Patchwork - wozu?

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lea33
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Patchwork - wozu?

Beitrag von lea33 »

So, ich bin ja nun schon einige Zeit in diesem Forum und ich finde es toll hier.
Ich habe hier schon so viele verständnisvolle und tröstenden Worte erhalten und gelesen!

Meine Situation kennen einige:
Patchworkerin seit 3 Jahren, 1 eigene Tochter, 1 gemeinsame Tochter, 3 Kinder von meinem Mann, die nur am Wochenende da sind!
Mein Mann und meine Tochter verstehen sich nicht miteinander, das ist sehr milde ausgedrückt, weiter will ich nicht ausschweifen, wer will kann nachlesen!

Wir hatten den Versuch gestartet, dass er "auszieht", Besuchswochenden für die Kleine usw.
Wir gehen brav in unsere Thereapie....die Situation hat sich beruhigt, doch wir sind WEIT WEIT WEIT davon entfernt, dass ich das Gefühl hätte, dass er mit meiner Tochter auch nur im geringsten besser zu Recht käme!

Er fühlt sich nach wie vor sofort von ihr provoziert, faucht sie an, erschreckt sie, haut ihr mit den Fingern auf den Mund, damit sie aufhört zu reden......

Ich glaube nicht, dass er sich vollständig ändern kann, das kann man auch gar nicht von ihm erwarten.
Diese Erwartungen, die er an Kinder hat, der autoritäre Erziehungsstil, er kennt es nicht anders, er spürt sein eigenes "Kinder-Ich" nicht, dieses Verhalten ist fest in ihm verwurzelt.

ER zeigt den Willen, aber ich glaube nicht, das wir es schaffen, meine Gefühle schwinden mit jeder Auseinandersetzung der beiden!

Und nun zum Kern:
Wir Patchworker stehen alle vor Problemen, die wir in unserer Kernfamilie nicht hatten (ich nehme jetzt natürlich Gewalt usw. aus).
Immer wieder taucht die selbe Problematik auf:
Probleme mit den Stiefkindern, man hasst, hält sie nicht aus, kommt mit der Situation als 2. Frau nicht zurecht, soviele Beziehungen, Verletzungen aus der Vorgeschichte, die aufzulösen sind, Kinder, die mit der Situation nicht zu recht kommen....... Eine unglaubliche Herausforderung, die einiges an psychologischen Fingerspitzengefühl verlangt - Therapeuten haben sich auf die "Patchwork-Familie" spezialisiert.
Aber wir KÄMPFEN KÄMPFEN KÄMPFEN um diese doch irgendwie ausweglose Situation. Und eigentlich wollten wir ja nur glücklich werden, mit jemand NEU anfangen!

Haben wir genauso um unsere KERNFAMILIE gekämpft? Uns mit all diesen Problemen monatelang, jahrelang auseinander gesetzt?
Haben wir wirklich alles getan? Oder es uns zu leicht gemacht?
Vielleicht hätten wir uns mit weniger Erwartungen zufrieden geben sollen, durchbeißen sollen?
Oder ist es einfach nur die Angst wieder (und wieder) zu scheitern!

Grundsätzlich kann ich natürlich nur für mich sprechen:
Ich habe niemals so für meine 1. Ehe gekämpft, ich wollte mehr, dachte mir: "Was, das solls gewesen sein?" Wie egoistisch von mir!
Und damals redete ich mir ein, ich hätte alles getan! Doch was hab ich meiner Tochter angetan?
Damals redete ich mir ein, ich tue es für sie, ich will ihr nichts vorspielen und jetzt?
Wie leidet sie? Muss sich das alles von diesem Mann gefallen lassen, wie kommt sie dazu diesen Hass erfahren zu müssen?

Und es stellt sich mir die Frage - wie lange? Wie lange sollen wir noch "probieren", auf Kosten meiner Tochter!
Das geht doch nicht!

Ich bin so traurig, wütend, verletzt,
das Schlimmste:
Ich kann mir selber nicht verzeihen, ich "spüre" mich selber nicht mehr, ich bin unfähig eine Entscheidung zu treffen, obwohl sie auf der Hand liegt!

Traurig
L :(
steff
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Beitrag von steff »

Liebe Lea,
du scheinst ich zu sein. Und du machst und kämpfst schon so lange. Ich habe genau so überlegt. In der Ehe war nie dieser Kampfgeist da. Nie hat man sich so sehr bemüht......schade, es wäre vielleicht anders gekommen, hätten wir es gemacht.
Wieder gescheitert zu sein....der Gedanke ist kaum auszuhalten. Ich habe, genau wie du, mich nicht mehr gespührt, alles verloren, was ich an Sicherheit und Bauchgefühl hatte. Fühlte mich als Verräterin den Kindern gegenüber. Ich habe sie auf den Opfertisch gelegt. Das tut mir so unendlich weh und ich kann es nicht rückgängig machen.
Ich konnte schlussendlich nicht mehr anders, als mich zu entscheiden. Und das schwächste Glied war der Partner. Ich habe mich für die Kinder entschieden und verzichte lieber auf Partnerschaft und Beziehung, als dass ich so was meinen Kindern noch ein weiteres mal zumute.
Ich finde es zwar sehr schade, wenn die Kinder nicht die Möglichkeit haben, die Mutter in einer Partnerschaft zu erleben, und zu sehen, wie Erwachsene Probleme lösen und zusammen funktionieren.
Dass die Liebe verblasst, bei jedem weiteren Crash, ist, glaube ich, ganz natürlich.
Liebe Lea, höre auf deinen Bauch. Vielleicht versuchst du dir mal vorzustellen, welche Gefühle sich bei dir einstellen, wenn du dir ausmalst, wie es wohl wäre, wenn du den Weg mit deinen Kindern alleine gehen würdest. Und dann stelle dir vor, wie es ist, wenn du weitermachst und weiter kämpfst. Vielleicht macht dich das eine oder andere traurig.
Aber vielleicht habt ihr ja noch Potential, und den Zugang dazu noch nicht entdeckt. Anita schreibt immer wieder von einem Gordontraining. Ich kenne es nicht, aber es muss was dran sein, wenn es so empfohlen wird.
Kennst du das Buch: Liebe dich selbst, und es ist egal, wen du heiratest. Ich habe es gelesen und war überzeugt, dass es einen Weg gibt! Trotzdem dass ich meinen Mann nicht mehr liebte. Ich war voller Hoffnung. Wäre mein Mann ebenfalls nur ein wenig bereit gewesen, nur schon das Buch zu lesen, vielleicht hätte es geklappt.
Jetzt bin ich zwar glücklich darüber, dass mein Leben so ist, wie es ist.
Liebe Lea, ganz viel Kraft und Fingerspitzengefühl wünsch ich dir.
Hoffe, dass dir viele aus dem Forumknuddelrudel Rat und Mut geben können.
Liebe Umarmung. Steff
Unsere Träume können wir erst dann verwirklichen, wenn wir uns entschliessen, daraus zu erwachen.
Morpheus

Beitrag von Morpheus »

liebe Lea,

ja diese Gedanken kenne ich auch.

Es ist eine Thematik die wir (mein Mann und ich) schon mehrmals besprochen haben.

Die Frage: "haben wir zuwenig um unserere Kernfamilie gekämpft" keimt bei uns auch immer mal wieder auf.
Ich denke mit unsererem derzeitigen Wissensstand würden wir anders mit der Situation umgehen, ja.

Schuldgefühle dem /den Scheidungskindern gegenüber, kenne auch wir.
Das ist mitunter ein Grund, weshalb in der Ehe von uns die Option "wenn es nicht geht dann trennen wir uns" gestrichen ist.
Ja ich weiss, das klingt komisch. Aber das haben wir zusammen so definiert. Das Thema Trennung steht nicht in Gespräch.
Sondern immer : wie und wo finden wir Freiräume, Kompromisse und Co.

Für meinen Mann und mich ist das oft ein Kraftakt. Überwinden von Flucht-Instinkten, alte Beziehungsmuster auflösen/überwinden, viel über den eigenen Schattenspringen... -

das geht aber nur wenn Beide mitarbeiten!




lg Morpheus
Morpheus

Beitrag von Morpheus »

Lea,

Zitat: " Ich bin so traurig, wütend, verletzt,

das Schlimmste:
Ich kann mir selber nicht verzeihen, ich "spüre" mich selber nicht mehr, ich bin unfähig eine Entscheidung zu treffen, obwohl sie auf der Hand liegt! "


Schau mal, wir sind Menschen. Keine Roboter. Wir haben Wünsche, Hoffnungen und Träume.
Das Du Dir grosse Sorgen machst um Deine Tochter, verstehe ich. Dann schau das sie Hilfe bekommt von fachlicher Seite. Gib ihr den Raum und die Möglichkeit sich z.b. bei einer Kinderspychologin auszusprechen. Dir damit die Möglichkeit zu erfahren wie tief sich die Beziehung neg. bei Deiner Tochter eingebrannt hat.

Ich bin heute der Meinung, dass Kinder nicht grad sofort "kaputt" gehen und Langzeitschäden davon tragen.
Klar, es ist nicht immer toll was unserer Kinder durch unser Handeln "erleben" müssen. Doch, sei vorallem mit Dir selbst auch etwas nachsichtiger.
Du hast diese Beziehung nicht gewählt weil Du Deiner Tochter schaden wolltest!
Das es nun schief läuft ist nicht gut.
ABER bitte, sammle die Kraft die Du für s "was wäre wenn, wieso habe ich.." und bündle die Kraft darauf

eine Strategie für die Zukunft zu finden.

liebe Grüsse Morpheus
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Delphia
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Beitrag von Delphia »

Hallo zusammen

Meinen ersten Mann habe ich geliebt. Ich habe um unsere Kernfamilie lange GEKÄMPFT. Leider hat er es nicht eingesehen.

Beim Familienberater meinte er auf den Hinweis, dass sich seine Frau mit dem Gedanken die Scheidung einzureichen befasste, nur: "Diä!!! Diä isch sowieso so unsälbständig und mit zwei Goofe, da chönd sie vergässe! Diä macht das niä!".

Einige von Euch kennen meine Patchworkgeschichte ein bisschen. Es ist wirklich nicht einfach, aber alles in allem ist es immer noch besser als meine Kernfamilie!

Beste Grüsse
Delphia
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val
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Beitrag von val »

Liebe Lea33

Du sprichts mir aus der Seele. Schaue ich heute auf mein Leben zurück dann sehen die Dinge ganz anders aus als in dem Moment in dem ich mittendrin steckte.

Wenn ich gewusst hätte durch welche Hölle man gehen kann bis eine Beziehung bricht, dann muss ich heute ganz klar sagen: Meine erste Ehe und damit meine Kernfamilie wäre zu retten gewesen. Das wäre wieder gut gekommen, zweifellos. Wir haben nicht gekämpft sondern die Flinte einfach ins Korn geworfen. Unsere Vorstellungen und Ideale waren zu hoch und festgefahren, bei der ersten deftigen Schieflage unseres Familienschiffes sprangen wir einfach über Bord.

Aber diese Einsicht kommt erst im Nachinein. Dann ist man immer schlauer.

Nur: Entscheide trifft man in einer Situation, die ist wie sie ist. Man entscheidet nach bestem Wissen und Gewissen. In dem Moment in dem man den Entscheid fällt ist er richtig. Später sieht alles ganz anders aus. Da würde man anders entscheiden. Aber damals wusste man das alles noch nicht und konnte nicht anders.

In meiner zweiten Ehe brach dann die Hölle los. Was sich als dunkler Schatten einschlich, wurde grösser, dunkler, dominierender. Ich habe gekämpft und gekämpft und gekämpft, wollte es nicht wahrhaben, habe mir Dinge schön geredet, gehofft, geliebt, und immer wieder verziehen und von neuem versucht. Habe meine Kinder im Stich gelassen, habe zugelassen, dass man vor mir jeglichen Respekt verlieren darf. Es kam zu Gewalt, es war offensichtlich dass ich da raus musste und doch hatte ich es immer noch nicht eingesehen. Ich konnte einfach nicht loslassen, hatte mich dermassen in diese zweite Ehe verbissen. Ich wollte um keinen Preis dass ich auch diese Chance vertue. Also habe ich weitergemacht und mich selbst Stück um Stück verloren. Ich wurde zum Zombie, der nur noch funktionierte.

Bis es irgendwann soweit war, dass ich loslassen konnte. Dass ich auch im Herzen einsah, dass es so einfach nicht geht.

Und dann habe ich begonnen mich rauszuschaufeln. Es war nicht einfach und ein langer Weg.

Nun habe ich zwei Ehen in den Sand gesetzt. Ich bin alles andere als stolz darauf. Bin wieder alleinerziehend und habe ziemlich Federn gelassen. Aber es geht mir und vor allem den Kindern wieder gut und ich kann mir am Morgen in den Spiegel schauen und mir sagen: Das ist mein Leben und dafür kann ich gerade stehen.

Heute weiss ich, dass meine Aufgabe und meine Verantwortung meine Kinder sind. Dafür bin ich da und solange die Kinder bei mir sind müssen sie an erster Stelle kommen. Sie sind mit mir durch die ganze Hölle gegangen, in meinem Schlepptau. Ich mache mir grosse Vorwürfe, dass ich ihnen das zugemutet habe. Sich alleine in den Schlammassel reiten ist das eine, Kinder mit hineinzuziehen das andere. Sie sind hilflos und auf uns angewiesen, was wollen sie machen?

Aber sie sind auf ihre Art unheimlich stark. Wenn es wieder gut kommt und sie wieder ein stabiles und verlässliches Umfeld haben, dann blühen sie wieder auf.

Ich hoffe ich zieh Dich jetzt nicht noch mehr runter mit meinem Bericht. Das möchte ich auf keinen Fall. Ich möchte Dir einfach sagen: Hör gut in Dich rein. Nimm Deine Gefühle ernst und wenn Du loslassen kannst - dann lass los. Es ist keine Schande ein zweites Mal zu scheitern.
Und: Was hinter Dir liegt ist vorbei. Hadere nicht zu sehr mit Dir wegen Deiner ersten Ehe. Du kannst es nicht mehr ändern. Du hast damals einen Entscheid getroffen und damals war er richtig.

Liebe Grüsse
Val
Alleinerziehend mit Partner. Kinder 19/19 und 16
Never ever give up
aisha

Beitrag von aisha »

liebe Val,

du sprichst mir aus dem Herzen, ich bin beeindruckt, wie gut du die Situation mit Worten auf den Punkt gebracht hast.
Bei mir wars umgekehrt. die Kernfamilie wäre niemals zu retten gewesen, aber ich wollte es zu lange nicht einsehen, ich wollte nicht vor meiner Familie und Freunden und vor allem vor meiner Tochter als gescheiterte Ehefrau dastehen, denn alle haben schon vor meiner Heirat prophezeit, dass das mit diesem Mann niemals gutgehen wird. ich habe auch gelitten, pyschisch, aber vor allem psychisch.
Um meine jetzige Beziehung kämpfe ich, ich will alles besser machen, obwohl ich genau weiss, auch ein "besser machen" hätte meine erste Ehe nicht gerettet.
ich bin stolz auf mich, habe ich den "Ausstieg"gewählt, denn wie bei Delphia sagte mein Ex auch: "diä traut sich das sowieso nöd und wänn, dann mach ich ihre s`Läbe zur Höll". Was er übrigens bis heute tut.

Lea, du darfst nicht aus Schamgefühl eine Beziehung aufrechterhalten. Dein Bauch sagt dir wahrscheinlich sehr genau, was du tun sollst. Mein Partner würde genau einmal meine Tochter bewusst misshandeln...
lea33
Beiträge: 22
Registriert: 24.10.2007 19:53

Beitrag von lea33 »

an alle: danke euch,
so weiß ich, dass ich nicht die einzige bin....

liebe val, bin ebenso sehr beeindruckt mit welcher klarheit du deine situation und gefühle auf den punkt gebracht hast!

schlimm ist es ein zweites Mal zu scheitern!
Wo man sich doch anfangs gedacht hat: jetzt mache ich alles richtig, jetzt weiß ich es besser, ich habe alles richtig entschieden!

ja, ich hadere mit meiner vergangenheit!
ja, ich bin traurig, weil ich einem menschen, den ich doch einmal sehr geliebt habe, eigentlich gar keine Chance gegeben habe, aus purem Egoismus!
ja, ich bin wütend, weil ich meine Tochter in diese Situation gebracht habe - dafür hasse ich mich!
ja, ich bin wütend auf meinen Mann, dass er seine Grenzen überschritten hat!

ja, ich habe Fehler gemacht - ich kann mir momentan nicht verzeihen, aber da muss ich nun durch und alle diese Gefühle auch zulassen! Wut, Trauer und Hass!

Wie heißt es: Aus Schaden wird man klug!!

Aber ich habe einen Entschluss gefasst!
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