Ein Buch von Michael Winterhoff

Welche Bücher oder Artikel haben mich angeregt?
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Nadia
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Ein Buch von Michael Winterhoff

Beitrag von Nadia »

Wer von euch hat das Buch " Warum unsere Kinder Tyrannen werden " von Michael Winterhoff gelesen?

Ich bin gespannt wie ihr das Buch empfunden habt?

Lg nadia
Anita

Beitrag von Anita »

ich habe es gelesen und dankend retourniert. seine pädagogischen vorstellungen entsprechen mir nicht - ehrlich gesagt finde ich sie fürchterlich!
das buch ist geschickt geschrieben und anfangs fühle ich mich als mutter fast ein wenig abgeholt von seinen worten...aber die grundhaltung ist mehr als veraltet und entspricht wirklich nicht den aktuellen erziehungswissenschaften.
ich schliesse mich da einer ganzen reihe winterhoff- und bueb-kritiker an, die eine humanistische und gleichwertige, pädagogische haltung vorziehen und leben an.

http://wireltern.eu/news/wolfgang-bergm ... iplin.html
aisha

Beitrag von aisha »

ich hab es auch gelesen und ich für meinen Teil hab sehr viel Ehrliches und Wahres darin gesehen.
Aber eben, Meinungen sind und dürfen unterschiedlich sein!
Nadia
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Beitrag von Nadia »

Ich habe es gelesen und bin geteilter Meinung. Ich empfinde das Buich nicht unbedingt als Erziehungsratgeber.

Einerseits fühle ich mich zurückversetzt in meine Kinder und Jugenzeit.
Da hatten eigene Gefühle und Bedürfnisse wenig Platz. Mein Vater war für mich die Respektperson. Ich hätte mich nicht getraut aufzumucken. Das hat bestimmt nicht mitgeholfen ein mutiger und sicherer Mensch zu werden.
Andererseits sagt er aber auch Wahres. Die Zeiten haben sich sehr verändert.
Das Angebot für die Jugendlichen geht fast ins Endlose. Für manche eine echte Anforderung. Die Kommunikation bleibt mit den Handys und Sms immer mehr auf der Strecke. Ich persönlich vermisse oft das Austauschen von Briefen. Die damit verbundene Sehnsucht oder das Aushalten bis die Antwort kommt. Wenn heute jemand wütend ist genügt ein Sms und ein Knopfdruck und schwupps ist das Sms weg.
In der Schule werden die Kinder immer wieder rauf und runtergestuft. Ich frage mich ob das denn den Kindern ein Gefühl der Sicherheit vermittelt?
Das war früher doch nicht so. Vor kurzem hat man nun angefangen das alte System wiedr in Frage zu stellen. Seit kurzem haben wir hier an der Schule einen Blinden Jungen. Die Jugendlichen sollen dadurch wieder vermehrt lernen Rücksicht zu üben und Hilfe zu leisten. Den Zusammenhalt fördern. das finde ich gut. Insofern passiert hier etwas was lange auf der Strecke blieb.

Ich glaube was Winterhoff meint ist, dass die Kinder weniger Sicherheit erleben, weil die Erwachsenen zum Teil selber zu unsicher sind. Ich hatte zwar eine strenge Erziehung, kann aber trotzdem auch auf Werte zurückblicken, die mir vermittelt wurden.
Der richtige Mix wäre doch bestimmt optimal oder?

Lg nadia
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Nin
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Beitrag von Nin »

Ich weiss nicht.

Ich hatte im eigentlichen Sinne schon keine strenge Erziehung mehr: meine Eltern haben mir nie verboten auszugehen, meine Schwester durfte mit 15 mit ihrem Freund allein in die Sommerferien fahren, wir durften widersprechen und unsere Meinung war gefragt - ob sie gehört wurde, ist eine andere Frage.

Ich bin trotzdem ein extrem unsicherer Mensch geworden, mir fällt es ausserhalb meines Berufs sehr schwer, mich selbst zu behaupten und meine Bedürfnisse einzufordern...

Manchmal denke ich, dass wir der Erziehung auch zuviel zutrauen. Sie ist kein Wundermittel, dass einen Menschen so oder so macht.

Ich erlebe vor allem, dass ich meinen Kindern gegenüber sehr viel aufmerksamer bin als ich es als Kind erlebt habe: ich kenne ihre Freunde und ihre Interessen, weiss, was sie lesen, welche Musik sie mögen, welchen Sport... wann die Panini Hefte herauskommen und wo die Tauschbörsen sind... Ich habe nicht die Erinnerung, dass meine Eltern so viel für mich oder mit mir gemacht hätten...

Ich habe das Buch nicht gelesen, komme aber immer mehr zu dem Schluss, dass die Erziehung am besten funktionniert, hinter der man stehen kann, mit der man sich als Elternteil identifiziert. Es nützt nichts, einem Ratgeber zu folgen, wenn man nicht überzeugt ist! Das Wichtigste ist, mit sich selbst im Reinen zu sein.
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
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BabyOne
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Beitrag von BabyOne »

Nin hat geschrieben:
Manchmal denke ich, dass wir der Erziehung auch zuviel zutrauen. Sie ist kein Wundermittel, dass einen Menschen so oder so macht.
Ich glaube da ist was Wahres dran.

Ich habe gerade mit einer Frau telefoniert, bei der meine Familie und auch unsere Nachbarsfamilien seit meiner Kindheit mehrfach im Urlaub in Pension waren. Sie sagte zu mir, wie sehr sie sich gefreut, aber auch gewundert hat über die Entwicklung der Söhne unserer damaligen Nachbarn - vor allem der ältere war damals schon etwas verhaltensauffällig, beide waren glaube ich sehr schwierige Kinder, der jüngere hatte in der Schule ernsthafte Probeme, und ich kann mich erinnern dass ihrer Mutter vor allem abends manchmal die Nerven durchgegangen sind und man dann manchmal durch´s Fenster einen lauten Klatsch und dann Geheule hören konnte. Unsere Wirtin sagte zu mir, dass sie sich manchmal damals gefragt hat, wie das wohl mit den beiden werden soll, wenn sie mal älter sind. Und nun haben sich beide zu wirklich netten, anständigen jungen Männern entwickelt.

Um zum Thema zurück zu kommen: Damals waren die beiden Jungs viel schlimmer als sie aufgrund ihrer Erziehung hätten sein sollen, und heute sind sie vielleicht besser als ihre Erziehung oder ihre Kindheit hätte vermuten lassen. Ich denke, jedes Kind bringt schon sehr viel an Charakter und eigenen Bedingungen mit sich, und natürlich kann man als Eltern viel richtig oder falsch machen, aber irgendwo hat der Einfluss auch Grenzen, in beide Richtungen. Von Extremfällen wie sexuellem Missbrauch oder völlig erziehungsunfähigen Eltern spreche ich natürlich nicht.

In irgend einem anderen Buch (ich glaube es war "Familie sein dagegen sehr") meint der Autor (ein Familientherapeut), dass die Auswirkungen einer tendenziell zu strengen Erziehung sich im Lauf der Zeit teilweise verflüchtigen, dass die Auswirkungen einer zu laschen Erziehung (verweichlichend, ohne Grenzen und Struktur) aber bleibende Schäden hinterlassen. Den Gedanken finde ich auch interessant - man sollte vielleicht nicht alle Fälle von "subptimalem Erziehungsverhalten" über einen Kamm scheren.
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eine gemeinsame Tochter 15 J.
aisha

Beitrag von aisha »

Erziehung und Vorbild sein bewirken sehr viel. Aber wie du sagts, Baby one, nur die Erziehung allein entscheidet nicht, ob es später "gute" oder "schlechte" Menschen gibt.
Wobei ich jedoch überzeugt bin ,dass allzu lasche Erziehung den Kindern keinen Vorteil bringt.
Rein vom Gehirnpotential her, sind unsere Kinder überfordert mit der allzeit gegenwärtigen Medienflut, den Angeboten für die Freizeit etc.
Kinder gehören in Bahnen gelenkt und manchmal muss man halt für sie entscheiden, was ihnen guttut oder nicht.
Ich wurde sehr sehr streng und überbehütet erzogen, mit vorwiegend Verboten und elterlicher Aufsicht, bis ich mich mit über 20 davon befreien konnte und mein eigenes Leben zu leben begann.
Deshalb lasse ich meiner Tochter jedoch nicht alle Freiheiten. bestimmt mehr, als ich jemals zu träumen wagte, aber bei uns gibt es Grenzen.

Unsere Kinder können sehr viel, es steckt gewaltiges Potential in ihnen. Ich möchte aber die provokative Frage stellen, ob wir ihnen nicht oft zuviel zutrauen, was Entscheidungen und Freiheiten betrifft?
val
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Beitrag von val »

Hallo zusammen

Ich habe das Buch gelesen und fand es sehr gut. Mir hat das Buch Mut gemacht, zu einer klaren Linie im Umgang mit meinen Kindern zu stehen und ihnen Grenzen zu sezten ohne lange Diskussion. Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen dabei, wenn ich von meinen Kindern etwas verlangte ohne 1000 Begrüdungen und Rechtfertiungen dafür zu haben. Das Buch hat mir den Rücken gestärkt dass ich mich hinstellen darf und sagen: Ich möchte, dass Du das machst, weil ich es so will. Punkt.

Klare Grenzen setzen heisst nicht, dass man das Kind nicht liebt. Das war für mich auch eine wichtige Erkenntnis aus dem Buch.

Ich weiss nicht was an seinen Ansichten fürchterlich ist ? Mach ich mich jetzt zur autoritären Rabenmutter wenn ich das Buch gut finde und auch anwende? Ich habe nicht den Eindruck, dass meine Kinder und ich ein schlechteres Verhältnis haben, im Gegenteil.

Liebe Grüsse
Val
Alleinerziehend mit Partner. Kinder 19/19 und 16
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aisha

Beitrag von aisha »

Danke Val, da fühle ich mich doch gleich viel besser.
Kam mir nämlich auch schon bald als die einzige n"Rabenmutter" hier vor.
Nadia
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Beitrag von Nadia »

hallo

Ich finde du sagst etwas ganz Wichtiges Val. Grenze ist nicht = Verbot.
Es passiert mir selber auch öfters, dass ich Entscheidungen den Kindern gegenüber rechtfertige. Darauf kommt zu 100% die Warum? Frage, die von mir mit neuen Argumenten beantwortet wird. Man kann auch zuviel reden.
Wie Michael Winterhoff es beschreibt, so spielt es sich häufig auch ab. Der Untertitel seines Buches lautet deshalb ja " Die Abschaffung der Kindheit "
was wiederum bedeutet, dass die Kinder heute schon früh keine Kinder mehr sein dürfen.

Lg nadia
sofia
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Beitrag von sofia »

Hallo zusammen,

ich habe das Buch nicht gelesen.

Ich glaube, dass für Kinder Orientierung wichtig ist. Wenn wir selbst uns permanent über unsere Grenzen gehen, geben wir ihnen keinen Halt. Dazu müssen wir uns auch selbst wichtig nehmen. Ich erlebe, dass viele Eltern sich schon zu sehr um die Kinder drehen, verwöhnen, sie zum einzigen Sinn ihres Lebens machen, sie kontrollieren, ihre ganze Freizeit organisieren... Ich glaube, um sich selbst zu spüren und zu finden, brauchen sie aber auch Freiheit und unser Zutrauen, dass sie es alleine können.
Sofia
Anita

Beitrag von Anita »

ich bin auch dafür, dass wir als eltern oder bezugspersonen unsere grenzen klar äussern und sollten. kinder brauchen unbedingt diesen halt!
ich weiss aber, dass dies auch mit einer gleichwertigen und vorgelebt respektvollen kommunikation geht.
für mich stimmt es nicht, kindern einfach mit einem "basta so ist es" zu disziplinieren....ich begegne ihnen so, wie ich auch möchte, dass sie mir begegenen - ich mag es nämlich selbst nicht, wenn man mir sagt "einfach so" - ich empfinde es als ablehnunng und fühle mich nicht ernst genommen.
ich lebe darum das vor, war mir wichtig ist, weil ich überzeugt bin das ich dann die chance habe, es auch zu erhalten - aus vorgelebtem respekt.

in meiner wahrnehmung stellt sich winterhoff mit seiner haltung über die kinder und verletzt auch deren integrität.
ich empfinde ihn als kühl.

es ist ein buch das polarisiert. es ist geschickt geschrieben und spricht darum vielen eltern aus der seele....aber leider lässt sein pädagogisches wissen mehr als zu wünschen übrig und lässt ihm darum kaum freunde finden in der fachwelt. solche produkte finden sich ja in der heutigen zeit en masse :roll:

mit jesper juuls gedanken, den es sich meiner meinung nach zu überdenken lohnt:

„Welche Haltung und welches Denken möchten wir mit unserer Erziehung eigentlich fördern?“

darum empfehle ich lieber das buch von juul: "das kompetente kind".
und für die gelingende kommunikation: "die familienkonferenz" von thomas gordon.

es gibt sicher nicht "den richtigen weg" und manch tolle ansätze....
ich kann dieses buch aber wirklich nicht gutheissen.
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