Vollzeit-Stiefmutter ohne eigene Kinder

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Ankerfrau
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Vollzeit-Stiefmutter ohne eigene Kinder

Beitrag von Ankerfrau »

Hallo liebe Stiefmütter

Hat's hier drin noch andere Stiefmütter, die Vollzeit mit dem Partner und seinen Kindern zusammen leben und (noch) keine eigenen Kinder haben?

Bei uns sind die beiden Kids (Mädchen und Junge, 11 und 13) vor genau einem Jahr bei uns eingezogen. Geplant war, dass sie wie bis anhin jede zweite Woche 5 Tage kommen. Aber dann hat sich mein Partner an die KESB gewandt, weil die Mutter die Kinder immer öfter psychisch und leider auch physisch misshandelt hat. Als die Mutter davon erfahren hat, dass wir zu KESB sind, hat sie von einem Tag auf den andern beschlossen, dass sie die Kinder nicht mehr will und ihr das alles zu viel ist. Ja, das ist jetzt ein Jahr her und die Kinder sind seither Tag und Nacht bei uns. Nicht mal ein Wochenende waren sie bei der Muter im letzten Jahr oder sind sonst wo – sie haben keine Verwandte in der Schweiz. Wenn dann sind mal meine Verwandten eingesprungen, so dass wir wenigstens ein Wochenende pro Halbjahr für uns haben. Erst drei Wochen bevor die Kinder eingezogen sind, sind mein Freund und ich überhaupt erst zusammengezogen. Sprich, wir hatten überhaupt gar keine (!!) Zeit zu zweit uns im neuen Zuhause einzugewöhnen oder die Zweisamkeit zu geniessen.

In diesem Jahr habe ich so viele Rollen übernommen oder Dinge erlebt:
- Kinder pflegen, wenn sie krank sind
- Kleider für sie kaufen, Zimmer einrichten, mit Aufgaben helfen
- mein geplantes Rückzugszimmer aufgeben, so dass beide Kinder je ein Schlafzimmer haben und mein Partner und ich eines teilen
- mit an Schul-Meetings gehen
- meinen Freund unterstützen bei all seiner Kommunikation mit KESB, Polizei, Anwälten, etc. (er hat heute 100% Obhut für beide Kids)
- ein hüpfendes Herz, wenn wir uns alle eine Gruppen-Umarmung geben (manchmal, wenn mein Freund und ich uns umarmen, kommen die beiden Kids dazu und dann gibts ,group-hug')
- gemütliche Samstagabende mit Popcorn und einem Film und wir alle vier zusammen auf dem Sofa
- Köchin / Haushälterin / und dabei Vollzeit als Selbständige arbeitend
- auf Kinder schauen, wenn Partner mehrtägige Geschäftsreisen hat
- am Sonntag von den Kids mit einem selber gemachten Frühstück geweckt werden
- und am gleichen Tag später extreme Wutanfälle vom Jungen, der uns damit alle in den Wahnsinn treibt. Es ist etwas besser geworden die letzten Monate, aber die beiden Kinder haben so viel Schlimmes erlebt mit der Mutter, das jetzt alles raus muss bei uns…
- Tochter kam vor Weihnachten weinend zu mir und hat mich angefleht, sie nicht zu verlassen (sie spüren meine Verzweiflung ja auch). Sie hätte mich so gerne und ich könne doch eine bessere Mutter für sie sein, wie die leibliche…
- keinen einzigen Abend / Morgen mehr alleine oder mit dem Freund in der schönen Wohnung (was ich früher geliebt habe!)
- und so viel mehr

Heute bin ich an einem Punkt, wo ich einfach müde bin. So unglaublich müde. Ich bin 34 Jahre alt und wir wollten auch heiraten und noch gemeinsame Kinder haben. Aber wir sind beide an einem Punkt, wo wir überhaupt keine Energie haben, uns so was auch nur vorzustellen.

Jetzt ist es so, dass ich eine günstige Wohnung übernehmen könnte und mir überlege, für eine Zeit auszuziehen. Einfach um mich so richtig zu erholen und wieder auf die Beine zu kommen. Bis heute bin ich so oft sauer auf die Kinder, einfach nur weil sie da sind. Weil sie über Nacht in unsere Wohnung gekommen sind und unser Leben auf den Kopf gestellt haben. Natürlich weiss ich, dass sie überhaupt gar nichts dafür können – aber dennoch, vom Gefühl her haben sie uns das Zusammenleben hier zerstört, auf das ich mich so gefreut hatte. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dies könnte sich ändern, wenn ich eine Weile ausziehe und dann ganz gestärkt und vor allem auch bewusst zurückkomme. Dann wäre es ja meine Entscheidung. Ich kenne das Gute und das Schlechte von unserem Zusammenleben und es wäre dann meine Entscheidung im Sinne von: ich akzeptiere das und ich komme bewusst zurück. Hat jemand von euch Erfahrung damit?

Auch frage ich mich, ob jemand von euch Erfahrungen hat, wie wir in einer solchen Situation konkret entlastet werden könnten. Die Mutter ist nicht in der Lage auf die Kinder zu schauen und das wird sich in diesem Jahr voraussichtlich auch nicht ändern. Es wäre schon sooo toll, wenn mein Freund und ich nur schon ein Wochenende pro Monat hätten, wo die Kinder versorgt sind, in einer Gastfamilie oder so, und wir dann etwas Energie tanken könnten (er fände das auch eine gute Idee). Hat das jemand gemacht und Tipps dazu, wie das lief? Mein Freund hatte es einmal versucht, aber die eine Gastfamilie die er erreichen konnte, wollte keine so alten Kinder aufnehmen.

Ich freue mich von euren Erfahrungen zu hören.

Liebe Grüsse & allen ein schönes Weekend!
carlotta37
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Registriert: 29.10.2007 15:45

Re: Vollzeit-Stiefmutter ohne eigene Kinder

Beitrag von carlotta37 »

Hallo!

Ich kann Dir einen ganz konkreten Tip geben, wobei das erstmal auch nicht die Entlastung für ein ganzes Wochenende bringt. Aber vielleicht entwickelt es sich im Laufe der Zeit dazu: das mit mir Projekt der Caritas. Ich weiss nicht, wo Ihr wohnt, aber das gibt es in vielen Kantonen. Die Kinder bekommen eine Patin (normalerweise pro Kind eine....aber vielleicht ist jemand bereit, auch beide Kinder zusammen zu nehmen). Diese Person unternimmt normalerweise etwas mit den Kindern einen Samstag im Monat.
Als ich selber in einer sehr belasteten Situation war, habe ich für meine beiden Buben solche Patinnen gehabt. Daraus wurde eine enge Freundschaft im Laufe vieler Jahre, die bis heute besteht. Insbesondere der Jüngste verbrachte viele Wochenenden und Ferien bei seiner Patin. Er ist jetzt 14 und tut das immer noch häufig. Da die beiden Älteren inzwischen auch mal allein bleiben bzw. die Älteste momentan bei den Grosseltern wohnt für ein Jahr habe ich so freie Wochenenden.
Mir ging es damals auch so: 100% alleinerziehend, kein Vater, der sich um die Kinder kümmert, keine Familie in der Nähe, nie frei. Meine damalige Beziehung konnte ich kaum leben, Erholung für mich allein war unmöglich, dazu 100% Job. Das ist auch für den Elternteil schon extrem belastend, für eine neue Partnerschaft erst recht (mein damaliger Freund hätte nie mit uns zusammen gelebt.....). In der Anfangszeit hatte ich zwar so auch nicht kinderfreie WOchenenden, da ja noch die Älteste da war.....aber es hat sich entwickelt und war so oder so eine Entlastung.

Die Kinder werden schnell grösser. Bald kommt die Zeit, in der sie auch bei Freunden übernachten, mal in ein Lager gehen in den Ferien. Es wird einfacher und das schneller, als Du denkst! Das tröstet im Moment vielleicht nicht, aber im akuten Stress verliert man leicht den Blick dafür, dass es durchaus Perspektiven gibt!!

Oder wendet Euch an das Jugendsekretariat bei Euch im Ort. Ich habe auch damit sehr gute Erfahrungen gemacht, eine gute, kompetente Beratung, vor allem auch für meine Grosse, die riesige Probleme mit der Beziehung zu ihrem Vater hatte und hat.....und manch praktischer Rat kam da auch.

Ich finde, Du schreibst sehr mitfühlend und reflektiert und scheinst Dich mit Deinem Partner gut auszustauschen. Wenn Ihr organisatorisch ENtlastungsmöglichkeiten findet, denke ich, dass Ihr eine gute Chance habt, als Familie zusammen zu wachsen!

Würde meine Fühler in alle Richtungen ausstrecken, es wird sich etwas finden!! Und viel Kraft Dir!
stofan
Beiträge: 3
Registriert: 16.08.2016 13:17

Re: Vollzeit-Stiefmutter ohne eigene Kinder

Beitrag von stofan »

Liebe Ankerfrau

Du hast ja auf meinen Beitrag auch geantwortet und das Thema ist ja so weitläufig und komplex, dass wir uns vielleicht mal treffen könnten.
Wo wohnst du? Ich bin im Raum Bern zuhause, aber auch relativ regelmässig in Zürich oder Luzern. Mit einem GA alles kein Problem.
Lass mich doch wissen, wenn du das auch möchtest - ganz unverbindlich...

Schönen Sonntag und liebe Grüsse
Annette
Ankerfrau
Beiträge: 5
Registriert: 18.10.2016 10:34

Re: Vollzeit-Stiefmutter ohne eigene Kinder

Beitrag von Ankerfrau »

Liebe Carlotta und liebe Annette

Danke euch herzlich für eure Antworten!

Carlotta, das tönt so spannend mit diesem Caritas-Paten-Projekt. Ich hatte schon darüber nachgedacht, meine Schwestern als Ersatz-Gotten anzufragen, aber das erschien mir dann auch ein bisschen schwierig. Ich will sie nicht drängen, Zeit mit den Kids verbringen zu müssen. Und darum scheint mir dieses Projekt echt eine tolle Lösung, weil es da ja Menschen gibt, die sich ganz bewusst für eine solche Patenschaft zur Verfügung stellen. Toll! Wow, du hast ja ganz schön was zu tragen… Ich finde es bewundernswert wie du dir deine Freiräume ganz langsam wieder freigeschaufelt hast. Ich hoffe, du kannst sie voll und ganz geniessen. Und stimmt, wie du sagt, die Kids werden ja auch älter… Der Junge ist seit Kurzem in einer neuen Schule, nun bei uns in der Nähe, und hat da schon gute Freunde gefunden und übernachtet demnächst bei einem Klassenkameraden. Juhuuui! Ich hoffe, das geht weiter in diese Richtung.

Im Moment wohne ich gerade ein paar Wochen in der Wohnung einer guten Freundin, die in den Ferien ist. Das tut grad so gut, ein bisschen Ruhe und Abstand vom ganzen Trubel. Gestern habe ich gekocht und mein Freund kam vorbei und wir hatten ein Date, so wie früher. Das war soo schön! Heute war ich dann kurz in unserer gemeinsamen Wohnung und da war er dann wieder schlecht gelaunt. Ist wohl auch nicht einfach für ihn, dass ich einfach mal so eine Zeit ausziehe… aber er muss da jetzt durch und er sieht es grundsätzlich auch ein, dass ich auch gut zu mir schauen muss. Ich habe das Gefühl, dass er viele Sachen erst mal alleine anpacken muss, um langfristig eine gesunde Situation – auch für ihn – zu schaffen. Und wenn ich immer da bin und alles abfedere, geschieht einfach nicht viel. Aber ganz ehrlich, so gaaaanz ohne Schuldgefühle geniesse ich das Ganze hier auch nicht. Erst recht nicht wenn ich sehe, wie er selber so am Anschlag ist mit allem.

Und danke liebe Annette, ich schreibe dir gleich eine private Nachricht, würde mich sehr freuen, dich einmal zu treffen! :)

Ganz schönes Wochenende euch allen!
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