Mithilfe im Haushalt / Kinder-Arbeit

Erziehung ganz allgemein
Buchenholz
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Mithilfe im Haushalt / Kinder-Arbeit

Beitrag von Buchenholz »

Kürzlich diskutierten wir darüber, wieviel, was und ob Kinder im Haushalt mithelfen sollen.

Ich lese gerade eine Trilogie von Susanna Schwager. Im ersten Buch beschreibt sie das Leben ihres Grossvaters, resp. der Grossvater erzählt ihr aus seinem Leben. Darin gibt es eine Passage, in der er über dieses Thema erzählt. Ich finde es gerade angesichts der Diskussion kürzlich sehr spannend und möchte dies euch nicht vorenthalten.

"Ich kann das Nicht!" - einen solchen Gedanken hatte ich nie. Das gab es einfach nicht. Man forderte von uns Kindern von Anfang an alles. Manchmal war das hart, und sicher, es wurde später zuviel. Aber an und und für sich ist es gut, von den Kindern zu fordern. Bei uns hiess es nicht " Kannst du das?" Oder gar "Möchtest du das?" Es hiess einfach "Mach das!" Es war ein Auftrag und der musste erledigt werden. Wie man das erledigte, hätte einem niemand vorgeschrieben. Es musste einfach getan sein und basta. Wir waren von klein auf gewohnt, an unserer Grenzen zu gehen. Und weil man uns zutraute, dass wir es konnten, wollten wir es können. Deshalb in ich ganz gegen dass Verbot der Kinderarbeit, gäll. Ich weiss, dass man das nicht laut sagen darf, aber ich sage es trotzdem.
Ich meine nicht diese Schinderei von Kindern, sicher nicht. Aber man sollte sie wieder einbeziehen in das Alltagsleben, von Anfang an. Man sollte sie auch Gefahren aussetzen. Sie sollen Gefahren kennenlernen, früh genug. Später lernt man das nicht mehr richtig. Darum tun mir diese Burschen leid, die da unter meinem Balkon (vom Altersheim) herumlungern. Wenn man denkt, so schöne junge Menschen und werden für nichts gebraucht. Darum spüren die keine Liebe und keine Achtung. Weil sie nicht gebraucht werden. Kinder haben in den Sippen immer mitgearbeitet, in einer ihnen entsprechenden Form, immer. Heute werden sie behandelt wie Kranke, das macht sie krank. Sie brauchen richtige Aufgaben. Richtige, nicht pädagogische, das macht sie zufrieden. Man sollte die Kinder arbeiten lassen, das wollen sie nämlich. Etwas Sinnvolles für die Allgemeinheit tun. Wenn sie zeigen können, dass sie gut sind, werden sie gut. Jetzt telefonieren sie nur noch.
Zuletzt geändert von Buchenholz am 03.08.2011 11:51, insgesamt 1-mal geändert.
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Ria
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Beitrag von Ria »

Danke, hat was.

Nur tönt es zu einfach, um in unsere Zeit zu transferieren.

Ich machte die Erfahrung, dass meine Kinder ohne Murren mithalfen, wenn ich krank war oder sonstwie wirklich auf ihre Hilfe angewiesen.
Wenn nicht, war es manchmal mühsamer, das Ganze durchzuziehen, als es selber zu machen. Und genau da sehe ich die Falle: Wenn wir unter Zeitdruck sind oder es gerne perfekt haben, machen wir es oft selber, und das bekommen sie mit und lassen uns auch. Logisch.

Als Kind habe ich das selber auch erlebt, dass wir im Geschäft des Vaters mithalfen, wenn Not am Mann war oder ich habe die vier kleinen Geschwister gehütet. Das war einfach selbstverständlich und notwendig. Und das gab mir dann auch das gute Gefühl, gebraucht zu werden.

Das mag ich den Jungen auch gönnen. Im Pubertätsalter finden sie das wohl einfacher ausserhalb der Familie in der Lehre. Für diejenigen, die lange zur Schule gehen ist das schwieriger.

Und auch mir klingelt es in den Ohren, wenn ich meinen unterdessen erwachsenen Kindern hinterher nörgele, wie damals meine Mutter. Dahatten auch wirfrüher schon diesbezüglich unsere Diskussionen.

Oftmals braucht es auch viel Kraft, es auszuhalten, wenn die Jungen verärgert über uns sind. Aber es lohnt sich! :wink: Und: es geht vorbei, das kann ich euch versprechen!
Seit 27 Jahren Patchworkfamilienfrau und Coach für solche :-)
http://www.coacheria.ch
Babell
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Beitrag von Babell »

Hallo Buchenholz

Ich war so eine, die immer sagte, Kinderarbeit sei vollkommen tabu, das dürfe man nicht, Kinder hätten ein Recht auf Spielen etc.
Meine Grosseltern haben mir von ihrer Kindheit erzählt, die alles andere als einfach war, weil sie in so grosser Armut aufgewachsen waren. Dies hatte mich erstmals zum Umdenken angeregt.
Der Bericht dieses Grossvaters, den du hier reingestellt hast, der überzeugt auch mein letztes Fünkchen Widerstand gegen die Kinderarbeit. Der Satz
Wenn man denkt, so schöne junge Menschen und werden für nichts gebraucht. Darum spüren die keine Liebe und keine Achtung.
gibt mir Stoff zum Nachdenken. Ebenfalls: nicht die Schinderei ist gemeint, sondern die Arbeit. Vielleicht haben wir Angst, die Kinder würden sich ausgenützt vorkommen, dass wir uns kaum getrauen, ihnen was zuzutrauen.
Ich meine, ich will nun nicht als Stiefmutter antreten und die Kinder befehligen: Mach das, mach dies, mach jenes. Das ist Aufgabe deren Eltern. Aber wenn sie mir helfen wollen, dann dürfen und durften sie das ja schon immer. Und wenn mein Freund die Kinder zu etwas motivieren würde, dann würde ich ihn unterstützen! :)
Vorallem werde ich mit meinem Freund mal drüber reden, dass wir den Kindern ja etwas zutrauen, wenn wir ihnen eine Arbeit geben. Wir haben drum kaum Ämtli.. Es ist schon viel, wenn sie die Teller in die Küche tragen. :oops:
Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

In einem anderen Thread habe ich geschrieben, wie sich ein Gastkind in unseren Ferien sehr unbeholfen anstellte. Man tut den Kindern keinen Gefallen, wenn man sie nie beim Haushalten integriert. (Ausnahmen gibts)
Wenn ich denke, wieviel ich meinem Vater im Garten, in seiner Schreinerei und beim Mosten helfen musste. Oder ich habe mit meiner Mutter Gemüse sterilisiert und Gomfi eingekocht. Klar hat es mir jeweils gestunken. Aber ich habe soviel gelernt dabei, soviel Wissen über die Natur, welches ich heute meiner Tochter nicht mehr beibringen kann.

Früher gab es auch sehr viel Gewerbe bei uns im Ort. Vieles haben die jeweils auch draussen gemacht und wir Kindern konnten dabei zusehen. Das gibts heute alles nicht mehr. Die Firmen sind in Industriegebieten, aus Sicherheitsgründen ist alles abgeriegelt.



Das Buch habe ich jetzt fertig gelesen. Die Texte sind authentisch schweizerhauchdeutsch geschreiben. Für mich war es wie eine Annäherung an das Leben meines Vaters. Vieles in dem Buch hat mein Vater auch so erlebt, vielleicht hat er diesen Mann sogar gekannt.
tabida
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Beitrag von tabida »

Genauso, wie das in dem Buch geschrieben ist, so habe ich das als Kind erlebt (und hier auch schon mal beschrieben). Jeder von uns hatte in der Familie Aufgaben/Aemtli die wir erledigen mussten. So bekamen wir das Gefühl, für ein wichtiger Teil in dieser Familie zu sein - ohne den "der Betrieb" nicht laufen würde. Selbstverständlich haben wir uns ausgeholfen und wir haben auch versucht uns zu drücken (Legendär bei uns ist z.B. folgende Geschichte: An einem Sonntag morgen waren meine Eltern beide weg. Wir Kinder musste für's Mittagessen Rosenkohl rüsten. Keiner von uns mochte den besonders gerne und für 6 Personen gab es eine Menge zu rüsten. Plötzlich aber waren wir fertig. Meine Mutter wunderte sich etwas, dass nach dem Rüsten nur so wenig übrig geblieben war. Als sie dann ein paar Tage später die Küche putzte, fand sie unter der Küchenbank einen Sack mit Rosenkohl. Natürlich war's niemand gewesen ;-). Aber leider mussten wir den Rest dann auch noch rüsten und essen :-( ). Die Geschichte mussten wir uns immer wieder anhören (vor allem mein Bruder: Der war's nämlich gewesen....).

@Ria: Was magst Du den Jungen gönnen? Das sie für nichts gebraucht werden? Keine Aufgabe haben und nichts mit sich anfangen können?
Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

Damals machte ich diese vielen Ämtlis gar nicht gerne. Grund: ich war bei allem immer alleine. Mein Bruder ist ja viel älter, wir sind wie zwei Einzelkinder gross geworden und war oft weg. Lehre, später Militär.
Dass mein Vater (auswärts) arbeiten musste, das hätte ich ja noch verstanden. Aber meine Mutter war zu Hause, hatte aber wegen ihrem Heimarbeitsjob keine Zeit für mich. So hat man mir einfach erklärt, was zu tun ist und ich war dann Nachmittage mit irgendwas beschäftigt.

Einzig beim Mosten oder Gemüse sterilisieren war ich mit einem Elternteil zusammen. Beeren lesen, Zwiebeln austun, Bohnen abfädeln und Geld auszahlen, das machte ich immer alleine.


Und DAS machte ich bei meiner Tochter anders. Wir haben immer gemeinsam geputzt und aufgeräumt. Es brauchte zwar viel mehr Zeit, aber wir hatten Spass zusammen.
Und wenn ich nähen musste, dann war Tochter am gleichen Tisch und hat dort ihre Aufgaben gemacht oder gemalt oder was auch immer.
Die Zeit mit unseren Kindern ist so kurz.
carlotta37
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Beitrag von carlotta37 »

Grundsätzlich finde ich das alles sehr richtig. Aber man darf doch nicht vergessen, wie sehr sich die Umwelt und das soziale Umfeld der allermeisten Kinder seitdem geändert hat!

Meine Eltern gingen früher jeden Samstag auf den Markt. Dort gab es sehr günstig Gemüse und Obst und das wurde dann eingemacht: Saft, Confi etc..Meine Mutter war viele Jahre Hausfrau, mein Vater verdiente das Geld. Anfangs hatten sie nicht viel und selbstgemachte Confi und Saft waren billiger. Das war wohl der Hauptgrund, sich diese Arbeit zu machen. Vergleich mit heute: wer nicht gerade auf dem Land wohnt oder in der Nähe von Bauernhöfen, kann Confi und Saft in jedem Laden billiger kaufen, als das Obst auf dem Markt kosten würde. Die meisten Eltern arbeiten beide. Haushalte sind kleiner und mehr "automatisiert": Geschirr abtrocknen und abwaschen musste ich früher immer, heute haben wir eine Spülmaschine. Ist nur ein Beispiel.
Die Arbeit muss schnell gehen, Fertigprodukte sind oft günstiger als Frisches vom Markt, aber auch das Leben der Kinder hat sich verändert: sie müssen (und können) oft weniger helfen, müssen an anderer Stelle aber mehr Anforderungen erfüllen, z.B. in der Schule. Da bleibt wenig Zeit.

Die Generation der Grosseltern, wenn ich an meine Familie denke: die lebten noch als Grossfamilie, mit vielen Verwandten im gleichen Ort. Einige waren Handwerker, da ergriff der Sohn den Beruf des Vaters und durfte früh mit in den Betrieb zum Schauen und Helfen. Die Frauen waren nicht berufstätig, mti Ausnahme meiner Grosstante, die verwitwet war. ihre Kinder wurden in den Haushalt meiner Oma integriert, da gab's dann also 5 Kinder, in der Nachbarschaft weitere Verwandschaft. Ein Haushalt war aufwändige Arbeit: keine Waschmaschine, nacvh dem Krieg musste man sowieso schauen, woher man bestimmte Lebensmittel bekam, man hatte grosse Gärten etc.. Die Kinder mussten anpacken, waren in ihrer Freizeit aber auch sehr unbeaufsichtigt, es gab noch nicht so viele Gefahren (Verkehr!), aber auch noch nicht so viele Anforderungen ausserhalb der Familie.

Eigentlich ist es schade, dass vieles verloren ging! Wir wohnen in einer KLeinstadt, aber wo können die Kinder ungestört spielen?? Hier noch im Wald, ja, aber in der Überbauung gibts dauernd Beschwerden. Die meisten Kids verschwinden nachmittags nach der Schule hinter ihren Compis bis die Eltern von der Arbeit kommen....Kinder- und Erwachsenenwelt sind sehr viel mehr getrennt, Familien zerbrechen, Grossfamilien gibts nur noch selten und am wenigstens in den Städten.

Man kann die Zeit nicht zurückdrehen!! Die Anforderungen an die Kinder heute sind andere, ihre Chancen auch - ob besser oder schlechter kann man so pauschal ja nicht sagen, finde ich!

Das spricht nicht gegen frühes Mithelfen und Ämtli. Aber ganz konkret, da mich das Thema gerade beschäftigt: so einfach finde ich das nicht! Die meisten Kollegen der Kids müssen fast nie helfen daheim. Und die Grosse ist mit der Sek ja kaum noch zuhause und hat dann noch viele Aufgaben. Dazu kommt, dass sie viele Aufgaben kaum übernehmen können, da diese zwar zeitsparender aber technisch komplizierter sind als früher (meine sind jetzt alt genug, die Spülmaschine zu bedienen, aber so früh wie ich zuhause schon abtrocknen musste, konnten sie das nicht). Meine Mutter schickte mich früher einkaufen zu einem kleinen Laden in der Nähe. Meine Kinder zur Migros zu schicken, traue ich mich kaum: das Angebot ist soo riesig, die verschiedensten Marken und Produkte, grössere Beträge Bargeld mitgeben. Klar, es geht und für eine vergessene Kleinigkeit müssen sie auch gehen. Ansonsten aber: die meisten Leute erledigen doch den Einkauf mit dem Auto und fahren zu günstigeren Läden evtl. weiter weg. Nicht umsonst sind die kleinen Geschäfte grösstenteils eingegangen!
Mit zur Arbeit nehmen, in den täglichen Alltag integrieren, das geht nur bei sehr wenigen Berufen noch! Wenn beide Eltern arbeiten, sind die Kinder oft bis abends im Hort: wie sollen sie dann zuhause noch etwas helfen? Die wenigen Stunden am Abend vergehen mit Hausaufgaben und Spielen bzw. noch gemeinsame Stunden auch geniessen. Viele Mütter wollen dann selber ja keine Stunden mehr in den Haushalt investieren, da gilt: je schneller und praktischer, desto besser- und das können die Kinder dann oft wirklich nicht!

Dies mal nur so als Beispiele....
tabida
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Beitrag von tabida »

Es stellt sich halt die Frage, was wir unseren Kinder mitgeben wollen.
Das mindestens zum Teil noch in unseren Hände.

Uebrigens hole ich vor allem Obst im der Stadt auf dem Markt und mache meine Konfi tatsächlich noch selber. In erster Linie wegen der Qualität, aber immer wenn ich mich mal wieder in die Migros und Co. verirre, stelle ich fest, dass ich doch viel billiger fahre, als wenn ich mir das da kaufen würde. Da stehe ich doch gerne 1 Stunde früher auf um den Umweg zu machen. Gemüse habe ich zum Glück im eigenen Garten. Das bedeutet zwar viel Arbeit, aber ich verbringe doch lieber die Zeit da, als vor dem Compi. Da hat es übrigens auch einige Familie die die Zeit so verbringen.
Zanilla
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Beitrag von Zanilla »

Ich hab ja bekanntlich keine Kinder. Aber hätte ich welche, sähe ich meine Aufgabe als Mutter als "Meine Kinder auf das Leben vorbereiten und sie mit dem Nötigen ausstatten". Danach würde ich leben, so wie es meine Eltern auch getan haben.

Da meine Mutter Hausfrau war, war sie immer zuhause. Für mich war helfen als Kind oft ein "dürfen", nicht ein "müssen". ich hab gern mitgekocht, Tiere versorgt, Kuchen gebacken usw. Ich musste auch immer für meine Mutter Zigaretten holen, das waren 1,5km Fussweg einfach, oder beim Bauern Milch holen, das war eine Schlepperei. Aber irgendwie war es selbstverständlich, das hat jeder machen müssen. Klar, als Teenie hatte ich auch keine Lust mehr auf so ein zeugs, aber es war schon so ein Automatismus drin, da hat mans halt gemacht und zwar geknurrt, aber so war es eben. Bei Freunden übrigens auch "Ich kann erst in 10 Minuten rauskommen, ich muss noch abtrocknen/Wäsche aufhängen/meinem kleinen Bruder essen geben" oder Gott weiss was.

Ich sehe aber bei vielen Familien, auch bei den Kindern meines Partners, dass die Eltern die Aufgabe als "Den Kindern ein guter Freund sein" oder "Den Kindern eine schöne Zeit machen" betrachten. Klar gehört das auch dazu, aber das kann auch nach hinten los gehen.

So wie bei uns. Helfen im Haushalt tut keiner. Freiwillig sowieso nicht, nur, wenn ich was sage, und weil ich ziemlich autoritär bin, machen sie es auch, glaube ich. Mein Freund sagt nichts, weil er, überspitzt gesagt, Angst hat, sie mögen ihn dann nicht mehr. Die Mutter sagt auch nichts, also machen sie auch nichts, und die Eltern beschweren sich bei sich gegenseitig, was für ein "faules Pack" die Kinder sind. Tja, von nichts kommt halt nichts. Ich merke auch Entwicklungsverzögerungen bei dem Kleinen, er kommt einfach nicht drauf, dass sauberes Besteck in die gleiche schublade gehört, aus der es vor 10 Minuten rausgeholt wurde. Bei jedem Teil fragt er "Wo tu ich das hin?", auch bei Getränken, die er sich vor dem Eingiessen noch selbst aus dem Kühlschrank geholt hat. Klar sind daran nicht nur die fehlenden Aufgaben Schuld, aber wenn man Kinder nicht fordert, kommt halt sowas bei raus, wie wir zuhause haben...
Babell
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Beitrag von Babell »

Zanilla hat geschrieben:Ich hab ja bekanntlich keine Kinder. Aber hätte ich welche, sähe ich meine Aufgabe als Mutter als "Meine Kinder auf das Leben vorbereiten und sie mit dem Nötigen ausstatten". Danach würde ich leben, so wie es meine Eltern auch getan haben.
Das kann ich unterschreiben und ich hoffe, dass ich mich daran erinnern werde, wenn ich denn mal in dieser Rolle bin! Man weiss ja nie, ob man dann nicht plötzlich lieber die Rolle der
"Den Kindern ein guter Freund sein"
übernehmen will, weil das halt schon viel angenehmer tönt.

Meine Stiefkinder sind zum Glück nicht ganz so unselbständig wie Zanillas Stiefsohn, aber das haben sie bei der Mutter und dem Stiefvater gelernt. Mein Freund hat den Kindern nie eine Aufgabe. Sie verweigerten sogar Spaziergänge. Er musste ihnen immer nur etwas Tolles bieten. Die Stieftochter hatte mal den Trick raus, ihrer Mutter ein sms zu schreiben, sobald sie hätte mit auf einen Spaziergang sollen. Einmal ging sie sogar nach Hause. (wir hatten ihr zuvor Stadtbummel und Weihnachtseinkauf geboten und wollten eigentlich nur kurz aus dem Nebel raus)

Was ich sagen will: Bei den Stiefkindern empfinde ich mich nicht zuständig für die Aufgabe, sie zur Mithilfe im Haushalt anzuhalten.
Ich finde, das ist die Aufgabe meines Freundes. Aber ich wasche dann auch nicht den ganzen Tag für die ganze Familie ab. Er versucht mittlerweile schüchtern seinen Sohn mit einbeziehen, aber der verzieht sich sehr schnell ins Zimmer, wenns um den Abwasch geht...
carlotta37
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Beitrag von carlotta37 »

tabida, aber nicht jede Familie hat einen Garten oder die Zeit dazu!!! Gerade wenn Du Dich in der Stadt umschaust und bei Familien, die finanziell nicht so gut dastehen (z.B: beide Elternteile verdienen müssen oder Alleinerrziehende!): Also ich hätte das mit Vollzeitjob NIE geschafft, selber Confi zu machen und einen Garten zu pflegen! Was mir eigentlich furchtbar leid tut, denn ich mache sowas extrem gern!

Dann leben wir doch in einer ziemlichen Multi-Kulti-Gesellschaft, für meine Kids ist es viel selbstversätndlicher als für mich früher, dass ihre besten Freunde zu anderen Religionen gehören und zuhause andere Traditionen leben. Das hat schon auch einen Einfluss! Die Vielfalt heute ist grösser: wenn ich mir so eine Primarklasse anschaue, staune ich, was da alles an Einflüssen zusammekommt und damit auch an verschiedensten Ansichten über Erziehung, Geschlechterrollen etc.
Es ist schwieriger geworden, aber darin liegt auch eine Chance!

Zanilla, ich glaube, das aufs Leben vorbereiten, übernehmen heute weniger denn je die Eltern, der Einfluss der Umwelt und der Institutionen, in denen sich das Kind bewegt (Schule, Krippe, Hort, Freizeitvereine) ist enorm. Die Eltern spielen eine wichtige Rolle, aber da es die dörfliche Grossfamilie so gut wie nicht mehr gibt, findet das soziale Leben der Jungendlichen zunehmend ausserhalb der Familie statt!
tabida
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Beitrag von tabida »

ich glaube, das aufs Leben vorbereiten, übernehmen heute weniger denn je die Eltern, der Einfluss der Umwelt und der Institutionen, in denen sich das Kind bewegt (Schule, Krippe, Hort, Freizeitvereine) ist enorm.
Die Frage ist doch, wie weit wir das zulassen wollen oder nicht! Gewisse Zwänge sind sicher vorhanden. Trotzdem denke ich wir können auch immer noch einiges steuern.

Ich weiss natürlich, dass der Garten ein ganz grosses Privileg ist (auf das ich vor allem aus Budgetgründen gestossen wurde. Er erlaubt es mir, weiterhin mit einem 80% Job gut auszukommen - Obwohl, wenn ich die Gartenarbeit als Arbeit rechnen würde ich natürlich auf viel mehr als 80% kommen würde). Damit ist er auch ein kleiner Prostest gegen die immer hetisch werdenden Welt.
carlotta37
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Beitrag von carlotta37 »

Tabida, viele Familien haben gar keine andere Wahl!!! Ich glaube, das übersehen wir, sobald wir selber etwas privilegierter sind. Aber meine Schüler: die Hälfte geht in den Hort und ging schon in die Krippe. Über 2/3 haben einen Migrationshintergrund und von dem restlichen Drittel leben dann noch einige vom Sozialamt oder sind Kinder getrennter Eltern. Da arbeiten die Eltern viel und dennoch reicht das Geld nirgends hin. Für einen Garten bleibt da weder Zeit noch Geld, die Kids kommen gegen 18 Uhr wieder heim, sind sie erstmal aus der Primarschule raus, sind sie eben nach der Schule allein. Diese Mütter sind dann froh, wenn die Kids selbständig genug sind, sich um ihren eigenen Kram zu kümmern: Freizeit, Hausaufgaben, sich selber ein Zvieri machen.

Ich kann das sehr gut nachvollziehen, weil es mir jahrelang auch nicht anders ging. Als meine Kinder klein waren, haben unsere Au-Pairs einen riesigen Teil der Betreuung übernommen und damita uch der Erziehung. Und diese selber noch jungen Mädchen aus anderen Kulturen haben das ganz anders gemacht, als ich es getan hätte. Anders, nicht immer war ich damit glücklich, aber es gab auch einen grossen Gewinn. Habe ich als Kind gelernt zu helfen, lebte aber ansonsten sehr auf die Familie beschränkt (naja, mein Vater arbeitete lange im Ausland, da hatte ich dann auch andere Erfahrungen, aber das war ja nicht unbedingt typisch für meine Generation), so haben meine Kinder von ganz klein an andere Denkweisen, Kulturen und Traditionen kennengelernt. Sie sind sehr offen, viel mehr als ich das war und bewegen sich recht sicher in dieser weniger überschaubaren Welt!!

Natürlich, eine gewisse Wahl hat man und ich habe das auch genutzt....Auch aus Geldmangel verbrachten wir viel Zeit im Wald statt teure Urlaube, sammelten Beeren, gingen bräteln, Tiere beobachten etc.. Aber ich verstehe, dass viele Mütter dazu nicht mehr die Kraft haben und es auch nciht können: wer in Sri Lanka (zum Beispiel) aufgewachsen ist, kann viele Traditoinen hier nicht fortführen, kennt die hiesige Tier- und Pflanzenwelt nicht, muss plötzlich ohne die untestützende Grossfamilie auskommen und sich überhaupt erstmal einleben und zurecht finden. So jemand kommt kaum auf die Idee, Confi zu kochen. Wird eher erschlagen von der Konsumwelt und sieht darin auch einen Vorteil: Wäsche per Hand zu waschen, ist nämlich verdammt unbequem.
Wir dürfen nicht die Welt unserer Grosseltern in so ein goldenes Licht setzen. Es war manches gut und wertvoll für die Kinder damals, aber aus unserer Sicht heute vergessen wir auch gern die Probleme, mit denen sich die Menschen damals konfrontiert sahen und die möchte wohl keiner von uns mehr haben!!!!

Vergiss nicht, damals mussten Kinder mehr helfen, wurden aber auch noch geschlagen. Damals kümmerte sich keiner darum, wenn ein Kind Probleme in der Schule hatte. Ehepaare blieben zusammen, auch wenn sie sich gehasst haben - es ging einfach wirtschaftlich nicht anders. Ich kenne einige Leidensgeschichten aus der Jugend meiner Eltern udn ihrer Eltern, sie hatten Glück, mehr oder weniger, obwohl man meinem Vater das Trauma eines ausgebombten Kriegswaisen (wir kommen ja aus Deutschland) heute mehr denn je anmerkt.
Wir haben es verdammt gut!!!!! Und das vergessen wir gern mal....

Ich habe lange in Afrika gelebt, dort müssen die Kinder mehr mit anpacken. Das tut ihnen sicher gut, aber so ein Leben möchten wir alle mit Sicherheit trotzdem nicht. Und es ist schwierig, so etwas küntlich zu erzeugen. Es ist in andferen Ländern so und war bei uns früher so, weil es NOTWENDIG war. Und genau deswegen hat es auch funktioniert. So etwas aus pädagogischen Gründen künstlich zu erzeugen, verfehlt jede Wirkung.

Versteht mich nicht falsch, ich bin absolut dafür, dass die Kids helfen. Aber ich finde, in diesem Beitrag hier wird vergessen, wie sehr sich die Welt verändert hat und wie sehr sich damit auch Erziehung und die Situation unserer Kinder verändert hat.
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Nin
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Beitrag von Nin »

Ich bin sehr mit Carlotta einverstanden. (bin aber gerade schreibfaul!)
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
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BabyOne
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Beitrag von BabyOne »

Den Gedanken, dass Mithilfe anderswo selbstverständlich praktiziert wird /wurde weil sie dort schlicht notwendig ist, den finde ich sehr treffend. Sicher muss man viel weniger streiten und diskutieren, wenn die Kinder sehen dass es eben so sein muss und dass es im Übrigen alle machen.

Ich stelle mir nur vor, wenn eine Mutter ihre Kinder überhaupt nie zu irgendwelchen Aufgaben verpflichtet und dann auch die entstehenden Diskussionen in Kauf nimmt, dann ist zu befürchten, dass die Kinder auch dann nicht mithelfen, wenn es aus Sicht der Mutter wirklich notwendig wäre. Dann wundert man sich auf einmal, was für unsoziale Kinder man da herangezogen hat. Insofern muss man sich als Eltern schon überlegen, ob man die Diskussionen nicht lieber dann und wann in Kauf nimmt und trotzdem die Kinder versucht an Mitarbeit heranzuführen, auch wenn es nicht existenziell notwendig ist.

Aber ich kenne das auch, dass meine Tochter nach dem Hort am späten Nachmittag heimkommt und dann teilweise noch Hausaufgaben zu machen hat oder etwas lesen oder lernen muss. Was will ich von einem relativ kleinen Kind verlangen, dass es dann abends nach einem langen Tag noch Pflichten übernimmt? Da bleibt fast nur das Wochenende, und selbst da muss sie ja noch Hausaufgaben erledigen.

Andererseits hat sie schon manchmal so eine Einstellung wie "wieso ich, mach Du doch", und die kann ich nicht akzeptieren. Ich versuche sie dann und wann mal mit kleinen Aufgaben einzubinden, aber eigentlich ist das eher symbolisch und auch unregelmäßig. Ich denke mir aber auch, dass es mehr werden muss, wenn sie älter wird. Ich bin im Übrigen auch faul und habe keine Lust immer zu schuften, und irgendwer muss ja die Arbeit machen ;-)
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