Machen mich meine Empfindungen zu einem schlechten Mensch?

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Philippa
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Machen mich meine Empfindungen zu einem schlechten Mensch?

Beitrag von Philippa »

Hallo an Alle,
Ich bin neu im Forum und wie viele wahrscheinlich hierhergekommen, weil ich meine Sorgen teilen möchte mit Menschen die sie nachempfinden können und vielleicht auch einen Rat für mich haben.

Zu meiner Situation...
Ich bin 34 Jahre alt und lebe mit meinem Freund zusammen. Er ist 32 Jahre alt und hat 2 Kinder, ein Mädchen (12) und einen Sohn (14). Die Kinder sind an mehreren festen Tagen in der Woche bei uns, an den anderen Tagen bei der Mutter. Sie sind also regelmäßig da und leben mit uns. Ich habe keine eigenen Kinder.

Mein größtes aktuelles Problem ist die immer größer werdende Abneigung gegenüber dem Jungen und meine zwar vorhandene Sympathie für das Mädchen, die aber getrübt wird von einer inneren Ablehnung.

Die Mutter der Kinder ist leider in der ganzen Situation eine Belastung. Sie ist sehr schwankend in ihren Stimmungen, hält sich nicht an Abmachungen, erpresst den Vater, droht manchmal auch mit dem Anwalt und Sanktionen gegen den Vater, benutzt die Kinder um den Vater unter Druck zu setzen, Sie beleidigt und beschimpft ihn.
Leider provoziert sie mich mittlerweile auch, indem sie mir Unterstellungen macht, ich seih mit schuld an schlechter Organisation etc. Dies allerdings nicht direkt an mich gerichtet, sondern nur über den Vater.

Im Alltag ist es so, dass die Kinder trotz gegenteiliger Behauptung der Mutter, gerne bei uns sind. Sie sind entspannt, ausgeglichen, erzählen viel, machen alle Unternehmungen mit und haben nie geäußert das sie mich oder ihren Papa ablehnen. Der Vater kümmert sich mit viel Verantwortung um die Kinder und macht aus meiner Sicht alles richtig, bzw. so richtig wie man es in dieser Situation eben machen kann. Der Sohn ist in der Pubertät und ein Kind das sehr fordernd und sensibel ist. Er ist häufig ignorant und assozial innerhalb unserer Gemeinschaft und der Vater vermeidet es ihm Grenzen zu zeigen. Warum kann ich nicht genau sagen. Es kann eine Mischung sein aus Konfliktscheue, Überforderung aber auch der Angst, der kleine könne sich bei der Mutter "beschweren" und diese käme dann wieder mit ihren Vorwürfen. Der Junge orientiert sich auch mehr an der Mutter als am Vater, zumindest wenn es um emotionale Konflikte geht.

Ich habe das, was auf mich zukam unterschätzt. Ich erkenne mich manchmal nicht wieder und wäre oft gern sachlicher und distanzierter. Ich bin auch eifersüchtig auf die Ex und deren gemeinsamer Vergangenheit mit meinem Freund. Ich fühle mich manchmal wie die ewige Zweite. Ich empfinde den Sohn als permanenten Störfaktor. Ich mag ihn nicht. Nicht einmal wenn er zu mir kommt und extrem anhänglich und herzlich ist. Ich bin froh wenn er weg ist. Bei der Tochter ist es anders, sie steht mir näher. Aber ich lehne sie irgendwie ab weil sie der Mutter, die ein recht hübsches Gesicht hat, so ähnelt. Wenn ich sie ansehe habe ich das Gefühl die Mutter würde mit am Tisch sitzen.
Irgendwie sehe ich in den Kindern den Grund für alle Probleme. Das wir mit dieser Exfrau zu tun haben müssen, das mein Freund unter deren Attacken leidet, das wir nicht frei unseren Alltag planen können, das er nicht unbeschwert mit seinen Kindern sein kann, das er nicht sieht was er für ein toller Vater ist weil sie ihm das ausredet, dass er immer Angst hat für sich und seine Vaterrechte einzustehen, weil er fürchten muss das sie dann Waffen zieht mit denen er nicht umgehen kann und der Kinder zuliebe einen Rückzieher macht.

Ich belaste uns mit meinen Empfindungen, auch wenn ich oft über meine Grenzen hinaus die Zähne zusammenbeiße. Ich würde meinem Freund gerne mehr Kraft geben als ihn damit zu belasten das ich auch leide unter der Situation.
Wie kann ich die Wut auf die Exfrau loswerden??????

Puh, darüber schreiben tut auch schon gut...;-)
Bitte zerreißt mich nicht für meine Gedanken, ich bin wirklich nicht glücklich über sie.
LG
Philippa
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Ria
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Re: Machen mich meine Empfindungen zu einem schlechten Mensch?

Beitrag von Ria »

Hallo Philippa

Zuerst einmal: Empfindungen sind weder gut noch schlecht, sie sind da und wenn wir meinen, sie nicht haben zu dürfen, verschwinden sie nicht, wirken trotzdem, eher noch unkontrollierter. Deshalb lohnt es sich, sie anzuschauen und damit etwas anzufangen.
Ich glaube, dass ganz viel Stress in Patchworkfamilien dadurch entsteht, dass wir meinen, gewisse Gefühle nicht haben zu dürfen. Dann werden wir plötzlich zum Opfer und reagieren mit Schuldzuweisungen, was die Situation noch zusätzlich belastet :? Und das passiert nicht nur uns sondern auch allen anderen in der Familie, und manchmal entsteht fast eine Konkurrenz unter den Beteiligten, wer mehr Mitleid verdient hat. Nur führt uns das leider nicht weiter.

Wenn du schreibst
Mein größtes aktuelles Problem ist die immer größer werdende Abneigung gegenüber dem Jungen und meine zwar vorhandene Sympathie für das Mädchen, die aber getrübt wird von einer inneren Ablehnung.
gibst du dir einen Teil der Antwort schon selber: deine innere Ablehung wirkt sich aus und belastet dein Verhältnis zu den Kindern deines Partners.
Diese zeigt auf, dass du etwas nicht akzeptieren kannst, was ist.
Aber dadurch kannst du es nicht verändern.

Diese Kinder gehören zum Leben deines Partners, sind sogar ein wichtiger und sehr präsenter Teil davon. Dies ist ein gutes Zeichen für ihn, und im Innersten weisst du das ja auch. Auch wenn er sich vor Konflikten scheut. Denn diese Angst ist schon begründet, wenn die Exfrau so über ihn herzieht und er befürchten muss, dass sie die Beziehung zu den Kindern noch mehr belastet.

Wenn wir uns auf eine Patchworkfamilie einlassen heisst das, dass wir uns extrem weiterentwickeln müssen, wenn es denn gelingen soll. Und (leider) ist das genau dort nötig, wo wir unsere schwachen Stellen haben. Aber wenn es uns gelingt, ist es eine grosse Bereicherung!

Wie kommst du darauf, die ewige Zweite zu sein? Du bist doch diejenige, die JETZT mit deinem Partner zusammen ist. Die Exfrau hat ihren Thron verlassen und du sitzt jetzt darauf. (Und vielleicht ist gerade das mit ein Grund für ihr Verhalten)
Wo aber hast du das Gefühl, zu kurz zu kommen? Wo wartest du bis jetzt noch darauf, dass jemand dich rettet oder glücklich macht? Das ist aber leider nicht möglich.
Nur du kannst aus dieser Situation etwas zum Guten ändern. Aber nicht, indem du die Zähne zusammenbeisst, das führt zu weiteren Schmerzen.

Es geht um die grundsätzliche Frage, ob du bereit bist, dich in der Familienzeit mit deinem Partner und seinen Kindern so einzubringen, dass auch du Spass daran haben kannst. Von den Kindern und deinem Partner her scheint dies möglich und wünschenswert zu sein. Sie mögen dich.
Du kannst eure Beziehung nicht so leben, dass du die Kinder und Exfrau ausklammerst. Die gehören mit zum Gesamtpaket. Deinen Partner gibt es nicht ohne.
Dieser Partner ist deine Wahl. Du bist diejenige, welche dies bestimmt, niemand anders.
Deine Gefühle folgen deinen Bewertungen. Solange du den Kindern die Schuld für das gibst, was die Exfrau tut oder für das Aussehen, das der Exfrau ähnelt, kämpfst du selber gegen Windmühlen - oder eben vergeblich - und machst dir selber das Leben noch schwerer.

Was brauchst du von deinem Partner, damit du voll zu ihm ja sagen kannst. Wann brauchst du Zeit oder Raum für dich allein, damit du wieder auftanken kannst? Wo fühlst du dich benachteiligt? Wo hat es überhaupt nichts mit den Kindern oder Exfrau zu tun?
Das auseinander zu dröseln könnte dir neue Erkenntnisse bringen, mit denen du neu wählen und gut für dich sorgen kannst. Das ist deine Verantwortung, das kann niemand anders für dich.
Ich wünsche dir Ideen, was du in diese Familie hineinbringen möchtest, wo du deine Aufgabe darin siehst, die du gerne erfüllst.
Seit 27 Jahren Patchworkfamilienfrau und Coach für solche :-)
http://www.coacheria.ch
Philippa
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Re: Machen mich meine Empfindungen zu einem schlechten Mensch?

Beitrag von Philippa »

Hallo Ria,
danke für deine sehr konstruktive und klare Antwort. Ich finde mich in deinen Worten wieder. Es wird wohl so eine Art Stufenplan geben müssen für mich. Ich muss eines nach dem anderen angehen und beginnen wird es damit, dass ich versuche mich abzugrenzen um einen inneren Abstand zu bekommen. Das kann aber vorerst nicht bedeuten, dass ich alles "nehme" (Kinder, Ex usw.) sondern das ich Distanz dazu brauche. Ich bin von 0 auf 100 in diese Situation gekommen, werde überhäuft mit Erwartungen von allen (Kinder, Freund, Schwiegereltern und allen die immer erwarten das man Erwachsen, vernünftig und über allem stehend ist). Mein Freund erwartet vor allem, dass ich mich einbringe, dass wir Familie sind, dass ich seine Kinder genauso respektiere, liebe und wertschätze wie er. Was er nicht möchte ist Kritik. Und was er auch nicht sieht, ist das Patchwork Arbeit bedeutet, dass die Dinge nicht von alleine passieren, sondern das alle Akteure Individuen sind, mit Bedürfnissen und das meine Bedürfnisse nicht obligatorisch hinter den Kindern stehen dürfen. Er lässt vieles einfach geschehen und umgeht es, sich in Konflikte reinzudenken und sie zu lösen. Parallel kommt dann der Sohn, benimmt sich den ganzen Tag völlig daneben, die Exfrau klingelt, schreit rum, macht Theater und ich... ich muss vernünftig sein, an mir arbeiten, mich fragen ob ich das alles möchte, Wäsche waschen für alle, kochen, bitte keine Rückzugsmöglichkeit beanspruchen und immer schön erwachsen bleiben und nicht die Nerven verlieren. Ehrlich gesagt, dass überfordert mich komplett. Dazu kommt, dass wir auch zusammen arbeiten und wenn ich meine eigenen Worte lese, wird mir immer klarer, dass der Schlüssel vorerst nicht im Annehmen und weiter versuchen Harmonie herzustellen liegt, sondern darin, dass ich klare Grenzen für mich ziehe. Ich brauche Raum für meine Bedürfnisse, ich muss Verantwortung abgeben und darf mich nicht weiter in die Rolle einer Person drängen lassen, von der einfach zu viel erwartet wird. Wenn ich dann mal dastehe und wieder atmen kann, dann habe ich auch wieder die Kraft und die Gelassenheit und auch die Lust, mich auf den Sohn einzulassen, Verständnis für ihn zu zeigen. Dann macht mir Gemeinschaft vielleicht auch Spass, weil Sie nicht mehr erzwungen ist.
Von meinem Partner brauche ich Vertrauen. Er muss verstehen, dass ich mich bereits für ihn und seine Kinder entschieden habe, bewusst (auch wenn ich nicht wusste was auf mich zukommt). Ich habe "ja" gesagt zu ihm und jede Minute in der ich mich zurückziehe um Luft zu holen, gibt mir Kraft die ich in die ganze Familie einbringen kann und hat keinerlei egoistischen Hintergrund (das wirft er mir vor). Ich stecke im Moment noch in einer Zwangsjacke und aus der muss ich raus.
Babell
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Re: Machen mich meine Empfindungen zu einem schlechten Mensch?

Beitrag von Babell »

Hallo philippa


Habt ihr Euch schon überlegt, mal eine gemeinsame Familientherapie zu machen?
Ich denke, ihr als Paar benötigt mal jemanden, der ein bisschen Ordnung in die Sache reinbringt. Der oder die Euch aufzeigt, was Familienebene und was Paarebene ist. Natürlich ist es nicht bei allen gleich, aber es geht nicht, dass du immer nur zurückstellst, denn dann wirst du einmal explodieren. Auch jetzt schon merkst du ja, dass du anfängst auf die Kinder zu projezieren. Dein Freund möchte dass du die Stelle seiner Ex einnimmst, aber das geht nicht, denn seine Ex ist an diesem Platz! Er darf sie nicht verdrängen! Sie ist die Mutter seiner Kinder! Dass du dich darin unwohl fühlst, ist für mich sehr gut nachvollziehbar! Ausserdem ist es eine Abwertung von dir als Person: er reduziert dich auf die "Retterin" seiner Familie. Er möchte vielleicht wieder diese Familie haben, diese Kinder und er und dann statt der Ex: du. Aber diese Familie ist ja auseinander gebrochen! Er hätte halt bleiben sollen, wenn er eine Mann-Frau-Kinder-Familie um jeden Preis gewollt hätte. Das wollte er aber offensichtlich nicht und will vermutlich auch nicht mehr zurück, also muss er sich jetzt dem Gedanken, dass er in einer "Patchworkfamilie" lebt, anfreunden.
Er darf nicht einfach eine neue Frau suchen und an die Stelle der Mutter setzen. Da rebellieren alle. Das Verhalten seines Sohnes- kann ich mir vorstellen- dass das auch damit zu tun hat, dass dieser feine Antennen hat und spürt, dass da etwas nicht stimmt in der Familienaufstellung. Eigentlich ist der Sohn dein Verbündeter, denn er zeigt der ganzen Familie auf, dass hier eine Fehlstellung ist! Man kann deinem Freund nicht direkt einen Vorwurf machen, da er selber merken muss, dass er dem Bild "Familie" nachläuft, welches es eben in der Form nicht mehr gibt, aber da du und der Sohn es bemerkt haben, so macht doch gemeinsame Sache draus und spielt eben nicht mit beim Spiel des Vaters! Seid Euch selbst, ganz authentisch!; und wenn der Vater findet, du solltest waschen, dann mach das einfach nicht. Wenn die Kinder das verlangen würden, dann sag klipp und klar: "ich bin nicht Eure Mutter und ich möchte sie nicht verdrängen, also ich mache keine Pflichten, welche die Mutter machen würde". Und wenn du meinst, du solltest bei ihnen bleiben, aber lieber mit einer Freundin ins Kino gehen würdest, dann gehe mit ihr ins Kino. Nimm keine Rücksicht auf diese ellenlangen Wochenenden! Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich paar mal meinen Freunden wegen irgendetwas abgesagt hatte, weil ich meinte, die Verpflichtung zu haben, neben den anderen auf dem Sofa zu sitzen oder sonst irgendwie familiären Anteil zu nehmen. Das machte ich ja sehr intensiv tagsüber, während mein Freund sich schon oft zurück lehnen konnte. Das war auch nicht förderlich für heute, denn ich musste ihn ziemlich drauf einstellen, dass er dann bei unseren gemeinsamen Kindern auch die Betreuung übernahm, damit ich mich mal ausruhen konnte. Er war es sich einfach gewohnt, dass ich es tue.

Ich hatte das Glück, dass ich mich nicht als Mutter, sondern eher als grosse Schwester gesehen hatte und daher nicht auf die Idee kam, Mutterpflichten zu erfüllen, aber ich hatte andere Probleme, sonst würde ich hier ja nicht mitschreiben. Deshalb weiss ich jetzt nicht, ob ich mich gut in dich hinein fühlen konnte.


P.s. Beim ersten Text überkam mich spontan der Gedanke: wie wäre es mit einem gemeinsamen Kind? Vielleicht fehlt das für Euer Glück? Ich war anfangs Kinderwunsch drum manchmal eifersüchtig und hatte negative Gefühle gegenüber den Kindern, weil ich eben selber gerne ein Kind gehabt hätte und wir noch nicht sicher waren, wann und ob überhaupt.-
Philippa
Beiträge: 3
Registriert: 22.03.2017 09:05

Re: Machen mich meine Empfindungen zu einem schlechten Mensch?

Beitrag von Philippa »

Hallo Babell,
vielen Dank für deine Antwort.
In einem guten Moment, indem wir gut und ungestört miteinander reden können (meist am Sonntagmorgen im Bett) könnte ich eine Familientherapie ansprechen. Ich bin aber vielleicht selbst nicht 100%ig davon überzeugt. Da müsste/ sollte man die Kinder einbinden und das halte ich in unserer individuellen Gesamtsituation für schwierig. Automatisch wäre auch die Ex involviert und seih es nur durch das Erzählen der Kinder, sie reagiert aber emotional völlig unkontrolliert und lässt sich nicht einschätzen. Sie wäre auch zu keiner gemeinsamen Sache zu bewegen. Eine Paartherapie würde vielleicht besser passen, ob wir das wirklich brauchen weiß ich momentan nicht.
Den Jungen als Verbündeten zu sehen, darauf bin ich bisher noch nicht gekommen. Ich weiß wie du das meinst, aber mit diesem Kind ist das schwierig. Mit der Tochter mache ich das schon ein bisschen. Wir stecken die Köpfe zusammen und freuen uns darüber, dass wir uns verstehen. Der Junge ist mir absolut unsympathisch.
Er ist seitdem ich ihn kenne unhöflich, er grüßt nicht wenn er irgendwo ankommt, oder nur nach Aufforderung. Das macht er mit jedem so, nicht nur mit mir. Er hat keine Tischmanieren, kann im Restaurant nicht aufsehen, wenn gefragt wird "wer bekommt das Schnitzel?", sondern verschränkt die Arme, sieht motzig auf den Boden und wartet bis Papi sagt, dass er es bekommt. Er steht um 6.30 morgens auf (ich um 7.20) und trampelt wie ein Elephant durchs Haus, knallt seine Zimmertür zu, knallt die Badtür zu, knallt dann wieder seine Zimmertür zu und wenn er angezogen ist, knallt er die Tür zur Stube zu in der er morgens isst. Wir haben keinen ultragedämmten Neubau, sondern ein altes Bauernhaus mit Holzboden, Holztüren und es ist schon gut hörbar, wenn man die Türen normal öffnet und schließt. Er steht vom Essenstisch auf und nimmt gerade das mit was er benutzt hat, stellt es auf die Ablage, neben die geöffnete Spülmaschine und rennt weg. Sobald ihm etwas fehlt, Sportkleidung nicht gewaschen, nicht genug Brot auf dem Tisch oder sonst was wird gejammert, sich beschwert und gemotzt. Er ist überheblich und herablassend und ich empfinde es nicht als Verlust, dass wir nicht besonders dick miteinander sind.
Das mein Freund gerne hätte, dass ich die Stelle seiner Ex einnehme stimmt wahrscheinlich. Er hat das Modell einer intakten und harmonischen Familie im Sinn, dass wohl jeder gerne hätte, aber in einer Patchwork Familie (auch in "normalen" Familien) eher ein künstliches Bild aus der heilen Werbewelt ist, mit der Realität aber nichts zu tun hat. Die Arbeit die investiert werden muss, damit es klappt, die wird häufig gerade von den Männern unterschätzt. Ich kann mir gut vorstellen, dass der neue Partner der Ex wenig "Arbeit" mit den Kindern hat, weil die Mutter alles macht und sich dafür auch verantwortlich fühlt.
Mich treibt in dieser Familie hier mein Verantwortungsbewusstsein an. Wenn hin und wieder mal ein:" Danke, du machst das super mit den Kindern" kommt, dann löst sich das meistens gleichzeitig mit irgendeinem Vorwurf von ihm an mich wieder auf.
Trotzdem habe ich mich für ihn und seine Kinder entschieden und damit muss ich für die kleinen Wesen hier auch Verantwortung übernehmen.
Ich mache das hier, weil ich weiß das die Kinder in absehbarer Zeit so selbstständig sind, das sie ein eigenes Leben führen werden. Wer dann kommt und Spass hat an Gemeinschaft, der wird mit offenen Armen aufgenommen. Wer das nicht möchte, wird zumindest von mir nicht vermisst. Wenn der Vater sich später Vorwürfe macht, er hätte manches vielleicht anders machen sollen, dann wird mir das leid tun für ihn.
Ich habe bei den ganzen Streitereien und Uneinigkeiten zwischen Vater und Mutter immer gesagt, dass ich vor den Kindern keine Partei ergreife für irgendeine Seite, sondern mich als die Person verhalte die ICH bin mit MEINEN Überzeugungen. Ich bin immer ehrlich zu Ihnen, auch wenn ich Dinge verschweige. Ich zeige ihnen Grenzen auf die ich für wichtig halte, ich bin nett wenn sie nett sind und reagiere entsprechend wenn sie mal doof sind. Sie wissen immer an was sie sind, weil ich sie so gut es geht immer gleich und fair behandle. Die Kleine schätzt das, weil ihr das Sicherheit gibt. Der Junge hat viel mehr Mühe mit der Gesamtsituation. Aber er hat eine Mutter die sowieso alles besser weiß und einen Vater der sich nicht immer gerne helfen lässt, weil das auch mit Kritik verbunden sein kann.
Die Kinder erwarten übrigens nichts von mir, dass tut nur der Vater.
Zu der Sache mit einem eigenen Kind...daran arbeiten wir ;-).

Liebe Grüße Philippa
Babell
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Registriert: 21.05.2010 15:04

Re: Machen mich meine Empfindungen zu einem schlechten Mensch?

Beitrag von Babell »

Hallo Philippa

Das Verhalten deines Stiefsohnes erinnert mich an ein Gespräch über ein Buch, über welches mir eine Freundin erzählt hat und in dem es drum ging, dass Kinder eigentlich alles machen, weil sie die Liebe ihrer Eltern wollen. Gerade das Beispiel im Restaurant, wo der Bub drauf wartet, bis der Papi sagt, wem das Essen gehört, passt irgendwie auf diese Theorie.
Also was ich versuche zu schreiben: ich glaube, der Junge bildet sich aus irgendeinem Grund ein, der Papi habe ihn nicht (mehr) gerne und muss sich dauernd vergewissern ob das wahr ist oder ob er ihn vielleicht doch gerne hat! Für mich tönt es logisch, dass Kinder nie aufgeben, die Gunst und Aufmerksamkeit ihrer Eltern einzufordern. Sonst würden sie aufgeben. So aber sind sie dauernd dran, ihre Eltern zu nerven. Das tönt für mich logisch.
Das ist aber die Aufgabe des Vaters und du darfst dich guten Gewissens raus halten :-)

Ich finde, du darfst ruhig Abstand nehmen von dem Kind. Vielleicht gibt es andere Meinungen, aber wenn einem ein Kind unsympathisch ist, wie soll dann die Sympathie zurück kommen können, wenn von den anderen Beteiligten nichts geändert wird?
Also: kein schlechtes Gewissen! Es ist nicht aus deinem Bauch... Und apropos: Viel Glück für das Gelingen! ;-)
Herzaktion
Beiträge: 2
Registriert: 18.11.2017 22:49

Re: Machen mich meine Empfindungen zu einem schlechten Mensch?

Beitrag von Herzaktion »

Liebe Philippa

Zu Deiner Frage: Nein, definitiv nicht! Du bist einfach nur ehrlich!

Ich verstehe Dich sehr gut.
Ich bin auch froh, wenn das Kind meines Partners wieder bei seiner Mutter ist. Auch ich beisse die Zähne immer wieder zusammen und schaffe es trotzdem nicht so recht.

Zu der Ex-Frau: Gibt es nicht irgendwelche Verbindlichkeiten? (Gerichtsbeschluss? Wann sie die Kinder wie sehen darf?)
Ihre Unterstellungen: Du weisst doch wie es ist (eben schön, ihr habt es gut zusammen), was willst Du Dich dann rechtfertigen, Sie wird ihre Meinung zu Euch nicht ändern.....
Zur Erziehung: bei uns auch immer Streitthema... ich sage so: lass die Erziehung eigentlich beim Vater, nur die Punkte, die Du brauchst um mit den Kindern unter einem Dach friedlich zu sein, die erziehst Du (oder sagst es ihm falls das geht). Z.B mein Bonuskind hat so schlechte Essmanieren, da sage ich dann schonmal was, weil es mich direkt betrifft... alles andere überlasse ich dem Vater...

Ich grenze mich auch immer wieder ab... Manchmal ist weniger mehr... Mal ein paar Stunden dazustossen... nicht immer alles zusammen.. funktioniert besser. Was auch immer etwas hilft, ist, mal mit dem Jungen alleine was zu machen, denn jedes Kind hat ja auch eine gute Seite.


Grüsse
Herzaktion
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