder Lehrer haben, mit denen sie nicht ganz so gut klar kommen...Gerade für meine Tochter, die ja extrem hartnäckig und stur sein kann, wenn sie jemanden nicht (oder nicht mehr) mag, fände ich das als Lernprozess wichtig, dass man ihr eine Auseinandersetzung nicht erspart und sie nicht nur bemitleidet, sondern ihr zeigt, dass zu Konflikten zwei Beteiligte gehören und es keine Schande ist, auch einmal nachzugeben oder Kompromisse zu suchen. Nur WIE macht man das, wenn es die Schule betrifft???

Nin, wie gehst Du als Lehrerin mit sowas um?
Benutzeravatar
Arabella
Stammgast
Stammgast
Beiträge: 255
Registriert: 22.10.2008 09:50

Beitrag von Arabella »

Hallo Carlotta,

Ich freue mich von der erfreulichen Rückkehr deiner Tochter zu lesen. Schön, dass es zwischen euch gut läuft. Ich freue mich sehr darüber. Ich hatte in den letzten zwei Wochen massive Internetprobleme und habe deshalb hier ein bisschen den Faden verloren.

Zum Problem mit dem Lehrer. Ich denke du siehst das richtig: es ist wichtig, dass sie das austrägt und dass dem Konflikt nicht ausgewichen wird. Wenn die beiden zusammensitzen ist das das allerbeste. Dass die Fronten nicht unaufweichbar sind, hast du ja selber erlebt: Auch die sich schon fast auswegslos scheinende Beziehung zu dir - hat sich zum Besseren gewendet. Traue ihr das auch in der Beziehung zum Lehrer zu. Sie schafft das bestimmt!

Arabella
Habe fünf Kinder im Alter von 19,17,15,13 und 11. Die drei Grossen sind von meinem Mann aus erster Ehe. Die beiden Kleinen sind Gemeinsame. (Fast) alle leben seit über 10 Jahren bei uns - und das find ich toll!
Meine Beiträge unterliegen dem Copyright.
Benutzeravatar
Nin
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 1009
Registriert: 12.11.2006 23:03

Beitrag von Nin »

Carlotta, ich habe über deine Frage nachgedacht und bin im Endeffekt dazu gelangt, dass ich dir nicht antworten kann: ich habe praktisch keine Disziplinprobleme mehr in der Schule, seit ich im Collège (Gymnasium - 10. bis 13. Klasse) arbeite. Ich mag Schüler mit starken, auch kontroversen Persönlichkeiten und habe oft mit denen die besten Kontakte.

Als ich noch jüngere Schüler hatte, war das anders: einmal habe ich einen dieser rotzfrechen Bengel total zusammengestaucht und er hat mich daraufhin zruückgeschimpft: "Madame, Sie mögen mich nicht." Und ich hab ihm direkt zurückgeantwortet: "Dafür bin ich nicht da." (Madame, vous m'aimez pas. - Je suis pas là pour ça). Er war sprachlos. Und das sage ich den Schülern auch, wenn es Konflikte gibt: wir müssen uns nicht mögen. Sie können mich saublöd finden und meine Methoden schlecht und meine Art unerträglich, das ist mir egal. Ich kann pädagogisch erklären, was ich tue und warum ich es so mache. Wenn es also um Methoden geht, bin ich zum Gespräch bereit, allerdings ausserhalb der Schulstunden. Wenn sich ein Schüler durch Bemerkungen verletzt fühlt, soll er mir das sagen (ist mir aber est einmal vorgekommen). Ich weise auch Schüler darauf hin, wenn ich ihre Bemerkungen als beleidigend empfinde und frage sie, wie sie sich fühlen würden, wenn ich so mit ihnen reden würde. Das hilft oft.

Ansonsten versuche ich, darüber zu stehen, wenn sie motzen. Meist geht es nicht um mich als Person, sondern um meine Rolle als Lehrer. Und ich sage ihnen auch, dass es mir egal ist, ob sie mich mögen oder nicht, sie müssen ihren "Job" machen, dafür gehen sie in die Schule und sonst ist es sinnlos.

Wirkliche Disziplinprobleme habe ich fast keine mehr. Mehrere meiner früheren Schüler sind heute geradezu Freunde. Aber ich habe sie halt auch älter.
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
Benutzeravatar
Delphia
Forenlegende
Forenlegende
Beiträge: 2125
Registriert: 17.07.2006 11:43

Beitrag von Delphia »

Hallo Nin

Zuerst habe ich gedacht, da schreibt der Götti meiner Tochter! Genau diese Einstellung finde ich richtig.

Die Schüler gehen nicht in die Schule, weil sie den Lehrer/die Lehrerin mögen/lieben usw. Sie gehen für sich in die Schule. Ich stelle das oft fest, dass Lehrpersonen, die auf Freund mit den Schülern machen, Disziplinprobleme "erhalten". Die Rolle des Lehrers heisst nicht "Freund sein". Das gilt vor allem für ältere Schüler.

Im Kindergarten und in der Primarschule ist die Rolle "weicher". Dort spielt es eine grosse Rolle, ob die Schüler ihre/n LehrerIn mögen oder nicht. Die Disziplinprobleme sind nicht so arg wie in der Oberstufe (so ca. 13 Jahre alt). Nichtsdestotrotz habe ich kürzlich einen Schulbesuch im Französischunterricht einer 6. Primarklasse gemacht. Da streckt doch in einer Gruppe von 9 SchülerInnen eine auf und sagt: "Wer ist dafür, dass wir jetzt kein Französisch machen?". Ausser 2 SchülerInnen haben alle aufgestreckt! Fazit: Die Disziplinprobleme machen nicht halt vor den jüngeren SchülerInnen.

Lehrer sein ist eine Berufung. Das ist nicht so einfach und dann kommen noch die Eltern, die sowieso das Gefühl haben, mein Kind ist etwas Besonderes, usw.

...
Delphia
___________________________________
Probleme? nein! Herausforderungen: ja :-), manchmal aber völlig hoffnungslos...
Antworten