Hallo von einer Stiefmutter

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Vollblutmama
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Hallo von einer Stiefmutter

Beitrag von Vollblutmama »

Hallo zusammen!

Ich lese schon ein paar Tage hier mit und habe nun das Bedürfnis mir auch mal meine Gefühle als Mama und Stiefmutter von der Seele zu schreiben. Hoffe das ist hier im Vorstellungsthread in Ordnung und es führt nicht zu weit.

Ich bin Mutter von zwei Mädchen (8 und 11) und Siefmutter von den Kids meines Mannes (21 der Sohn und 15 Jahre die Tochter).
Seine Kinder leben beide noch bei uns, da ihre Mutter einen neuen Partner hat, mit dem sie nicht zurecht kommen.
Wir sind nun seit fast fünf Jahren eine Patchwork-Family. Also der Alltag besteht aus mir, meinem Mann und drei Mädels 8,11 und 15 Jahren. Sein Sohn ist meistens mit seiner Freundin unterwegs, mit ihm gibt es auch kaum Probleme. Unsere ersten Jahre mit den Mädels waren allerdings eine Anhäufung von Konflikten.

Ich kenne ein paar Frauen, die auch in einer Patchworkfamilie leben, aber sie sind nur am Wochenende oder in den Ferien Stiefmütter. Wenn ich nach ihren Gefühlen frage, bekomme ich gesagt, "ach, zum Glück besteht ein Wochenende nur aus 2 Tagen" und der Vater kümmert sich dann rührend um seine Kinder. Ich bin dagegen nicht nur Mama und nur am Wochenende Stiefmutter sondern beides, und das 24h jeden Tag.

Meine Aufgabe besteht auch darin mich die ganze Zeit um seine Tochter zu kümmern...jeden Tag. Den sie hat keine Mama mehr, die das tun kann.
Ich kann zwar auf keine Exfrau neidisch sein und muss keine Angst haben, dass sie sich zwischen meinen Mann und mich stellen würde.

Aber ich muss Mutter sein für ein Kind, das ich nicht zur Welt gebracht habe, das die ersten Jahre völlig anders aufgewachsen und erzogen wurde, das in aller Welt als "armes" Kind dasteht. Ich möchte ihr das auch nicht absprechen, dass sie sich durch das erlebte deutlich von anderen Kindern unterscheidet. Und ich liebe sie ja auch.
Allerdings muss ich jeden Tag aufs Neue beweisen, dass ich sie genau gleich behandle (lieb habe) wie meine eigenen Mädels. Wir stehen zudem immer unter Beobachtung der Exfrau von meinem Mann. Sie wirft mir oft vor, ihr Kind nicht wie seine Geschwister zu behandeln, obwohl ihre eigenen Kinder ja nicht bei ihr wohnen wollen wegen ihrem neuen Partner. Mein Mann hat ihr schon oft gesagt, dass sie sich raushalten soll, was sie aber nicht tut.

Obwohl es natürlich auch schöne und entspannte Tage gibt, bin ich durch diesen Druck von allen Seiten eigentlich seit fünf Jahren überfordert. Einem fremden Kind von heute auf morgen Mutterliebe zu geben, auf Kommando, hat mir einfach keine Zeit gelassen, das wachsen zu lassen.
Ich habe seit fünf Jahren keinen einzigen Tag nur mit meinen Kindern oder alleine verbracht, sie war immer dabei. Wenn meine Kids zu ihrem Vater gehen, bin ich mit ihr alleine... Sie bekommt etwas, was ich meinen Kindern nicht geben kann, meine ungeteilte Aufmerksamkeit, und wenn ich den Wunsch äussere, auch mal Zeit nur mit meinen Kids zu verbringen, schauen mich alle verachtend an.
Sie selbst achtet auch peinlich genau darauf, wie ich mich verhalte, sie will mich als Mutter (über ihre Mama mag sie mit mir nicht reden).

Habt ihr eine Idee, wie ich irgendwie aus diesem Dilemma rauskommen könnte? Im Moment denke ich, alles was ich machen würde, wäre falsch.
Ich habe in den letzten 3 Jahren schon 8 Kilogramm durch den Kummer zugenommen und möchte eigentlich nicht so weitermachen.

Jetzt ist es doch ein halber Roman geworden.
Ich hoffe ihr lasst euch davon nicht abschrecken :wink:

Viele Grüsse,
Jutta
Zuletzt geändert von Vollblutmama am 23.03.2016 15:04, insgesamt 1-mal geändert.
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Babell
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Re: Hallo von einer Stiefmutter

Beitrag von Babell »

Hallo

Meinst du nicht, du tust zu viel das, was die anderen Leute wollen? Ich weiss, es ist schwierig, sich dem Druck des Umfelds zu entziehen und einfach das zu tun, was man selber für richtig hält, vorallem, weil es vielleicht mit der Zeit schwierig ist, herauszufinden, was man denn eigentlich für richtig hält oder bloss entweder von anderen eingeredet oder Trotz, es anders zu machen, ist.

Ich finde nun so von aussen gesehen, wenn ich den Text lese, dass du bewusst mit deinen Kindern ohne die Stieftochter etwas machen sollst!

Das Kind ist irgendwie in einen Sog rein geraten, der ihm sagt: "siehst du, sie hat ihre eigenen Kinder lieber, wenn...." und dazu gehört wohl eine Liste von Dingen. Meine Ansicht ist die:

Du kannst es ihr nie recht machen!

Sie wird immer denken, du habest die anderen lieber.
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Ria
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Re: Hallo von einer Stiefmutter

Beitrag von Ria »

Hallo Vollblutmama und herzlich willkommen in unserem Forum!

Ich kann mich Babell anschliessen.
Es scheint als wärst du voll in die Stiefmutter-Falle geraten :( Du gibts dein Bestes und meinst, es sei immer noch nicht genug, weil nicht das Ergebnis herauskommt, das du dir wünschst.
Darf ich dir ein Buch empfehlen, das da weiterhelfen kann? "Glückliche Stiefmutter" von Katharina Grünewald

Mir kommen dazu noch spontan diese Gedanken zu deiner Schilderung:
Wenn du schreibst
muss ich jeden Tag aufs Neue beweisen, dass ich sie genau gleich behandle (lieb habe) wie meine eigenen Mädels.
tönt das so, wie wenn du sie genauso lieb haben müsstest wie deine Mädels, was einfach nicht möglich ist. Wieso meinst du, dass du das müsstest?

Wenn du meinst, da etwas beweisen zu müssen, machst du es dir schwer. Da könntest du dich fragen, wann ist es genug bewiesen? Wenn dein Gegenüber es glaubt? Aber darüber hast du ja gar keine Macht.

Mir fällt auf, dass du nicht schreibst, dass dein Partner einmal mit seiner Tochter allein unternimmt. Was meint er dazu?
Wer müsste dir dafür die Erlaubnis geben, dass du einmal etwas nur mit deinen Töchtern unternehmen darfst?

Wenn du schreibst, wie schlecht es dir dabei geht, dass du schon 8 Kilogramm abgenommen hast... frage ich mich, wie lange du noch so weitermachen willst. Denn was DU TUST, das wäre jedem zu viel! Nur DU kannst daran etwas ändern. Finde heraus, wie du mit deinem Mann noch Ideen entwickeln kannst, wo er dich unterstützt und auch seine Verantwortung übernimmt, und wozu du mit gutem Gewissen ja sagen kannst. Das ist natürlich die Voraussetzung! :wink:
Seit 27 Jahren Patchworkfamilienfrau und Coach für solche :-)
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Re: Hallo von einer Stiefmutter

Beitrag von BabyOne »

Hallo Vollblutmama,

vielleicht etwas verspätet, aber dennoch von Herzen :-) auch von mir eine Antwort.

Ich habe keine Stiefkinder, die bei mir wohnen. Den Anspruch das Stiefkind genauso lieben zu müssen und ja nur nie zu benachteiligen hatte ich aber auch, und mein Partner hatte auch diesen Anspruch an mich. Es ist ihm bitter schwer gefallen, von diesem Anspruch nach und nach etwas zu lassen. Ich glaube, die leiblichen Eltern identifizieren sich oft sehr stark mit ihrem Kind - jegliche mögliche Ablehnung des Kindes wird persönlich genommen.

Eigentlich ist das aber eine schiefe Perspektive. Das Kind hat zwei leibliche Eltern, und DEREN Aufgabe ist es, ihr Kind zu lieben - nicht Deine. Natürlich wäre es schlecht, wenn Du eine tiefe Abneigung gegen ein Kind hättest, das mit Dir zusammen lebt. Aber Mutter- Liebe ist doch noch einmal etwas ganz anders.

Der Sohn meines Partners hat irgendwann angefangen, dauernd zu behaupten, er würde benachteiligt. Es war irgendwann schon albern - an Weihnachten wurde penibel darauf geachtet, dass beide Kinder von uns die identischen Geschenke bekommen, aber dann bekam seine Schwester zusätzlich von ihren Großeltern ihre Schultasche (!) geschenkt, und schon fühlte er sich wieder benachteiligt, denn sie bekam ja mehr und größere Geschenke als er... sein Kopfkissen war nicht gut genug, seine Matratze nicht (sauteuer und Allergiker-geeignet), das Bett (auch ganz neu und mit einem guten Lattenrost) auch nicht, er hat bei uns keinen eigenen Schreibtisch, die Kleidung die wir für ihn kauften (was nicht unsere Aufgabe wäre) war nicht gut und überhaupt... Irgendwann habe ich ihm mal auf den Kopf zugesagt "ja, ich behandle Dich anders als X. Aber Du benimmst Dich ja auch anders als X. Wenn Du Dich blöd benimmst, dann kriegst Du Ärger, so einfach ist das. Benimmst Du Dich anständig, wirst Du auch anständig behandelt. Und außerdem ist das Leben sowieso nicht gerecht. Gewöhn Dich dran!"

Danach ging es mir besser, und er war erstmal verdutzt. Und seitdem ich mir nicht mehr dauernd ein schlechtes Gewissen machen lasse, und auch mein Partner eine etwas "unromantischere" Sicht der Dinge akzeptiert, hat sich auch sein Sohn in der Hinsicht entspannt. Wenn man einem Kind oft genug erzählt, dass es ungerecht behandelt wird, dann glaubt es das halt auch. Genauso kann man aber auch offensiv vertreten, dass es vielleicht nicht gleich, aber trotzdem fair behandelt wird, und auch das sickert vielleicht dann ein...
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Re: Hallo von einer Stiefmutter

Beitrag von Dornenvogel »

". Den Anspruch das Stiefkind genauso lieben zu müssen und ja nur nie zu benachteiligen hatte ich aber auch, und mein Partner hatte auch diesen Anspruch an mich. Es ist ihm bitter schwer gefallen, von diesem Anspruch nach und nach etwas zu lassen. Ich glaube, die leiblichen Eltern identifizieren sich oft sehr stark mit ihrem Kind - jegliche mögliche Ablehnung des Kindes wird persönlich genommen. "

Danke Baby one! Du hast etwas sehr wichtiges gesagt! Sowohl mein Mann als auch ich haben wohl unbewusst den Anspruch erhoben, dass man die Stiefkinder zu lieben hat wie die eigenen. Ich habe längstens erkannt, dass das eben nicht so ist. Mein Mann hingegen leider nicht. So wie er nach wie vor seine erwachsenen Kinder regelrecht vergöttert, sollte ich es auch tun. Das kann ich nicht und konnte ich nie! Ich liebe mein KInd über alles und setze ihm trotzdem oder deshalb Grenzen, was mein Mann in Ordnung findet... aber seinen Kinder durfte und konnte ich niemals Grenzen setzen, obwohl STieftochter bei uns aufgewachsen ist. Jedes Verhalten, das bei meiner Tochter Konsequenzen nach sich zog, durfte bei seinen Kindern nicht geahndet werden, ohne dass ich als böse Stiefmutter dastand. Jegliche Kritik wurde im Keim erstickt mit dem Argument; ich möge seine Kinder nicht. Und so ist das bis heute. Seine (erwachsenen ) Kinder dürfen alles und bekommen alles von ihm, meine Tochter ist immer die Böse. Und bei mir ist es umgekehrt nur mit dem Unterschied, dass meine Tochter defintiv nicht "alles bekommt".

Du hast so recht Baby one, dass die Stiefkinder in der Regel Vater und Mutter haben, auch wenn diese getrennt sind. Wir dürfen unsere Stiefkinder begleiten und unterstützen und auch mit ihnen befreundet sein. Aber wir müssen sie nicht als Elternteil lieben. Mein Mann hat das leider bis heute nicht kapiert. IM Gegenteil, mein Mann kritisiert zwar meine Tochter aber Kritik an seinen Kindern empfindet er als "offene Kampfansage".
Vollblutmama
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Re: Hallo von einer Stiefmutter

Beitrag von Vollblutmama »

Ein verspätetes Dankeschön für eure Ratschläge und eure Erfahrungen. Es tut gut zu lesen, dass ich damit nicht alleine bin.
In den letzten Monaten hat sich vieles getan und doch auch wenig bewegt.

In den letzten zwei Monaten ist mir klar geworden, dass ich oft die Schuld der Exfrau meines Mannes gegeben habe, ohne mich zu fragen, was mein Partner für einen Anteil daran hat.Inzwischen ist sein Sohn mit seiner Freundin zusammen gezogen, was jedoch zur Folge hatte, dass seine Tochter noch stärker Zuneigung von uns beiden eingefordert hat.
In den Augen meines Partners ist sie eben seine Prinzessin, was ich ihm auch nicht nehmen will. Nach langem Hin und Her und einem Streit kam es dann so weit, dass sie für zwei Wochen zu ihrer Mutter gezogen ist. Dass diese Entscheidung gefallen ist, hat mich sehr erleichtert, auch wenn ich wusste, dass es nicht auf Dauer gut geht. In dieser Zeit konnte ich endlich wieder mit meinen Kindern und meinem Mann alleine sein und schäme mich nicht mehr zu sagen, dass wir in dieser Zeit richtig aufgeblüht sind.

Als seine Tochter dann wieder zu uns zurück ist, mussten ich mir viele Vorwürfe von ihr anhören, die ich mir aber seitdem nicht mehr so zu Herzen nehme. Auch die Ex meines Mannes ist seit dieser Zeit verständnisvoller und hält sich zurück. Zwar ist die Situation immer noch schwierig, aber ich habe das Gefühl, es tut sich etwas, wenn auch nur langsam.

Im Moment überlege ich zusammen mit meinem Mann ihr eine Familientherapie vorzuschlagen, damit sich dauerhaft etwas ändert.
Hat jemand von euch Erfahrungen damit?

PS: Danke für deine Buchempfehlung Rita, ich werde mir "Glückliche Stiefmütter" auf jeden Fall ansehen. Kennst du "Aus Stiefeltern werden Bonuseltern: Chancen und Herausforderungen für Patchwork-Familien" von Jesper Juul? Da habe ich neulich erst davor gestanden und überlegt, ob es wohl auf unsere Situation zutreffen könnte.
Das schönste Denkmal, das ein Mensch bekommen kann, steht in den Herzen der Mitmenschen.
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