Vater und Tochter

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carlotta37
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Vater und Tochter

Beitrag von carlotta37 »

Wie Ihr aus anderen Beiträgen wisst, hat meine Tochter es zur zeit nicht so ganz leicht - oder wir jedenfalls mit ihr nicht :roll:
In letzter Zeit sind mir vermehrt Dinge aufgefallen im Zusammenhang mit ihrem Verhältnis zu ihrem Vater und es würde mich interessieren, ob jemand hier eine ähnliche Konstellation kennt bwz. was Ihr dazu meint.

Sie ist die einzige von unseren 3 Kindern, die eine wirklich enge Bindung an den Vater hat. Einerseits war sie schon immer sehr auf ihn fixiert, andererseits haben ihre Brüder im Gegensatz zu ihr keine Erinnerungen mehr an das Zusammenleben mit dem Vater.
Der Kleinste hat den Vater eigentlich nur während eines Jahres mehr oder weniger regelmässiger Wochenendbesuche kennengelernt und geht heute sehr locker mit dem ganzen Thema um. Es ist ihm wichtig, den Papa zu kennen, Kontakt mit ihm zu haben, zu wissen, wo er heute lebt, aber das alles gerät auch immer sofort wieder in Vergessenheit, sein Leben ist hier und das ist ausgefüllt, auch mit anderen wichtigen Bezugspersonen. Im Alltag vermisst er seinen Papa nicht.

Der Mittlere war nach dem Umzug meines Ex vor nun über 3 Jahren nach Afrika zunächst sehr verletzt. Er hatte zwar immer ein wenig Angst vor dem strengen Vater, aber er kannte ihn doch gut und es war für ihn sehr schwer, nun quasi keinen Papa mehr zu haben (ich hatte immer den Eindruck, es ging bei ihm weniger um die konkrete Person als einfach um einen Vater....). Er war extrem verletzt und hat sich seitdem von dem Vater zurückgezogen. Heute spricht er zwar wieder mit ihm, will ihn auch sehen, ist aber innerlich sehr vorsichtig. Er weiss ja auch genau: Papa kommt für ein paar Wochen, dann verschwindet er wieder für mindestens ein Jahr und die Kinder sind wieder vleretzt und fühlen sich verlassen. Er kann das sehr gut formulieren, will die erneute Verletzung vermeiden, hat sich inzwischen daran gewöhnt und möchte sich nun nicht immer neu damit auseinandersetzen. Er hat in seine Beziehungen zu anderen Menschen investiert und ist hier glücklich. Wörtlich: Papa soll nciht immer unser Leben durcheinander bringen, wenn er sowieso nur alle paar Jahre mal hier auftaucht.

Nun aber die Grosse: sie fühlt sich verantwortlich, dem Vater in Afrika vorzuspielen, hier würden drei Kinder auf ihn warten, die ihn alle innig lieben und vermissen. Und natürlich drei ganz tolle Kinder, gut in der Schule, brav, die sich nie streiten (ist so in etwa das, was ihm ganz wichtig ist).
Durch Zufall habe ich mitgekriegt, dass sie einerseits ihre Brüder unter Druck setzt: komm ans Telefon jetzt! Schreib ihm auch eine mail!
Und andererseits das mangelnde Interesse der Brüder sorgsam versteckt. Gegenüber Papa muss es so aussehen, als ob alle drei Kinder ihn genauso lieben und vermissen wie sie selber. Es gäbe viele Beispiele wie sie diesen Eindruck erweckt. Z.B. hat er bald Geburtstag. Pakete schicken ist recht sinnlos, aber jedes Jahr will sie das wieder. Letztes Jahr haben wir eines nach Deutschland zu Landsleuten von ihm geschickt, die es jemandem mitgeben wollten der nach Afrika reiste. Ist nie geschehen....das Paket ist glaube ich wenn überhaupt 8 Monate später angekommen.
Dieses Jahr die gleiche Diskussion. Ich habe also mit dem Vater direkt gesprochen und ihm gesagt, es wäre doch besser zu warten, bis er im Herbst herkommt. Ja, er wolle das den Kindern so sagen, aber er wisse nicht, ob die das akzeptieren, weil sie es doch alle so sehr wollen und alle drei gebastelt haben und von ihrem Taschengeld Geschenke gekauft.
Häää? Es stellte sich heraus: Tochter hat gebastelt und eingekauft, aber jeweils gleich drei mal und gibt zwei der Geschenkli als die ihrer Brüder aus. Sie hat geschrieben, dass alle drei nun unbedingt dieses Paket schicken wollen etc.

Der nur als ein Beispiel von vielen...
Im Herbst kommt derr Vater her. Tochter steht massiv unter Druck, ihm dann die perfekte Familie zu präsentieren. Logischerweise kam sie auch bereits mit der Forderung, mein Partner dürfe dann in den drei Wochen auf keinen Fall hier auftauchen....(das ist übrigens alles ganz überflüssig: mein Ex weiss ja von meinem neuen Partner und ist beim letzten Zusammentreffen sofort auf ihn zugegangen! Vorher gab es einmal eine weniger erfreuliche Begegnung....aber das ist schon 2 Jahre her...). Sie verhindert übrigens auch bei den Telefongesprächen, die er mit den Jungs führt, dass irgendetwas zu Sprache kommt, dass Papa nicht gefallen könnte. Meist steht sie daneben und entreisst den Jungs dann sofort den Hörer....Meinen Freund dürfen sie nicht erwähnen! Und der Kleinste versteht natürlich überhaupt nicht warum....

Ich frage mich nun immer wieder: was kann man da tun?
Es ist extrem schwierig, mit meinem Ex-Mann diese Dinge am Telefon oder per mail zu besprechen. Er hat nicht täglich Zugang zu mails, Telefon ist immens teuer und die Verbindung schlecht. Wir können zwar reden und tun das auch manchmal, aber erstens schafft es Tochter sowieso in kürzester Zeit wieder, in dem Licht gesehen zu werden, in dem Papa sie toll findet und zweitens ist es eben wirklich schwierig....Klar stehen gespräche an wenn er hier ist....

Jedenfalls wird mir immer klarer, dass die Ablehnung meiner Tochter gegen meinen Freund immer noch sehr viel mit ihrem Vater zu tun hat. Und auch die Konflikte zwischen den Geschwistern, die in letzter zeit kaum auszuhalten sind, haben eine Verbindung zu diesem Thema.
Wie kann ich damit umgehen, was kann ich machen?

Mit Tochter über den Vater zu reden, ist zwecklos. Er ist ihr Hollywood-Star. Auch wenn sie weiss, wie streng er ist. Auch wenn sie darunter sogar bei ihrem Besuch in Afrika gelitten hat. Die Entfernung hilft ihr, ihm die perfekte Tochter vorzuspielen und davon ist sie nicht abzubringen.
Seine Ansprüche sind tatsächlich enorm hoch, besonders schulisch. Aber ich weiss auch, dass er durchaus Verständnis hat und sie einfach liebt....auch wenn sie mal einen Fehler macht....ICH glaube ihm das, aber bei ihr ist es scheinbar noch nciht angekommen....Oder wie soll ich das interpretieren?
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BabyOne
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Beitrag von BabyOne »

Hallo,

mir fällt spontan vor allem eines ein: sie hat das Recht dazu, ihre Beziehung zu ihrem Vater so zu sehen und zu gestalten wie sie das will, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten. Die beiden Geschwister aber auch. Ich denke, dass sie eigentlich alt genug sein sollte, um das auf der Verstandesebene zu verstehen. Ich würde vielleicht einmal mir ihr das Gespräch versuchen zu führen und ihr erklären, dass ihre Geschwister für ihre Beziehung zum Vater selber verantwortlich sind und auch das Recht haben das anders zu sehen als sie. Sie würde sich das sicher verbitten, wenn jemand versuchte ihr den Hörer zu entreißen beim Telefonat, oder dem Vater erzälte dass sie ihn gar nicht mag. Genauso muss sie umgekehrt akzeptieren, dass die Jungen dazu auch ein eigene Meinung haben. Und ich würde ihr auch dazu sagen, dass ihr Vater ein starker Mann ist und das aushalten kann.

Ich glaube wegen der dreifachen Geschenke würde ich das dem Vater erklären und ihn bitten, dass er der Tochter sagt dass er sich zwar über ihre Zuneigung freut, dass sie aber für die Brüder nichts vortäuschen muss, und dass er ein wilder Krieger ist der keine Angst vor kleinen Jungs hat. (Sowas in der Art.) :wink:
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carlotta37
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Beitrag von carlotta37 »

BabyONe, das wäre die erste natürliche Reaktion. Aber sie funktioniert nicht. Meine Tochter macht total dicht, sobald man sie darauf anspricht und verlässt sofort den Raum oder hält sich die Ohren zu. Es ist eben ein Thema, das sie mit dem Verstand absolut NICHT im Griff hat.
Ausserdem muss ich vorsichtig sein. Eben weil sie das Recht hat, ihr Verhältnis zum Vater selber zu gestalten. Sie reagiert sehr verletzt, wenn sie den Eindruck hat, dass ich mit ihrem Vater über sie spreche. Fühlt sich dann schnell hintergangen und hat vermutlich Angst, das Bild das sie von sich aufbaut vor dem Vater könnte Kratzer bekommen. Gegenüber dem Vater leugnet sie alles und der ist einfach zu weit weg, um sich wirkilich ein Bild von der Situation machen zu können.....
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Ria
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Beitrag von Ria »

Dass Kinder sich verantwortlich fühlen, dass der Elternteil, der nicht mit ihnen lebt glücklich und zufrieden ist, beobachte ich immer wieder. Sie halsen sich damit etwas auf, was eigentlich gar nicht ihre Aufgabe und für sie gar nicht lösbar ist.

Die Eltern (beide Teile!) können sie unterstützen, indem sie ihr eigenes Leben in die Hand nehmen und dem Kind sagen und vorleben, dass es sich um sie keine Sorgen zu machen braucht.
Und ausserdem stärken wir den Kindern immer wieder den Rücken, wenn wir ihnen unsere bedingungslose Liebe zeigen. Gerade auch dann, wenn sie sich nicht "perfekt" verhalten!

Aber genauso kannst du als Mutter Deine Tochter nicht zu ihrem Glück zwingen. Anscheinend wählt sie selber diesen schwierigen Weg und hat daraus - aus ihrer Sicht - einen Gewinn. Sonst würde sie es nicht tun.
Du wünschst ihr, dass sie sich frei machen (das wünsche ich ihr auch) und ihren eigenen Weg gehen kann. Das tut sie schon, sie hat diesen Weg gewählt.
Mir fällt es zwar auch oft schwer, aber wir unterstützen unsere Kinder auch dann, wenn wir ihnen erlauben, unglücklich zu sein. Und das heisst sogar, dass es uns selber dann auch gut gehen darf! Dass sie nicht die Verantwortung für unser Gut-gehen tragen.
Und ein Nebeneffekt hat das auch noch: Sie bekommen dadurch nicht für ein Verhalten Aufmerksamkeit, das wir nicht verstärken wollen.

Ich wünsche Euch allen viel Kraft und Geduld und immer wieder auch schöne Momente miteinander
Seit 27 Jahren Patchworkfamilienfrau und Coach für solche :-)
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Nin
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Beitrag von Nin »

Liebe Carlotta,

ich befürchte, deine Tochter kann ihr Verhalten erst dann ändern, wenn sie erlebt, dass sie den Vater mehr verletzt als dass sie ihm Freude macht. Und das müsste idealerweise er ihr sagen. Aber dazu braucht es eine grosse Portion Einsicht und Bereitschaft zum Entgegenkommen.

Ansonsten würde ich als Mutter ihr knallhart meine Meinung sagen und sie in keinem ihrer Ansprüche (wie zum Beispiel, dass dein Freund nicht aufkreuzen soll, wenn der Vater kommt!) auch nur ansatzweise unterstützen. Ihr sagen, dass sie ihren Vater anlügt - nicht daran hindern oder zur Rechenschaft ziehen! Nur klar und deutlich meine Ansicht sagen. "Du kannst tun, was du denkst, aber ich kann darüber denken, was ich will."

Und sonst?

Ich versuch, noch auf schlaue Gedanken zu kommen....
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
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Beitrag von carlotta37 »

Nin, auf klare Worte vom Vater hoffe ich auch. Aber das wird sehr schwierig.
Er will mich unterstützen, aber er hat was Erziehung betrifft ein vollkommen anderes Weltbild und scheinbar folgt unsere Tochter genau diesem.....Erziehung ist für ihn in erster Linie Autorität, ein Kind muss gehorchen, weil seine Eltern am besten wissen, was gut für das Kind ist. Und genau diesen Gehorsam spielt Tochter ihm unter anderem ja auch vor. Geht natürlich gut über die Entfernung! Ich bezweifle, dass er wirklich verstehen kann, um was es mir geht.

Tochter liebt ihn abgöttisch, aber ein vertrautes Verhältnis hat sie zu ihm nicht. Sie teilt ihm nicht ihre Sorgen mit, sagt nicht offen ihre Meinung. Sie will ihm gefallen und dafür tut sie alles.
Und das weiss sie irgendwie sogar. Neulich sagte sie mir: beim Papa leben für immer wolle sie nicht, da wäre sie nicht frei und können niemanden anzicken :roll: Na prima! Ich werte das als Kompliment, dass sie bei mir den Freiraum hat zu pubertieren..... :evil:

Ria, ich verstehe sehr gut, was Du sagen willst und sehe auch wie richtig das ist! Aber es sind mehr Personen involviert als nur ich und meine Tochter tritt da irgendwie eine Lawine los, die auch wirkt in der Familie. Es läuft darauf hinaus: sie gegen den Rest der Welt.
Die Brüder wehren sich zunehmend und das Verhältnis zwischen ihr und den Jungs ist sehr angespannt, es wird kaum noch ein normales Wort gewechselt. Da kann ich nicht neutral bleiben und einfach aushalten....Sie selber leidet auch unter ihrer Aussenseiterrolle, die Jungs sind schlicht damit überfordert. Sie wollen sie bei Unternehmungen nicht mehr dabei haben, schliessen sie immer mehr aus. Und umso mehr kontrolliert sie die beiden. Es ist ein hübscher kleiner Machtkampf von ihrer Seite aus, der letztlich immer wieder bei dem Thema Papa endet.

Dass sie etwas davon hat ist klar: sie etabliert sich so als Papas einziges braves Kind. Und er nutzt das unbewusst: oft genug übermittelt sie Informationen und Botschaften von ihm an uns, er verlässt sich auf sie....Und da hat Nin schon recht: er müsste ihr signalisieren, dass er kein Interesse an solch einem blinden Gehorsam hat. Und das wird er nicht verstehen.

Dieses Problem ist nicht so einfach lösbar, was mir unter den Nägeln brennt, ist aber: wie gehe ich damit innerhalb der Familie um? Wie verhalte ich mich in den Konflikten zwischen den Geschwistern? Was mache ich mit dern Kontrollsucht des Mädchens? Es läuft so vieles unter der Oberfläche, da sie es sorgfältig versteckt und spionieren und sie bewachen, mag ich absolut nicht!

Übrigens Nin, natürlich wird mein Partner hier sein, wenn der Vater kommt. Es ist ja nicht gerade selbstverständlich, dass ich meinen Ex-Mann drei Wochen bei uns wohnen lasse. Tochter meint offenbar, das hier wäre sein Zuhause, ich sehe ihn als Gast....der sicher nicht andere vertreiben kann! Für ihn ist das übrigens kein Problem!

Anita sagt hier manchmal so schön, Beziehung ist die Voraussetzung für Erziehung. Ich finde zawr auch nicht, dass man jede Kleinigkeit mit den Kindern ausdiskutieren soll, aber grundsätzlich geht es mir auch um Beziehung und jedenfalls sicher nicht um Gehorsam aus Angst.
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BabyOne
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Beitrag von BabyOne »

Carlotta,

ich denke Du kannst ruhig den anderen Kindern den Rücken stärken und offen zu allen sagen, dass das Mädchen nicht das Recht hat, den anderen vorzuschreiben was sie zu denken haben. Wenn sie sich trotzdem isoliert, muss sie damit leben. Wenn Du versuchst sie vor den Folgen zu schützen, wird sie um so länger brauchen um zu verstehen dass ihr eigenes Verhalten ihre Probleme verursacht. Das Kunststück ist, ihr dabei immer wieder zu vermitteln, dass sie unabhängig von ihrem Verhalten geliebt und willkommen ist.
Patch von 2002/2003 bis 2017
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