Stiefmutter wider Willen

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stofan
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Stiefmutter wider Willen

Beitrag von stofan »

Liebe Forumsbesucherinnen

Die Jungs (11 + 13) meines Mannes haben ihre Mama an einem Herzversagen verloren und sind nun seit Ende Juli bei uns eingezogen. Ich tue mich sehr schwer mit diesem neuen Leben, das mich ungefragt ereilt hat. Ich wollte nie Kinder haben, bin sehr spontan und freiheitsliebend und voll berufstätig mit eigener Firma seit 2009. Nun ist die Schule gestartet und ich habe ein weiteres arbeitsreiches Wochenende hinter mir mit Haushalt, Wäsche, Einkauf, kochen, etc. etc.
Das alles ohne ein Danke oder eine liebevolle verbale Anerkennung meines Mannes. Ist das alles selbstverständlich, was ich auf mich nehme???
Ich habe total Mühe damit und bin auf der Suche nach meiner Rolle, was mir zusteht und wo ich meine Grenzen ziehen kann. Auch die Beziehung leidet sehr unter der neuen Situation.
Mitte Juni erlitt ich eine Erschöpfungsdepression, war 3 Wochen stationär auf der Krisenintervention und habe nun Antidepressiva. Nicht vorzustellen, wie mein Zustand ohne die Medikamente wäre.

Wer hat Ähnliches erlebt oder kann mir Ratschläge geben, wie ich das neue Leben besser annehmen kann? Ich fühle mich alleine und von meinem Mann nicht verstanden.

Danke für alle Unterstützung!
Babell
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Re: Stiefmutter wider Willen

Beitrag von Babell »

Hallo Stofan

Warum wäscht du den Kindern die Wäsche? Du schreibst du habest ein eigenes Geschäft und dann schreibst du, du machst den Haushalt? Und was macht denn der Vater?

Wenn ihr beide berufstätig seid, dann wäre doch eine Haushalthilfe eine gute Lösung für Euch: ein Aupair, eine Nanny, eine Praktikantin/Praktikant (das wird manchmal für bestimmte Berufe gewünscht und die dürfen auch in Familien Praktikas machen, je nach Ausbildung) Hört Euch ein bisschen rum! Man findet auch bei den Gratisinseraten in den Grossverteilern (Coop, Migros, etc) immer wieder Zettelchen, wo jemand Arbeit als Babysitterin oder Putzfrau sucht. Und sonst im Internet auf der Liliputseite, z.b.

Bei uns ist es so, dass ich mit dem ganzen Haushalt und mit zwei kleinen Kindern manchmal auch am Anschlag bin, aber wir haben das Geld nicht für eine Haushalthilfe, ausser wir würden die nicht recht entschädigen und das könnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. So muss mein Partner manchmal wenn er nach Hause kommt, noch mit den Kindern spazieren gehen oder sonst etwas machen. Das ist natürlich auch eine Belastung für ihn, aber wenn man Kinder hat, dann muss man das einfach tun. Dann kann man nicht einfach nach Hause kommen und den Feierabend und die Zweisamkeit geniessen! Wer sich dazu entscheidet, muss. Bei dir ist es noch was anders: du hast dich nicht dazu entschieden! Also weshalb machst du es dann und nicht dein Mann?!

Ansonsten kommen dann nur negative Gefühle gegenüber deinen Stiefsöhnen! Und das wär ja schade, oder?

Ich fühle mich alleine und von meinem Mann nicht verstanden.
das tönt nach einer fortgeschrittenen Beziehungskrise.... Oje! Hoffentlich kriegt ihr den Rank noch!
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Ria
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Re: Stiefmutter wider Willen

Beitrag von Ria »

Liebe stofan

Willkommen im Forum! Wir freuen uns auf den Austausch mit dir.

Du erlebst gerade eine riesige Herausforderung, welche die meisten von uns nicht aus eigener Erfahrung kennen. Deshalb ist es auch nicht so einfach, darauf zu antworten.

Wie du schreibst, hast du schon ohne diesen Familienzuwachs ein volles Leben mit deiner Selbständigkeit. Und plötzlich fühlst du dich verpflichtet, Aufgaben zu übernehmen, die du nie wolltest. Und das macht es noch anstrengender, als es eh schon ist.

Wie in allen Patchworkfamilien stellt sich da die Frage der Vereinbarungen zwischen den beiden Partnern. Denn wenn ihr nicht solche findet, die für euch beide stimmen, ist eure Beziehung und damit auch die Patchworkfamilie gefährdet.
Bis jetzt hast du noch keinen Weg gefunden, gehört zu werden, ausser mit Erschöpfung. Was war der Grund dafür, noch bevor die Jungs bei euch waren?

Auch wenn es vielleicht etwas esoterisch klingt, bin ich davon überzeugt, dass das, was uns begegnet auch etwas mit uns zu tun hat und Chance für persönliche Weiterentwicklung ist. Denn gerade wenn wir uns überfordert fühlen ist es nötig, über sich hinauszuwachsen. Und das heisst überhaupt nicht, auf die Zähne zu beissen und sich noch mehr anzustrengen, sondern etwas Neues zu lernen.

Wir Stiefmütter haben die Aufgabe, die Gratwanderung zu lernen zwischen "für uns selber die Verantwortung übernehmen" und uns in diese neue Familie hineinzugeben und unseren Platz zu finden. Und das ist gerade am Anfang echt schwierig!
Aber ich habe zuerst "für uns selber..." geschrieben, weil das zuerst kommt. Sonst opfern wir uns auf und stehen am Schluss frustriert da.

Ich kann mir gut vorstellen, dass dein Mann nichts sagt, weil auch er völlig überfordert ist mit der Situation. Und so wie wir alle, kommuniziert er unter Stress weniger und ist auch weniger empathisch.

So wie du tönst, ist es für dich keine Frage, ob du mit diesem Mann zusammen bleiben willst. Dann lohnt es sich, möglichst rasch gemeinsam Lösungen zu finden, die euch beide entlasten. Und wie Babell schon geschrieben hat, würde ich unbedingt alle möglichen Arbeiten auslagern, vor allem die, welche du nicht gerne machst.
Aber dies ist nur ein Teil der Lösung. Du brauchst Zeit für dich und die Erlaubnis von dir selber, gut für dich zu schauen. Denn es nützt niemandem etwas, wenn du zu viel gibst!
So wie es euch jetzt gerade geht, ist das sicher nicht einfach. Aber wichtig. Was du sofort tun kannst ist, weniger für die anderen zu machen mit der Erwartung, dafür Dankbarkeit zu erhalten. Da machst du dich zum Opfer.
Dann merkt dein Mann, dass auch er sich damit befassen muss.

Langfristig meine ich ist es wichtig, dass du aufhörst, dir zu sagen, dass du nie Kinder wolltest, denn damit machst du es dir und deiner Patchworkfamilie noch schwerer. Aus irgendeinem Grund, der nicht in deiner Macht liegt, hast du dir durch deine Beziehung jetzt halt doch Kinder "in dein Leben eingeladen". Die einzige Alternative dazu wäre, dich zu trennen, aber das willst du ja nicht, oder?

Darf ich dir noch einen Buchtipp geben? "Glückliche Stiefmutter" von Katharina Grünewald zu lesen tut als Stiefmutter einfach gut.

Ich wünsche dir den Mut, Dinge im Haushalt nicht zu erledigen, auch mit dem Risiko, dass dies deinem Partner nicht gefällt. Und dann, dass du ihn nicht aus einem Vorwurf heraus sondern für euer langfristiges Glück zu Gesprächen und Abmachungen gewinnen kannst.
Seit 27 Jahren Patchworkfamilienfrau und Coach für solche :-)
http://www.coacheria.ch
Petra77
Beiträge: 39
Registriert: 10.07.2009 15:19
Wohnort: Kanton St. Gallen

Re: Stiefmutter wider Willen

Beitrag von Petra77 »

Liebe Stofan

Du hast meine volle Bewunderung! Du scheinst engagiert zu sein, wie sonst könntest du dich als selbständige betätigen und die eingegangene Verantwortung so extrem spüren und dir dessen auch Bewusst zu sein. Mein ehrliches Kompliment.

Deine Situation kenn ich nur ein wenig, kurzzeitig wohnte die Tochter meines Mannes bei uns, nachdem sie vor der Tür stand. Dem Rat von Ria kann ich aus meinen Erfahrungen nur anschliessen. DU zuerst und erst wenn es dir gut geht, du deinen Platz findest und du mit dir und der Situation zufrieden bist, erst dann kannst du die Verantwortung für die zwei schutzbedürftigen Kinder übernehmen. Ich glaube die wichtigste Voraussetzung ist dein Gespür für deine Grenzen, halte diese auch strikte ein, egal was andere sagen. Die wenigsten sind wohl in deiner Situation Mütter mit eigenen Kinder glauben zwar sie können es nachempfinden, meiner Erfahrung nach sind sie jedoch weiter davon entfernt als die Single-Kollegin nach eine durchzechten Nacht.:-)

Behalte deine Freiheit, nimm dir Bewusst eine Auszeit und glaub ja nicht du müsstest die Mutter ersetzen, dass musst du nicht. Du bist Du und bleibst Du, dass ist auch richtig so. Du hast eine viel schönere Rolle, du kannst für die Kinder eine Vertraute werden und ihnen Sicherheit bieten. .
Die Dankbarkeit der Kinder kommt später, ich glaube nicht, dass die Kinder überhaupt in der Lage sind deine Taten zu würdigen und zu erkennen. Dafür sind sie zu sehr in der Not, mit dem Verlust der Mutter und der neuen Wohnsituation das Alter der Beiden ist zudem so oder so noch schwierig.

Zur Unterstützung am Anfang würde ich dir raten einen Familien-Coach zur Seite zu ziehen. Der kann vielleicht helfen deine Bedürfnisse zu definieren und steht dir in der ungewohnten Situation mit Rat, Tat und mit Erfahrung zur Seite. Wenigsten so lange bis du dich sicher fühlst. Ich machte den Fehler und "küngelte" zu lange alleine herum, es ging soweit, dass unsere Beziehung fast in die Brüche ging. Zum Glück gelang es uns die Reissleine zu ziehen. Mein Mann war ebenfalls masslos überfordert er hatte nämlich noch mit dem Spagat der Liebe zu kämpfen. Einerseits ging es um sein Fleisch und Blut und auf der anderen Seite stand ich, seine Zukunft.

Ab heute könnt ihr eure eigene Geschichte schreiben. Ich hoffe du findest den Mut und die Kraft dich auf diese Situation einzulassen und die Situation als gebotene Chance vom Schicksal zu erkennen. Nichts passierst umsonst. Vertrau auf die Zukunft.

Alles Gute wünsche ich dir, von ganzem Herzen.
Petra
stofan
Beiträge: 3
Registriert: 16.08.2016 13:17

Re: Stiefmutter wider Willen

Beitrag von stofan »

Herzlichen Dank für eure einfühlenden und empathischen Zeilen!
Tatsächlich ist es so, dass ich in dieser Rolle wohl ein Unikat bin und keine wirklich Direktbetroffenen kenne...

Wir haben uns alle erdenkliche Entlastung organisiert mit Mittagstischen, Tagesschule, individuelle Lernhilfe, Aufgabenbetreuung etc.
Fakt ist aber, dass die Jungs ihren Vater und mich brauchen für ganz viele andere Themen (Elternabende, Arztbesuche, Kleiderkauf, PC-Konfigurationen, Handy-Abos, etc etc.) und für die Nestwärme, den Austausch und das Familiengefühl. Mit Abwesenheiten und Fremdbetreuung kann man die Beziehung nicht aufbauen und vertiefen, die es braucht. Zuerst ist Beziehung, dann Erziehung...

Das Putzen und die Wäsche sind ebenfalls extern delegiert. Dennoch startet für mich der Tag um 6.15h mit dem Wecker der Jungs für die Frühstunden und endet gegen 21.30h, wenn der Ältere im Bett ist, der wegen Schlafstörungen Melatonin-Tabletten nehmen muss. Vorher hatte ich nach meinem Berufstag mal Feierabend und Ruhe; heute geht es einfach nach dem Arbeitstag weiter. Vorher war mein Zuhause die Ruheoase, wo ich auftanken konnte; heute muss ich von Zuhause flüchten, um Ruhe und Raum für mich zu haben... Das ist einfach ein heftiger Kontrast, an den ich mich noch gewöhnen muss.

Mein Mann und ich haben dank Gesprächen und Besuch bei unserem Coach wieder ein viel besseres Einvernehmen und funktionieren als Team gut. Die gemeinsame Zeit ist halt sehr rar und diese nutzen wir mit einem gemeinsamen Abend ausser Haus. Auch ich habe einen solchen Ich-Abend, wo ich nicht zuhause bin.

Es bleibt mir nichts anderes übrig, als den Weg zu gehen und achtsam auf jene Dinge zu schauen, die positiv sind und die eine Entwicklung in eine gute Richtung nehmen. Mein Mann wird ab Oktober einen neuen 80%-Job antreten und so auch mehr Präsenz zu Hause haben. Hoffen wir, dass dies die Lage auch etwas entspannt.

Liebe Sonnengrüsse ins Wochenende!
Ankerfrau
Beiträge: 5
Registriert: 18.10.2016 10:34

Re: Stiefmutter wider Willen

Beitrag von Ankerfrau »

Liebe Stofan

Gerade habe ich deine Beiträge hier gelesen und möchte am liebsten schreien: Mir geht's genau gleich!! Hach wie gut das tut, mal von jemandem zu lesen, der in einer ähnlichen Situation ist (gerade heute habe ich einen Beitrag dazu geschrieben: viewtopic.php?f=18&t=2224).

Bei euch ist die Mutter der Jungs gestorben – bei uns ist es so, dass beide Kinder keinen Kontakt mehr zur Mutter haben, weil sie psychisch krank ist. Die Kinder haben so zu kämpfen mit allem und trotzdem haben sie sich extrem beruhigt, seit sie bei uns wohnen. Nur: Es zerrt halt ständig die eigenen Energiereserven an. Und wie du, bin ich völlig von dieser Situation überrumpelt worden (es war überhaupt nicht geplant, dass sie zu uns ziehen bis die Mutter einfach die Türe nicht mehr aufgemacht hat, als die Kinder zurück wollten). Ich bin auch selbständig und diese Arbeitsform an sich fordert halt schon sehr viel. Und dann zuhause noch diese belastende Situation…

Wir haben nun ein Jahr lang gekämpft, dass die Kinder hier bleiben können. Aber es war dennoch nie unser Ziel, die beiden immer hier bei uns zu haben. Auch mein Freund wollte das ganz klar nie, dass er die Kinder alleine betreut. Das an sich ist echt schon eine verzwickte Ausgangslage… Einerseits sehen wir, dass es völlig undenkbar ist, dass die Kinder zu Mutter zurück gehen (sie hat die Kinder geschlagen, psychisch fertig gemacht und ausgenutzt), auf der anderen Seite wünschen wir uns nichts mehr als mal ein ruhiges Wochenende für uns ab und zu. Ich weigere mich so sehr, dass ICH immer aus der Wohnung gehen muss, um mich irgendwo zu entspannen. Mein Zuhause war früher mein Kraftort – jetzt ist es ein Chaosraum mit ganz vielen Konflikten. Wie erlebst du das denn, dass immer DU weg gehen musst, damit du entspannen kannst? Ich hoffe noch auf eine Lösung, wo die Kids mal regelmässig irgendwo hin können an einem Wochenende, so dass mein Freund und ich einfach mal zuhause bleiben können und unser Daheim geniessen können. Aber bis jetzt ging's nie darüber hinaus, wie dass sie ab und zu mal bei einem Freund, meinem Vater (ihr Ersatz-Grossvater sozusagen) oder so übernachten (leider hat weder mein Freund noch seine Ex irgendwelche Verwandte in der Nähe).

Ich überlege gerade, eine Zeit lang auszuziehen um Kraft zu tanken (wie ich im anderen Beitrag geschrieben habe). Hast du das auch einmal in Erwägung gezogen oder gemacht?

Es ist spannend, auch mein Partner überlegt sich, eine neue Stelle zu suchen, wo er 80% arbeiten könnte. Sein Manager-Job plus nun die ganze Erziehung der zwei (sehr pflegebedürftigen und intensiven) Kinder und dann noch ich als Partnerin mit Ansprüchen – das ist ihm alles viel zu viel. Wie geht's deinem Partner denn heute? Hat sich alles etwas entspannt, dadurch, dass er weniger arbeitet?

Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft in dieser Situation und kann uns beiden nur auf die Schultern klopfen, dass wir das mitmachen! :wink:

Ganz liebe Grüsse!
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