Familienkonferenzen

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carlotta37
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Familienkonferenzen

Beitrag von carlotta37 »

Hallo an alle!

Wer hat Erfahrung mit Familienkonferenzen?

Ich habe das früher schon eine zeitlang konsequent versucht und aktuell auch mal wieder. Aber meine Erfahrungen sind sehr unterschiedlich, vielleicht bin ich mir auch nicht ganz im Klaren, wie man das macht....

Ein positives Beispiel: Diskussion um Mithilfe im Haushalt. Ich wollte von den Kids wissen, warum es nicht klappt und was sie vorschlagen, um das zu verbessern. Zunächst mal haben sie sich gestritten und sich gegenseitig Vorwürfe gemacht: wer wann wieviel macht, einer fühlt sich immer benachteiligt. Und sie liefern sich dann recht heftige Auseinandersetzungen, besonders meine Tochter kann kaum eine andere Meinung einfach stehen lassen, wenn es um ihr Verhalten geht bzw. wie andere das erleben. Schliesslich machte aber gerade sie einen tollen Vorschlag, auf den ich nie gekommen wäre: wir haben jetzt einen Familienchat. Ich poste da tagsüber Aufgaben, gleich mit Namen des betreffenden Kindes. Aber frage auch mal nach Essenswünschen oder sie geben ihre Wünsche durch. Man fragt sich untereinander, wer wann heim kommt etc.
Es funktioniert prima. Alle drei Kinder hatten das Gefühl, es ist so transparenter. Man sieht genau, wer wann etwas machen muss, was sie ja sonst vom anderen nicht so mitkriegen und dann immer das Gefühl haben: immer nur ich....!
Und sie sanktionieren sich gegenseitig. Neulich hat einer widersprochen, da musste ich mich gar nicht einmischen, es kam gleich von einem anderen Kind der Kommentar: das war abgemacht, also halt dich dran. Was dann gewirkt hat ;-)

Generell mögen meine Kinder aber solche Gespräche gar nicht und es kostet viel Energie, sie dazu zu bringen, dass sie mitmachen.
Meist ist es natürlich so, dass gewisse Fakten gegeben sind. Bestimmte Entscheidungen treffe eben doch ich als Mutter allein. Bei der Ausgestaltung können sie dann mitbestimmen. Und genau das stinkt ihnen!
Dazu kommt, dass sie untereinander sich eben schnell angegriffen fühlen und entsprechend heftig reagieren. Da endet so eine Familienkonferenz schonmal damit, dass einer aufspringt und türeknallend oder heulend in sein Zimmer läuft. Oft finden sie es völlig sinnlos. Eine Einigung wie in diesem Fall kommt selten zustande.

Ich habe oft mit ihnen darüber geredet, dass jeder sagen darf, was er denkt und fühlt, das wird nicht bewertet. Aber das fällt ihnen schwer.
Und wenn es keine Einigung gibt, bin ich unsicher, wie ich mich verhalten soll: entscheide ich dann letztlich doch allein? Oder entscheidet die Mehrheit? Wenn es so ist, wären sie aber darin bestätigt, dass im Zweifelsfall ihre Meinung nicht zählt....

Bin gespannt auf Eure Erfahrungen!
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BabyOne
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Re: Familienkonferenzen

Beitrag von BabyOne »

Hallo Carlotta,

wir haben das nie als regelmäßige Institution eingeführt. Irgendwie erschien es uns zu künstlich, glaube ich, und es fehlte uns die Konsequenz um das auch länger durchzuhalten.

Ich vermute, es ist sinnvoll bei den ersten Konferenzen zuerst einmal Problemthemen auszuklammern, damit diese Konferenzen nicht gleich nur mit etwas Negativem behaftet sind. Wenn man eine gewisse Routine für solche Gespräche entwickelt hat, dann kann man vorsichtig auch schwierige Themen einführen. Vorher sollte es wohl lieber um angenehme/einfache Sachen gehen - sowas wie Essensplanung vielleicht. Und jeder sollte im Gespräch die Möglichkeit bekommen, seine eigenen Themen anzubringen, nicht nur die Erwachsenen.

Außerdem sollte man wahrscheinlich lieber keine Themen zur Diskussion stellen, bei denen man eigentlich sowieso alleine entscheiden will. Sonst wird man in der Tat unglaubwürdig.

Was die Gesprächsregeln angeht, muss natürlich klar sein dass jeder drankommt und jeder ausreden darf. Bei meiner Tochter in der Grundschule hatten sie zu dem Zweck in Gesprächsrunden immer so einen kleinen Ball oder sowas - wer den Ball in der Hand hat ist dran mit Reden. Vielleicht hilft so ein optisches Signal um auch die temperamentvolleren Teilnehmer an die Regeln zu erinnern...
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carlotta37
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Re: Familienkonferenzen

Beitrag von carlotta37 »

Ja, das mit dem Ball mache ich auch in der Schule.....aber ich fürchte, meine Jugendlichen fänden das lächerlich :roll:

Wir hatten das mit der Urlaubsplanung einmal. Da war es meine Tochter. Sie war da aber schon alt genug, um zu entscheiden, dass sie nicht mitkommt und blieb dann auch wirklich zuhause. Bei anderen Dingen ist das nicht so einfach. Generell bin ich immer angespannt, wenn die Kinder sich zwar ausreden lassen, aber dann sehr aggressiv auf die Beiträge eines anderen reagieren. Sie fühlen sich schnell angegriffen, besonders die älteren beiden. Der Jüngste ist total diplomatisch ;-) Er schafft es oft, den Frieden dann wieder herzustellen.

Aber mein grösstes Problem ist die mangelnde Motivation für solche Runden. Zur Zeit finde ich es immer schwieriger mit den Jugendlichen, sie sind selten alle gleichzeitig zuhause. Wenn es etwas wirklich zu besprechen gibt, spreche ich dann mit jedem einzeln. Das ist aber auch nicht gut, weil sie dann immer das Gefühl haben, einer hat einen Vorteil. Sie wissen ja nicht, was ich mit den beiden anderen schon besprochen habe. Deswegen hatte ich den Eindruck, wir brauchen diese Runden wieder mehr. Früher ergaben sich auch viele Gespräche beim Essen, mit allen, das hatte dann eine ähnliche Funktion. Damals gingen sie irgendwie auch noch netter miteinander um..... :aahrg:
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Re: Familienkonferenzen

Beitrag von carlotta37 »

Sorry, da wurde der Anfang meines Beitrags gelöscht....

Es ging darum, dass ich unsicher bin was ich machen soll, wenn es keine Einigung gibt. Natürlich diskutieren wir nichts, das ich sowieso allein entscheide!! Aber wenn sich zwei einig sind und der dritte will sich nciht anschliessen? Das passiert oft, manchmal schon aus Prinzip, ist mein Eindruck :aberhallo:
Ich glaube, es wäre auch bei dem Mithilfe-Thema so gewesen: wenn die Grosse etwas will, stellt sich der Mittlere dagegen und umgekehrt. In dem Fall hat er wohl nur meinetwegen zugestimmt, weil er gemerkt hat, dass ich ihre Hilfe brauche und es eine Lösung geben muss.
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Re: Familienkonferenzen

Beitrag von BabyOne »

carlotta37 hat geschrieben:
Es ging darum, dass ich unsicher bin was ich machen soll, wenn es keine Einigung gibt. Natürlich diskutieren wir nichts, das ich sowieso allein entscheide!! Aber wenn sich zwei einig sind und der dritte will sich nciht anschliessen?
Da gibt es in der Theorie eine beschränkte Anzahl an Möglichkeiten. Du könntest Dir vorbehalten alleine zu entscheiden, wenn es keine Einigung gibt. Oder Du könntest schlicht die Mehrheit entscheiden lassen, wobei Du eine Stimme hast so wie jedes Kind. Oder Du könntest bei manchen Themen sagen, wenn ihr euch nicht einigt, dann findet das Ereignis X eben gar nicht statt. Letzteres hat den Nachteil, dass dann einer für alle anderen zum Blockierer werden könnte, vielleicht nur um die anderen zu ärgern. Ersteres hat den Nachteil, dass dann der, gegen den Du entscheidest, deswegen sauer sein wird und unterstellt dass Du sowieso immer gegen ihn/sie entscheidest... Mir scheint daher die Entscheidung der Mehrheit am günstigsten.

Man muss natürlich darauf achten, dass man im Vorfeld genau überlegt ob man die Entscheidung wirklich der Mehrheit überlassen oder nicht doch im Zweifel selber entscheiden will, und dann ebenso im Vorfeld die Regeln klarstellen. Ungünstig wäre es, wenn diese Bedingungen nicht allen Gesprächsteilnehmern von Anfang an klar sind. Wenn Du Dir die Entscheidung vorbehalten willst, wäre die Familienkonferenz sowas wie ein Gremium, wo das Für und Wider beraten wird, und Du musst dann auch nicht sofort in diesem Moment Deine Entscheidung treffen.
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Re: Familienkonferenzen

Beitrag von Ria »

Interessantes Thema :)

Liebe Carlotta, ich war als Jugendliche genauso wie deine Kinder. Ich hatte den Anspruch, eine Familie müsste eine Demokratie sein, in welcher die Kinder genauso viel Stimmrecht hätten wie die Eltern.
Heute schmunzle ich darüber und kann meine Eltern verstehen, die standhaft geblieben sind und unsere "Empörung" ausgehalten haben.
Wer die Verantwortung trägt hat die Kompetenz, Entscheidungen zu treffen und das sind im besten Fall die Eltern. Natürlich berücksichtigen wir dabei sowieso die Bedürfnisse der Kinder, auch wenn sie dies in dem Moment nicht so empfinden.
Und ich bin unterdessen überzeugt, dass es auch für die Jugendlichen mehr Sicherheit bietet, wenn wir unter unserem Dach die Regeln aufstellen, gegen welche die Kinder auch anrennen und sich reiben dürfen.
Dies als Alleinerziehende auszuhalten finde ich eine riesige Herausforderung. Und ich kann gut verstehen, dass wir den Kindern in dieser Familienform mehr Mitsprache einräumen als in einer Patchworkfamilie, wo mehr Beteiligte und eben auch ein erwachsener Partner dabei ist.

Ich meine, bei den Familienkonferenzen gehe es um zwei ganz wichtige Aspekte:
1. JEDER soll die Möglichkeit bekommen, von dieser Familiengemeinschaft angehört zu werden. Übrigens auch die Eltern!
(Und ich bin überzeugt liebe Carlotta, dass deine Kinder nicht wirklich lieber wollen, dass du dir ihre Meinung nicht mehr anhörst. Sie wollen oft einfach mehr mitbestimmen)

dazu folgendes:
Ich mache die Erfahrung, dass es sich lohnt, nicht nur die Gefühle des Gegenübers geschildert zu erhalten, sondern auch, was das für ihn so wichtig macht, was für ihn die Bedeutung oder Interpretation darüber ist. Denn dann kommen die dahinterliegenden Ängste oder ein Mangel zu Vorschein, der mit der aktuellen Situation vielleicht gar nicht so viel zu tun hat. Und dadurch gibt es wieder neue Lösungsansätze.
Dies ist aber nur möglich, wenn wir abwertende Bemerkungen der anderen darüber sofort und klar unterbinden.

2. Es können miteinander neue Lösungsansätze gefunden werden, wie wir als Gemeinschaft etwas handhaben können, so dass es meist gut funktioniert. Das Was hast ja du vorgegeben.
Dein Beispiel mit der Mithilfe im Haushalt finde ich dafür super. Wenn nämlich alle mitmachen und kreativ mitdenken, werden Lösungen möglich, die man vorher nicht für möglich gehalten hätte.

Dazu denke ich, ist es wichtig, als Eltern möglichst klar zu kommunizieren, wo die Kinder Mitspracherecht haben und wo nicht. Und je mehr wir darüber erklären und rechtfertigen, desto unklarer werden wir. :oops:

Und wenn sich ein Einzelner gegen die Einigung der Anderen wehrt, könnte die Frage weiterführen, wogegen er sich wehren muss? Was braucht er/sie, um am gleichen Strick zu ziehen? Was hat er/sie davon, wenn es keine Einigung gibt?

Ich meine, dass gerade die Familienkonferenz zu Beginn oder schon bei der Planung von Patchworkfamilien ein sehr gutes Mittel ist, auch diejenigen, die nicht "schwierig" oder laut reagieren, zu beachten und die verschiedenen Interessen und Ängste zu hören.
Denn gerade in dieser Phase meinen die Kinder fälschlicherweise oft, die frisch verliebten Eltern würden die Kinder völlig vergessen, was ja gar nicht stimmt. Und sie hören auch, was die Bedürfnisse der Eltern sind.
Und es lohnt sich, auch dann eine Konferenz einzuberufen, wenn nicht gerade ein Problem brennt.
Seit 27 Jahren Patchworkfamilienfrau und Coach für solche :-)
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Re: Familienkonferenzen

Beitrag von carlotta37 »

Danke, Ria, das sind gute Hinweise! Ich rechtfertige mich eindeutig zu oft.....liegt auch etwas in meiner Persönlichkeit, ich möchte immer, dass sich alle verstehen und im Grunde möchte ich auch das Verständnis meiner Kinder....das ist aber nicht ihre Aufgabe!

Etwas aber noch: eine Familienkonferenz ohne konkretes Thema? Einfach so, damit jeder sagen kann, wie es ihm geht? Ich höre schon meine Kids: och nö, lass den Psycho-Quatsch!
Ich finde es extrem schwierig, sie dazu zu motivieren.....es sei denn, es liegt ein konkretes Problem vor, das auch sie lösen wollen und sei es um dem ewigen Gestreite zu entgehen (was sie ja auch nicht wirklich toll finden!).
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Re: Familienkonferenzen

Beitrag von carlotta37 »

P.S: Was ich bräuchte, wäre das Gefühl, dass wir hier ein Team sind. Eines mit Anführer, der immer noch ich bin, aber doch ein Team....dieses Gefühl fehlt im Moment total! Und ich schaffe es einfach allein nicht, alle Fäden zusammen zu halten....
Zur Zeit sind wir eine Zweck-WG, da muss das Zusammenleben auch funktionieren, aber jeder ist doch absolut sein eigener Herr. Das stinkt mir gewaltig!! Eine Familie ist keine Zweck-WG!
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Delphia
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Re: Familienkonferenzen

Beitrag von Delphia »

Liebe Carlotta

Familienkonferenzen: finde ich grundsätzlich eine gute Sache. Das haben wir auch probiert. Eben probiert...

Nenne nur ein "schönes" Beispiel: Ämtliplan. Nachdem verschiedene Varianten nicht gefruchtet hatten, haben wir noch diese Variante probiert: Belohnungssystem. Bei unseren fünf Kindern hat derjenige, der am meisten gemacht hatte (die Aufgaben waren aufgelistet und gewichtet), 4 Punkte erhalten. Derjenige, der am wenigsten gemacht hatte halt eben keinen Punkt. Sehr bald haben sich die Kinder beraten und sie haben alle gleich viele Punkte erzielt und zwar so wenig wie möglich... Selbstverständlich wurden sie jeweils belohnt, aber so haben alle die gleiche Belohnung erhalten und entsprechend waren nicht alle Ämtlis erledigt... Genau: die Ämtlis wurde übrigens von den Kindern selbst definiert... Das Beispiel ist "schön", weil so die Solidarität unter den Kindern funktioniert hat... aber für uns Eltern nun ja... :-(

Irgendwann haben wir aufgegeben... Wir hatten die Kraft nicht mehr. Was bei uns aber geklappt hat, ist der Samstag Morgen. Nicht jeden Samstag, aber so ca. 1x im Monat haben alle angepackt und im Nu war alles tiptop sauber, aufgeräumt und so. :-)

Humor hilft über manches hinweg... Aber wenn man noch drin steckt...
Delphia
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Probleme? nein! Herausforderungen: ja :-), manchmal aber völlig hoffnungslos...
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