Jugendliche und die erste Liebe

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carlotta37
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Jugendliche und die erste Liebe

Beitrag von carlotta37 »

Hallo an alle!

Mal wieder eine Frage abseits vom patchwork....

Meine Grosse ist inzwischen 17 1/2 und besucht die Mittelschule. Vor einem Jahr hat sie sich das erste mal so richtig verliebt. Diese Beziehung ging vor 3 Monaten auf sehr unschöne Weise auseinander. Der junge Mann hat sie auf miese Art schlecht gemacht, öffentlich, im Internet, deutlich sichtbar für das gesamte gemeinsame Umfeld. Unglücklicherweise gehen die beiden in Parallelklassen der gleichen Schule und haben viel Unterricht gemeinsam, einen gemeinsamen Bekanntenkreis etc..Ich war fassungslos, hätte ihm das nie zugetraut, denke aber, er ist einfach extrem unreif und hat selber unterschätzt, was für eine Lawine er da losgetreten hat.
Natürlich haben wir schon etwas unternommen und inzwischen ist auch Ruhe, allerdings hat meine Tochter die Situation kaum ertragen. Sie schämte sich in Grund und Boden - dabei hätte er sich schämen müssen! Sie kann ihm nicht ausweichen, sieht ihn in der Schule täglich. Und es hat ihr ganzes Selbstwertgefühl zerstört.

Zum Glück hat sich bei dieser Geschichte gezeigt, dass ihr Vertrauensverhältnis zu mir sehr gut ist, obwohl wir es ja nicht immer leicht miteinander haben. Nach und nach hat sie sich mir anvertraut. Zunächst dachte ich, der erste Liebeskummer ist immer hart und wird vorbei gehen....aber inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher.
Sie ist in Sommerferien gefahren mit einer Freundin, schreibt mir aber täglich und hat grosses Heimweh. Der Abstand von der Schule scheint nicht zu helfen. Sie isst kaum etwas, wird immer dünner (inzwischen 50 kg bei einer Grösse von 1,75, Kleidergrösse 34 ist schon fast zu gross), weint viel, zieht sich total zurück.
Zuhause versucht sie, vernünftig zu sein. Sie kämpft wirklich! Ging auch mal in den Ausgang, kam weinend zurück. Hat sich zu dem Urlaub entschlossen in der Hoffnung, dass der Abstand ihr hilft (und nun ist sie in Griechenland, 3 Wochen, scheint noch mehr abgenommen zu haben und will nur heim....was aber organisatorisch gar nicht möglich ist....).
Sie hat versucht, zu lernen, aber im letzten Quartal so schlechte Noten geschrieben, dass sie nun provisorisch ist. Und auch jetzt in den Ferien ist ihre grösste Angst, wieder zurück zu müssen in die Schule und ihm zu begegnen.

Sie hat psychologische Hilfe, aber natürlich dauerte es eine Weile, einen guten Platz zu finden. Und sie braucht Zeit, sich zu öffnen. Hat selber das Gefühl, es helfe ihr gar nicht, obwohl sie die Ratschläge der Therapeutin ernst nimmt. Diese ist sich selber auch unsicher, wie schlecht es meiner Tochter wirklich geht. Meinte aber auch, wenn der Urlaub jetzt nicht hilft, müssen wir überlegen, was man tun kann.

Dummerweise ist ein Schulwechsel nicht möglich, da es das Profil meiner Tochter hier im Kanton nur an dieser Schule gibt.
Momentan überlegt sie, ob sie ein Jahr aussetzen möchte und etwas anderes machen: Geld verdienen, Freiwilligenarbeit im Ausland. Grundsätzlich finde ich die Idee nicht schlecht. Sie hat einen Schulabschluss von der Sekundarschule und hätte nun noch zwei Jahre zur Matura. Eigentlich wollte sie danach ein soziales Jahr machen, da sie möglicherweise Sozialarbeit studieren will.

Aber ich weiss auch, dass man vor seinen Problemen nicht davon läuft. Die wird sie auch bis ans andere Ende der Welt mitnehmen....und soziale Arbeit als Freiwillige kann hart sein. Das unterschätzt sie vielleicht. Um ihr Selbstbewusstsein zu stärken, bräuchte sie aber einen Erfolg und kein Scheitern mehr (oder das, was sie dafür halten würde....). Ausserdem frage ich mich, ob sie in die Schulsituation und das Lernen zurück findet nach einer solchen Unterbrechung. Und eigentlich war ihr diese Schule sehr wichtig.....und ihr Abschluss auch....Eine Auszeit hiesse auch, sich danach völlig neu in eine neue Klasse zu integrieren, während ihre ehemaligen Kolleginnen schon in der Matura sind.

Habt Ihr Erfahrungen oder Gedankenanstösse für mich? Wie viel Liebeskummer ist normal? Was tun wenn eine Jugendliche von einer solchen Erfahrung völlig aus der Bahn geworfen wird?

Also an alle Mütter/Stiefmütter mit Töchtern ;-) Danke!
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BabyOne
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Re: Jugendliche und die erste Liebe

Beitrag von BabyOne »

Hallo Carlotta,

viel Erfahrung habe ich da nicht. Ich kann Dir nur unsortiert meine Gedanken zur Verfügung stellen.

Ich frage mich, unter was sie eigentlich mehr leidet - unter der Trennung oder unter der Bloßstellung im Freundeskreis. In dem Alter sind Freunde ja extrem wichtig. Hatte diese Sache auch Auswirkungen auf ihren sonstigen Freundeskreis, hat sich da jemand von ihr zurückgezogen? Oder sie? In dem Fall könnte ich verstehen dass sie immer noch leidet, weil sie sich sozusagen immer noch geächtet fühlt. Vielleicht könnten ihr Freunde helfen, indem sie ihr zeigen, dass ihre Befürchtungen gar nicht berechtigt sind.

Nachdem der Junge sie wohl bloßgestellt hat, frage ich mich, in wie weit er sich danach entschuldigt hat oder versucht hat wieder gutzumachen was er angerichtet hat. Vielleicht kann man da ansetzen - so etwas wie eine Mediation, Täter-Opfer-Ausgleich oder wie man das nennen will. Vielleicht würde ihr so etwas helfen mit der Sache abzuschließen.
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Nin
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Re: Jugendliche und die erste Liebe

Beitrag von Nin »

Liebe Carlotta,

wir haben bei uns in der Schule in schwierigen Fällen von Konflikten eine Art Protokoll, um zu versuchen, die Situation zu entschärfen. Die beiden Konfliktparteien müssen sich dabei viermal treffen. Jedes Treffen dauert ungefähr eine halbe bis ganze Stunde.

Erstes Treffen: Eingeständnis der kompromisslosen Wahrheit (hier geht es vor allem darum, dass der Täter, denn es gibt immer mindestens einen, vor einem Zeugen (anwesender Dekan oder Lehrer, jedenfalls eine "neutrale" Person, eingesteht, etwas Schlimmes getan zu haben. Auf Seiten des Täters handelt es sich um ein symbolische Opfer in Form eines Schuldeingeständnisses, auf Seiten des Opfers eine Anerkennung des Schmerzes)
Zweites Treffen. Neudefinition der Rollen (Es geht darum zu definieren, wie man in Zukunft miteinander umgeht, welche Rolle man jetzt füreinander spielt)
Drittes Treffen: Akzeptanz unvollständiger Gerechtigkeit (beide Parteien müssen annehmen, dass es keine Lösung gibt, in der nur eine Recht hat, in der das Unrecht komplett repariert wird)
Viertes Treffen: Symbolischer Akt, um die neue Beziehung zu besiegeln. (Das kann in Form des Unterschreibens eines Briefes, den eventuell die Eltern bekommen, eines gemeinsamen Ganges über den Schulhof oder einer Information in der Klasse der Fall sein - es hängt davon ab, wie öffentlich der Vorfall war.)

Vielleicht helfen dir die Ideen darin.

Wenn du befürchtest, deine Tochter könnte in die Anorexie abdriften, nimm das sehr ernst! (So hart das klingt, aber kontrolliere ihren Computer auf pro-Ana Websites!!!) Anorexie ist ein Biest, lebenslang schwer in den Griff zu kriegen und etwas, was Lebensqualität vergiftet. Meine beste Freundin war schwer anorektisch (kurz vor Zwangseinweisung ins Krankenhaus) und wir sind in den letzten 25 Jahren durch die verschiedensten Therapieinstanzen durchgegangen. Ich hatte auch schon mehrere Schülerinnen in Grenzsituationen oder sogar schweren Anorexiesituationen. Wenn ihr Ex in den Aussagen öffentlicher Blossstellung ihr Aussehen angegriffen hat (sie zum Beispiel dick genannt hat), kann das die Situation verschlimmern. Und wenn die Beziehung zum Vater schwierig ist, ist, soweit ich das weiss, das Anorexierisiko sowieso leicht erhöht.

Manchmal hilft Gegenaggressivität, auch, wenn man dazu nicht raten soll. Dem jungen Mann eine knallen... Öffentlich auf dem Schulhof mit einem neuen Freund knutschen, der aussieht wie ein Mannequin.... (auch, wenn die Beziehung nicht echt ist, es geht darum, Eindruck zu schinden) Das ist nicht so meine Art, aber es hilft manchen Schülern enorm.

Für manche Schüler wirkt ein Jahr weg sein Wunder. Ein Schüler, den ich dieses Jahr hatte, und den ich SEHR mochte, war ein Jahr als Au-Pair-Junge in Bern. Hat auch seinem Deutsch gut getan. Ein Welschlandjahr als Au-Pair kann eine Lösung sein, weil deine Tochter dann nicht so weit weg ist, übers Wochenende nach Hause kann und ein bisschen Geld verdient (gut fürs Ego) und gleichzeitig nicht so belastend wie soziale Arbeit. Gibt es andere Erwachsene, die deiner Tochter nah stehen? Vorletztes Jahr litt eine meine Schülerinnen an einer schweren Depression und ich hatte die Nummer ihrer Psychiaterin... als Alternative, wenn sie nicht wollte, dass die Mutter belastet wird.

Von meiner Stieftochter und wie es jetzt so geht, erzähl ich auch gerne mal...
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
carlotta37
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Re: Jugendliche und die erste Liebe

Beitrag von carlotta37 »

Danke, BabyOne und Nin!

Meine Tochter wollte um jeden Preis vermeiden, dass die Angelegenheit in der Schule noch mehr thematisiert wird und es damit noch mehr Wellen schlägt. Ich habe allerdings mit der Klassenlehrerin gesprochen. Wir haben dann gemeinsam beschlossen, dass wir die Sache ruhen lassen, vorausgesetzt es fällt nichts weiter vor. Das war dann auch der Fall....(Nin, der Typ hat sich über ihr Äusseres lustig gemacht, allerdings weil sie zu dünn sei....).

Es ist momentan schwierig, etwas zu unternehmen, da Ferien sind, meine Tochter weit weg. Ich kriege ihr Leiden nur per whatsapp und skype mit....sie ist gefahren mit der Hoffnung, dass es besser wird. Diese Hoffnung hatte auch die Psychologin. Aber offenbar trifft das bisher nicht zu.
Vor den Ferien war von einer leichten Depression die Rede, die man beobachten muss und behandeln falls es schlimmer wird. Nin, weisst Du, ob Deine Schülerin Medikamente genommen hat? Ich finde die Vorstellung beängstigend....so etwas mit nicht ganz 18 durchzumachen...

Gestern Abend haben wir geskypt und meine Tochter sagt, dass eine Auszeit eine Notlösung ist. Sie will sich von ihm nicht vertreiben lassen und sie will ihre Matura machen. Sie weiss bloss nicht, wie sie das schaffen soll....so sehr sie sich bemüht und kämpft, es gelingt ihr nicht....Eine Auszeit empfände sie auch als Niederlage.
Ich hoffe, sie packt es!

Die Mutter ihrer Freundin schrieb mir, dass sie regelmässig isst, wenn auch wenig....aber sie versucht es und hat wohl klar gesagt, sie wisse, wie gefährlich die Situation sei einer Magersucht und wolle das nicht....

Das ist fast immer ein wenig das Problem: sie äussert sich extrem vernünftig, macht sich viele Gedanken. Aber ob sie das auch umsetzen kann, ist eine andere Frage....und das spürt sie und hat Angst davor.
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Nin
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Re: Jugendliche und die erste Liebe

Beitrag von Nin »

Carlotta, meine Schülerin galt zeitweise geradezu als selbstmordgefährdet und hat recht schwere Antidepressive bekommen. Ich erzähle dir gerne mehr, aber nicht öffentlich, sag mir, wenn es dich interessiert.

Sie studiert jetzt Jura und ist ohne Medikamente stabil.

Über die Ferien gibt es vielleicht doch die Möglichkeit für deine Tochter, sich Strategien darüber auszudenken, wie sie dem Typ angstfrei begegnen kann - oder zumindest so tun kann, als ob. Sicherlich gibt es auch die Frage, was dahinter steht, dass es sie so umhaut, aber erstmal geht es darum, dass sie in die Schule gehen kann. Vielleicht nur, damit es klar ist, wie schwer es ist, sich von solchen Bemerkungen zu befreien: Ich bin erwachsen und eine völlig normale Person - aber ich kann mit meinem Stiefsohn (und in gewissem Masse auch mit meinem Ex) bis heute nicht wirklich angstfrei im gleichen Raum allein sein.
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katzundmaus
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Re: Jugendliche und die erste Liebe

Beitrag von katzundmaus »

Liebe Carlotta 37,

als erstes Wünsche ich dir und deiner Tochter ganz viel Kraft, diese Situation zu bewältigen. Sie spürt deine Rückendeckung und deine Liebe. Dies wird ihr die Kraft geben, gegen ihre eigenen Dämonen zu kämpfen.

Auch wenn ich Erfahrung habe, eigene, mit grossem fast nicht mehr auszuhaltendem Liebeskummer, kann ich dir keinen Tipp geben ausser:

Gib du die Hoffnung für deine Tochter und eine positive Entwicklung nicht auf! Sie wird deine Kraft und dein Denken und dein in die Zukunft blicken brauchen. Sprecht von der Zukunft, was sie erreichen möchte, wo sie stehen könnte in 10 Jahren? So habe ich mich damals aus der Situation gerettet. Und auch mit Rachegedanken. Die ich mir im Geiste so schön ausgemalt habe, dass es eine Wohltat war....

Die Mutterliebe dem Kind (auch wenn es fast Erwachsen ist) zu zeigen ist die Medizin für das Herz. Ihre Freunde sind wichtig, aber du bleibst der Wichtigste Mensch. In dem Sinn, für dich alle Kraft die ihr nun braucht!
von Herzen
Patchworkerin nun seid 4 Jahren und 2x2 Kindern :D
Buchenholz
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Re: Jugendliche und die erste Liebe

Beitrag von Buchenholz »

Hallo Carlotta

Ich glaube, es war das 2. Gymi-Jahr, in dem meine Tochter ins Burnout rutschte. Es äusserte sich bei ihr in starker Müdigkeit und Heulattacken. Ich musste sie des Öfteren in der Schule abholen, da sie vom Heulen ganz erschöpft war und sich mit dem aufgeschwollenen Gesicht nicht mehr in die Klasse zurück traute.

Sie hatte langsam so viele Absenzen, dass ihr ein Rausschmiss drohte. Wir haben dann auch versch. Szenarien besprochen. 1 Jahr Auszeit kam von Tochter her nicht in Frage, da sie nicht mal wusste, was sie denn da machen sollte.
Mein Ex-Mann war der Meinung, sie sei mit der Schule überfordert, sie solle doch besser eine Lehre machen und hat schon Beziehungen spielen lassen, damit sie ev. gleich wechseln konnte, obwohl die Lehren bereits angefangen haben.
Wir waren entsetzt und zum Glück hat mein Partner interveniert, denn er war sich sicher, dass dies der falsche Weg wäre. Tochter ist zum Studieren geboren und wäre in einer Lehre unterfordert und endgültig abgestürzt.

Mein Ex-Mann hat dann mit der Schulleitung gesprochen und Tochter wurde von gewissen Fächern dispensiert. Normalerweise ist die Schule nicht so kulant. Sie schätzen aber unsere Tochter sehr, weil sie ja nicht aus Faulheit schwänzt sondern sehr interessiert und für die Lehrer eine spannende Schülerin ist.
Ich fand für sie einen Coach, der eigentlich keine Jugendliche behandelt und nicht so recht wusste, wie er jetzt Tochter helfen sollte. Es hat ihr dann aber gut getan, dass er sie wie eine Erwachsene behandelte.
Als Gründe fürs Burnout wurden Überforderung genannt. Wir Eltern würden sie zu wenig unterstützen, sie müsse eher für uns Verantwortung übernehme. Als Lösung müsse sie ausziehen; wir Eltern sollten ihr eine Wohnung finanzieren. Ich wehrte mich dagegen, weil dies nur eine Flucht wäre. Und die Wohnung als Liebesnest mit ihrem Freund missbraucht würde.
Sie hatte einen ganz herzigen Freund, der ihr gut tat. Sie war ihm intellektuell überlegen und sie fühlte sich geschmeichelt.

Irgendwann provozierte sie der Coach und meinte, sie wolle ja gar keine Veränderung und sie würde ihre Karriere eh nie schaffen, dazu sei viel zu faul oder gleichgültig. Und das beleidigte sie dermassen, dass wie auf ein Schlag ihre Motivation zurück kehrte.

Inzwischen ist viel Zeit vergangen. Der Freund wurde langweilig und anstrengend und hatte keine Karriereambitionen. Sie fand einen neuen Freund, der sie intellektuell herausforderte und sie so endgültig aus der Depression weckte.
Sie bekam richtig Freude am Leben und an der Schule. Man wählte sie, ihrer Empathie wegen zur Klassensprecherin und schätze ihr Engagement, die Klasse zusammen zu halten.

Rückblickend weiss sie, was zu diesem Absturz führte. Ich habe es glaubs schon mal beschrieben.
Sie war immer das angepasste Kind. Früher einfach, weil sie eher schüchtern war. Aber dann kam die Stiefmutter dazu und machte sie zum Schneewittchen. Sie wehrte sich nicht, weil sie das Liebesglück des Vaters nicht stören wollte. Sie wollte doch einfach vom Vater geliebt werden. Als sie im Konflager ihre Persönlichkeitsentwicklung analysierten merkte sie, wie völlig falsch das alles gegangen war. Als sie all den Mut zusammen nahm und das mit der Stiefmutter und ihrem Vater thematisieren wollte, erfuhr sie, dass ihr Vater ein Burnout hatte und man jetzt auf ihn Rücksicht nehmen müssen. Und wieder musste sie ihre Gefühle hinten anstellen.
Irgendwie durfte sie einfach nicht pubertieren. Die kam dann verzögert, kurz aber heftig. Sie hatte von der Pubertät ein Burnout.
Sie sagt, was sie am meisten schmerzte, das war, dass ihr so sehr geliebte Vater nicht hinter ihr stand. Sie kämpfte eigentlich die ganze Zeit um seine Liebe, seine Aufmerksamkeit, seine Anerkennung. Aber da war die Stiefmutter, welche ihren Platz einnahm. Dann kam die kleine Schwester. Immer war jemand wichtiger.
Und es würde mich nicht erstaunen, wenn sich noch eine weitere Ursache herausstellen würde.

Bei deiner Tochter vermute ich auch einen ganz anderen Auslöser oder eine Mischung aus vielem.
Zuerst ist da der Vater, der sie als Frau nicht achtet.
Dann dein Ex-Partner, der sein Leben nicht mit den Kindern teilen wollte. Deutlicher kann man dem Mädchen ja nicht mitteilen, dass sie stört.
Und jetzt erfährt sie durch diesen jungen Mann, dass sie nicht o.k. ist.

Sie fühlt sich als Opfer, schämt sich. Es gilt jetzt sie darin zu stärken, dass die gemachte Erfahrung eine Bereicherung in ihrem Leben ist. Was sie nicht umbringt macht sie stark.
Wenn sie der Schule fernbleibt, dann gibt sie dem anderen Mann die Bestätigung, dass er gewonnen hat. Sie soll aber als Siegerin über den Platz gehen. Ev. kann sie dieses Thema zur Maturarbeit machen.

Interessante Erkenntnis bei meiner Tochter.
Mein Ex-Mann und ich verfielen ganz in die Mitleidswelle und wollten Tochter vor allem verschonen. Mein Partner gar nicht. Er vermutete, dass das Mädchen die Mimöschentour angeht. Er hat sie die ganze Zeit herausgefordert. Intellektuell und körperlich. Sie brauche doch Erfolgserlebnisse und die hat sie nicht, wenn wir zusammen im Heulmodus verfallen.
Rückblickend übernahm er auch die provozierende Rolle wie der Coach. Und Tochter dankt es ihm heute, dass er gegen die Version Lehre war.
Aber wenn man mittendrin steckt, dann ist es wirklich schwierig, heraus zu finden, welches der richtige Weg ist. Tochter war nämlich nicht intellektuell überfordert sondern einfach psychisch erschöpft.

Und wenn du bei deiner Tochter nach Liebeskummer fragst, dann ist es eher Liebeskummer zwischen ihr und ihrem Vater.
carlotta37
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Re: Jugendliche und die erste Liebe

Beitrag von carlotta37 »

Hallo alle!

Ein dreiviertel Jahr später möchte ich nochmal berichten, wie die Geschichte damals weitergegangen ist.....

Meine Tochter kam aus den Sommerferien zurück und war tatsächlich gefährdet, sich etwas anzutun. Sie war in einem fürchterlichen Zustand...und bekam zum Glück bald einen Patz in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie (nicht selbstverständlich, mit fast 18 hätte sie auch bei den Erwachsenen landen können). Diese Zeit hat sie intensiv für sich genutzt, hat sehr gekämpft, viel gute Hilfe bekommen und sich langsam wieder zurück ins Leben gearbeitet.
Es war natürlich für die ganze Familie eine extrem aufwühlende Zeit, viele Familiengespräche, viele Tränen auf allen Seiten. Sehr vehement hatte sie den Wunsch, ihre Schulzeit an einem anderen Ort zu beenden und zuhause auszuziehen. Aber realisierbare Lösungen zu finden, war schwierig und während der Klinikzeit auch noch zu früh, so belastbar war sie noch nicht.

Während der Zeit in der Klinik gab es für uns alle viel Hilfe. Aber mit der Entlassung begann ein halbes Jahr, das ich so nie mehr erleben möchte....Da steht man plötzlich völlig allein da. Die Schule bot keine Unterstützung, war eigentlich wohl heimlich froh, das Problem abzuschieben und meine Tochter konnte und wollte nicht zurückkehren oder gar dort ein Jahr wiederholen. Also war sie zuhause. Ohne Tagesstruktur. Zwar weiterhin mit psychologischer Begleitung, aber inzwischen 18, also wurde ich nicht mehr einbezogen, war ja aber doch ihre Bezugsperson zuhause. Erst war sie optimisisch, hat nach einem Job/Praktikum gesucht, aber im Grossraum ZH ist das nicht so einfach, vor allem nicht so spontan. Dann hat sie entschieden, eine Ausbildung zu machen, aber in ihrem gewählten Beruf waren alle guten Lehrstellen schon vergeben vor Weihnachten...als sie noch in der Klinik war....

Ich habe versucht, weiterhin voll zu arbeiten...die Brüder gingen zur Schule....aber das Leben mit einer jungen Erwachsenen, die keine Beschäftigung und keine Struktur hat, nur gegen ihr Umfeld protestiert und ihre Unzufriedenheit an allen auslässt, war fast unererträglich, eine Perspektive nicht in Sicht. Verschiedene Beratungsstellen, an die sie und auch ich uns gewandt haben, wussten alle im Grunde keinen Rat der widersprachen sich gegenseitig. Und für mich war es ein Spagat: wie weit eingreifen und konkret helfen und wie weit sie ihren eigenen Weg gehen lassen mit 18? Letzteres ist eigentlich logisch und richtig...aber die Auswirkungen davon im Alltag muss ja die ganze Familie ertragen. Und da hilft alles Verständnis nicht: natürlich ist es vor allem für sie schwierig gewesen! Sie hat alles versucht, sich wirklich engagiert, aber immer mehr die Hoffnung verloren....ich bewundere sogar, dass sie nicht wieder in die Depression gefallen ist!

Aber schliesslich wurdedie Situation für uns alle so belastend, dass ich bei der Arbeit immer mehr Fehler gemacht habe. Es kamen noch ein paar Ereignisse von aussen dazu und ich konnte selber nicht mehr. Zum Glück habe ich es reichtzeitig erkannt und mich 6 Wochen krank schreiben lassen. Eine Atempause, aber auch die Zeit, in aller Ruhe mit meiner Tochter gemeinsam die Situation anzuschauen und nach Perspektiven zu suchen.

Im Nachhinein finde ich es von all den Beratungsstellen eine schwache Leistung: ich habe eine Woche gebraucht, um mit ihr einen Plan A bis F zu erarbeiten, die alle hätten funktionieren können. Die Beratungsstellen hatten keine einzige Idee und ihre Psychologin hat immer nur bei der aktuellen Alltagsbewältigung unterstützt, ohne aber ihr Umfeld einzubeziehen. Ja, batürlich, ich hätte mich zurückhalten können, sie ist volljährig, es ist ihr Leben. Aber sie hatte eben irgendwann die Kraft nicht mehr und auch nicht das Wissen, wie man an bestimmte Informationen kommt bzw was die Voraussetzungen für die Umsetzung von vielen schönen Ideen sind. Letztlich war es gut, dass ich sie unterstützen konnte...und vor allem, war es ihre Entscheidung. Es hat uns enorm zusammengeschweisst, wir haben bei Plan A bis F so viel gelacht wie lange nicht mehr und waren beide total erleichtert.

Konkret wurde dann aber Plan X :D Der ergab sich zufällig....manchmal gehen plötzlich Türen auf.
Sie wollte sich in der alten Heimat in DE um Lehrstellen bewerben, war dort und besuchte ihre alte Schule, ihre alte Klasse Eine Gesamtschule, deswegen traf sie dort teils noch auf Kinder, mit denen sie damals im Kindergarten und er Unterstufe zusammen war. Die Lehrer muss sie wohl überzeugt haben, man bot ihr die Aufnahme an der Schule an und die Möglichkeit, in einem Jahr ihr Abitur zu machen. Das war für sie der Durchbruch. Meine Eltern geben ihr eine Wohnmöglichkeit, nicht ganz einfach, da mein Vater grosse gesundheitliche Probleme hat. Aber es schreckt sie nicht. Sie hat voll zugepackt, ist vor 4 Woche umgezogen, hatte einen gelungenen Einstieg in die Schule, beisst sich durch. Und plant sehr bedacht die nächsten Schritte, weiss ganz genau, wann sie sich wo bewerben muss um Studienplätze bzw. an der höheren Fachschule. Berufswunsch ist mit einer sehr grossen Sicherheit von ihrer Seite geklärt, der genaue Weg dahin wird sich zeigen, sie kennt die Möglichkeiten. Sie ist enorm selbständig geworden :D

Plötzlich erscheint das Zuhause hier als Paradies, sie hat manchmal Heimweh, aber zweifelt nicht an ihrem Weg. Hält viel Kontakt. Hat einen Nebenjob nach der Schule. Bucht sich am Wochenende einen Flug heim, wenn sie es nicht mehr aushält. Die ganze Sicht auf der Leben ist realistischer geworden. Ob sie nach dem Abitur zurückkommen wird, werden wir sehen...abhängig von den Perspektiven dort und hier...

Ja, so schnell kann es gehen....die Älteste ist aus dem Haus! Ich hoffe, bei den beiden anderen geht es mit etwas weniger Drama :oops:

Mir geht es inzwischen wieder gut, ich habe mein Pensum reduziert, auch wenn das finanziell sehr ärgerlich ist. Aber langsam sammle ich wieder Kraft und habe das Gefühl, es bleibt ganz gelegentlich eine freie halbe Stunde, nur für mich....Freiraum, langsam neue Perspektiven zu entwickeln....

Ihre Brüder und ich vermissen sie im Alltag, aber andererseits ist es so erleichternd, dass es ihr gut geht und sie nicht hier perspektivlos den Tag im Bett verbringt....! Es kehrt auch zuhause Ruhe ein. Die Geschwister halten engen Kontakt. Und im Sommer besuchen sie das erste mal alle drei ihren Vater in Afrika. Auf ihren drängenden Wunsch hin, haben er und ich entschieden, dass ich sie 10 Tage begleite. Auch er, der Vater, musste wirklich viel lernen, die Situation unserer Tochter zu akzeptieren. In der Klinik wurde er per skype einbezogen in die Therapie.....und er war bereit dazu!
Es wird etwas abenteuerlich, aber ich denke, die Scheidung liegt 14 Jahre zurück, die Kinder sind alt genug, sich keine Illusionen zu machen und er und ich scheinen einen Weg miteinander gefunden zu haben als Eltern. In seiner Familie bin ich als Mutter der gemeinsamen Kinder respektiert und willkommen. Etwas ungewöhnlich vielleicht....aber ehrlich gesagt, ich freue mich darauf! Und irgendwie müssen wir vielleicht trotz Scheidug all diese Ereignisse mal zu einem wirklich versöhnliche Ende bringen und uns gemeinsam darüber freuen.

Sorry, das war lang....
Aber in dem Sinne: es kommt eben immer total anders, als man denkt im Leben....
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Re: Jugendliche und die erste Liebe

Beitrag von BabyOne »

Hallo Carlotta,

ich lese ja hier nun schon seit Jahren mit, aber Deine Tochter schafft es immer wieder, mich zu überraschen :-)

Scherz beiseite, ich freue mich, dass nach den schweren Zeiten jetzt bessere Zeiten zu kommen scheinen mit weniger Auseinandersetzungen und mehr Kooperation. Schön, dass Du von den neuen Entwicklungen erzählt hast.
Patch von 2002/2003 bis 2017
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Re: Jugendliche und die erste Liebe

Beitrag von Nin »

Liebe Carlotta, wie schön von dir zu hören! Ich bin froh, dass es deiner Tochter wieder besser geht und ihr einen Weg gefunden habt. Ich hoffe, es bliebt für euch alle so.

Viel Glück für den Sommer - da müssen wirklich alle über ihren Schatten springen.
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Re: Jugendliche und die erste Liebe

Beitrag von Ria »

Liebe Carlotte
Ich freue mich mit euch und drücke weiter die Daumen!
Lieber Gruss
Ria
Seit 27 Jahren Patchworkfamilienfrau und Coach für solche :-)
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Re: Jugendliche und die erste Liebe

Beitrag von Babell »

Hallo Carlotta

Da hattet ihr ja eine schwere Zeit! Die gilt es ja noch zu verarbeiten, auch wenn es jetzt vorbei ist. Das Happy End hilft Euch dabei, kraftvoll und zuversichtlich nach vorne zu blicken!

Viel Glück beim Versöhnungsbesuch mit dem Papa!
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