Migrosmagazin
Verliebt, verlobt – und plötzlich Stiefvater. Oder Stiefmutter. Gut, wenn man weiss, wie man in diese Rolle hineinwachsen kann. Und was man von Gesetzes wegen darf und muss.
Text Angela Cadruvi Illustration Till Lauer
«Du hast mir nichts zu sagen; du bist nicht mein Vater». Diesen Satz hört Pius Z. immer wieder. Der 45-Jährige hat seine Partnerin Doris geheiratet – und ist jetzt Stiefvater von Vanessa (15). Nun geht es darum, dass alle Beteiligten im Alltag miteinander klarkommen – und darum, dass Pius Z. seine Rechte und Pflichten kennt. Darf er zum Beispiel seiner Stieftochter den Ausgang nach Mitternacht verbieten, wenn die Mutter grad nicht zu Hause ist? Dazu Carola Gruenberg, Rechtsanwältin und Leiterin Fachstelle Regionale Rechtsdienste beim Amt für Jugend und Berufsberatung Kanton Zürich: «Wenn die Mutter nicht selber entscheiden kann, hat der Stiefvater* die Befugnis, der Tochter Grenzen zu setzen – so, wie es im Sinne der mütterlichen Erziehungshaltung ist.»
Ein Stiefelternteil sollte also die Werte und Regeln der leiblichen Eltern kennen und sich als Stellvertretender an den Willen der Partnerin oder des Partners halten. Gruenberg stellt klar: «Es besteht zwischen dem Stiefelternteil und den Stiefkindern kein sogenanntes rechtliches Kindsverhältnis.» Ein Stiefvater wie Pius Z. ist aber befugt und verpflichtet, seine Partnerin Doris in ihrer elterlichen Verantwortung zu unterstützen. Das ist im Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt.
Darf ein Stiefvater also auch ein Schulzeugnis unterschreiben? Carola Gruenberg erklärt: «Wenn das Kind das Zeugnis oder eine Prüfungsnote unterschrieben in die Schule mitbringen muss und die Mutter etwa auf Geschäftsreise ist, dann ja.» Allerdings müsse der Stiefvater sein Handeln mit der Mutter absprechen oder – wenn dies nicht möglich sei - es ihr nach der Rückkehr mitteilen. Auch hier muss sich der Stiefvater von den Erziehungsprinzipien der Mutter leiten lassen.
Und was, wenn im erwähnten Beispiel der leibliche Vater von Vanessa nicht mit Pius' Entscheid einverstanden ist? Falls Vanessas Eltern über die gemeinsame elterliche Sorge verfügen, kann die Mutter grundsätzlich über alltägliche und dringliche Fragen alleine entscheiden, wenn Vanessa bei ihr ist. Oder eben ihr neuer Partner, Vanessas Stiefvater. Dabei geht man allerdings davon aus, dass alle zum Wohl des Kindes möglichst einvernehmlich zusammenwirken: leibliche Eltern mit gemeinsamer Sorge und Stiefelternteil(e).
Das ZGB klärt auch die finanzielle Verantwortung eines Stiefelternteils: Zwar haben die Eltern im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Unterhalt des gemeinsamen Kindes zu decken. Wenn das nicht ausreicht, hat der Stiefelternteil zum Unterhalt beizutragen. Das Kind kann ihn jedoch nicht auf Unterhalt einklagen. Auch ist das Stiefkind nicht erbberechtigt. Erst mit einer Adoption entsteht ein rechtliches Kindsverhältnis und eine Erbberechtigung.
*für Stiefmütter gilt das Gleiche
Hilfe für den Alltag mit Stiefkindern
•Zeige Neugier, Ausdauer und Geduld beim Beziehungsaufbau
•Gemeinsame Erlebnisse, Rituale und Emotionen führen zu einer gemeinsamen Geschichte, in der sich dein Platz festigt
•Kläre deine Rolle: Du bist Stiefvater oder Stiefmutter – und nicht Vater oder Mutter
•Verhalte dich dem Kind, der Familiengeschichte und den leiblichen Eltern gegenüber neutral und respektvoll
•Zeige Interesse am Leben deines Stiefkindes
•Versuche, auch mal mit dem Stiefkind zu zweit etwas zu unternehmen
•Hole dir Hilfe bei einer Fachstelle, wenn du spürst, dass du und das Stiefkind nicht klarkommen
Weitere Infos
• Medizinische, praktische und rechtliche Tipps für Familien: www.swissmom.ch
• Die Kinder- und Jugendhilfezentren des Kantons Zürich (kjz) beraten Eltern bei Fragen zur Erziehung ihrer Kinder und zum Familienalltag.
Buchtipp: «Das Patchwork-Buch – Wie zwei Familien zusammenwachsen». Von Claudia Starke, Thomas Hess, Nadja Belviso, Beltz, 2015. Geschichte einer Patchworkfamilie, Erklärungen und Lösungen aus therapeutischer Sicht, Empfehlungen für den Alltag. Fr. 19.90 bei Ex Libris
• Je nach Kanton können auch zuständig sein: Schul- und Erziehungsberatung, Mütter- und Väterberatung oder das Jugendsekretariat
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Ria Eugster, Patchworkcoach
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