So unmännlich

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Nermin
Beiträge: 3
Registriert: 03.10.2006 18:47

So unmännlich

Beitrag von Nermin »

Hallo, ich bin neu und will mal gleich mit einem kleinen Problem starten ;)

Ich habe drei erwachsene Kinder (war immer alleinerziehend) und nehme zurzeit von meinem jüngsten Kind (20 Jahre) Abschied, da sie wegen ihres Studiums wegzieht. Ich habe aus meiner Sicht eine nahe und liebevoll-herzliche Beziehung zu meinen Kindern. Mittlerweile, nachdem ich 10 Jahre lang die Pubertät meiner 3 miterlitten, -erlebt und ausgehalten habe. Dabei bin ich schon am Stock gegangen. Aber es hat sich so gelohnt, da wir uns heute gut verstehen.

Seit 5 Jahren habe ich einen Freund, der seit einem Jahr mit mir und meiner Tochter zusammen wohnt. Mein Freund mag meine jüngste Tochter, sie ist ihm wie eine eigene geworden. Das ist ein schönes, unbekannt-wundersames Gefühl! Manchmal streiten wir uns, wie richtige "Eltern", auch ein sehr ungewohntes Gefühl, da ich doch sonst alleine der Regisseur meiner Familie war. Aber auch immer öfter ein Scheiß-Gefühl, aber darauf komme ich noch weiter unten im Text.

Mein Freund hat auch 2 Kinder (mit 2 verschiedenen Frauen), beide wachsen an verschiedenen Orten in großen Patchworkfamilien auf und haben dort eine Reihe von weiteren Halbgeschwistern.

Mein Freund hat, und das ist mein Problem, wenig Kontakt zu seinen Kindern und ich habe eigentlich gar keinen zu seiner Brut. Seine Tochter, jetzt 20 Jahre alt, habe ich den 5 Jahren maximal 4 mal gesehen, auf kurzen Stippvisiten oder weil sie mit uns zu ihrer Großmutter fahren wollte. Sein Sohn ist 14 und ist in den ganzen 5 Jahren in unregelmäßigen Abständen, so, wie es seinem Sohn in den Zeitplan passt, bei seinem Vater bzw. seit einem Jahr bei uns. Bei diesen Besuchen ist mein Freund sehr ängstlich. Er versucht, es seinem Sohn in jeder Weise Recht zu machen, hat große Ängste, dass es seinem Jüngsten nicht bei ihm gefällt und passt sich seinen Bedürfnissen vollständig an. Ich habe immer das Gefühl, dass ich bei den ganzen Aktivities nicht dabei sein soll. Sein Sohn formuliert dies auch. Da mein Freund ihm jeden Wunsch erfüllt, fühle ich mich fehl am Platz und nutze die Besuchswochenende für mich, besuche Freunde etc.
Ich bin aber innerlich so wütend, dass mein Freund so ängstlich gegenüber seinen Kindern ist. Sie machen mit ihm, was sie wollen, da er dieses ja auch von ihnen erwartet. Ich glaube, dass er das macht, weil er Angst hat, sie zu verlieren. (Wir sprachen darüber, diese Interpretation ist ihm fremd. Er weiß nicht, warum er so ängstlich ist, wahrscheinlich sein blinder Wahrnehmungsfleck, sagt er selbst.) Er hat, so wenigstens meine Wahrnehmung, keine innere, tiefere Beziehung zu seinen Kindern, aus meiner Sicht in Folge des übervorsichtigen, wie fremd-Miteinander-Umgehens. Er fordert nichts von seinen Kindern, er setzt keine Grenzen, er wagt es nicht, Erwartungen zu haben, er hat keine Konflikte mit ihnen... Grrr.
Dabei verliere ich mittlerweile die Achtung vor meinem Freund. Er kommt mir weicheiig vor, unmännlich. Eigentlich ist es seine Sache, wie er mit seinen Kindern umgeht. Ich sollte weggucken, weggehen. Mir jeden Kommentar sparen. Aber er geht mittlerweile auch so mit meiner Tochter um, ergreift Partei, versteht mein Handeln nicht, wenn ich meiner Tochter gegenüber Grenzen setzen muss. Und es kommt vor, dass ich denke, dass Erziehen besser alleine ist...
Kennt einer da draußen solche Situationen? Wie krieg ich wieder Achtung vor meinem Freund?
Anita

Beitrag von Anita »

hallo nermin

beim lesen deiner zeilen fällt mir sofort auf, dass du einiges an wissen über kommunikation und persönliche wahrnehmung weisst....
ist manchmal gar nicht so einfach - zu wissen - und doch ja eine wunderbare chance, auch daran zu arbeiten :wink:

ich denke du hast also ganz gut erkannt, dass es nicht um den umstand geht, wie dein partner den umgang zu seinen kindern pflegt, sondern um dein gefühl dabei, wenn er so macht wie er es macht.

trotzdem gehe ich schnell auf den umgang ein.
verstehe sehr gut, was dich daran stört - habs auch so erlebt bei meinem mann und seinen jungs.
viele gespräche haben mich aber überzeugt, dass ein wochenendvater LEIDER wenig bis gar keine erziehungsaufgaben übernehmen kann. so macht es auch kaum sinn, sich auf erziehung zu konzentrieren an den besuchstagen.
viel mehr ist beziehung angesagt :!:
was ich aber sehr entscheidend finde ist das alter der kinder. die meisten erziehungseinflüsse sind bereits durch.
der 14-jährige meines mannes ist übrigens auch gerade sehr besitzergreifend und hätte papi am liebsten total für sich alleine :wink:
"männergespräche" halt :D

du forderst grenzen. du forderst konflikte. du forderst erwartungen.
warum forderst du diese?
die kinder sind erwachsen oder praktisch erwachsen. deine tochter ist erwachsen.

ich habe gelernt, dass ICH loslassen muss. der anfang deiner geschichte beginnt mit dem abschied nehmen deines jüngsten, als ob du schon spürst, dass es darauf hinaus läuft :) ...
meine seite als mutter die 100% um ihre kinder ist, ist eine ganz andere als die eines wochenendvaters oder die in einer wohngemeinschaft mit erwachsenen kindern.
ich habe los gelassen, zu erwarten. ich habe überdenkt und mich ihn meinen partner versetzt, der nämlich nur eines will - geniessen. seine kinder geniessen. beziehung zu geniessen.
inzwischen gönne ich ihm diese möglichkeit und ziehe mich gerne zurück, wenn die männer unter sich sein wollen.

grenzen lebe ich vor. meine werte lebe ich vor. genauso tut es auch mein mann. für seine wochenendkinder in der form, für die gemeinsamen auch in form von erziehung.

ich habe achtung vor meinem mann, der sich das rausnimmt und sich auf das wesentliche besinnt - beziehung. und manchmal, ja manchmal bin ich ihn auch ein bisl neidisch darum :wink: *zugeb*.

ich hoffe ich konnte dir mit meiner sicht ein wenig anstoss geben zum überdenken und wünsche dir alles gute :D
anita
Nermin
Beiträge: 3
Registriert: 03.10.2006 18:47

Beitrag von Nermin »

Hallo Anita,
du nennst dich "Patchworkerin", schönes Wort...

Eine solche gepatchte Familie sind wir nicht. Zwar leben meine Tochter, mein Freund und (noch) ein kleines Familienmiteinander. Aber die Kinder meines Freundes kommen darin nicht vor. Da sie sehr unverbindlich sind, kaum kommen und - wenn sie da sind - nur Zeit mit ihrem Vater verbringen wollen, und er mit ihnen. Verständlich.

Das Problem ist aber halt, dass so nichts darüber hinaus entstehen kann. Wir lernen uns nicht kennen, weder ich seine Kinder, seine Kinder nicht mich, meine Kinder nicht seine und umgekehrt auch nicht. So entstehen keine Beziehungen, schade. Und ich behaupte, dass mein Freund selbst auch wenig in Beziehung und Nähe zu seinen Kindern steht. Ich glaube, dass er sich nicht traut und stattdessen auf (eine sichere) Distanz baut.

Dazu ein Beispiel: In den ganzen vielen Jahren hat mein Freund nicht seine Kinder an einem der Weihnachtsfeiertage eingeladen. Er hat, um nicht zu stören, wenige Tage vor Weihnachten Geschenke an der Haustür seiner Kinder abgegeben. Er ging immer davon aus, dass seine Kinder keine Zeit für ihn haben. Ich habe letztes Jahr vorgeschlagen, ein Treffen zu versuchen und wir haben am 2. Weihnachtsfeiertag alle eingeladen. Meine Kinder, seine Kinder. Seine sind nicht gekommen. Hatten keine Zeit.

Mein Freund nimmt das so hin, ist nicht betroffen, traurig, wütend. Ich wäre traurig, wenn meine Kinder das mit mir machen würden. Gar nicht kommen. Keine Zeit. Das meinte ich auch mit Erwartungen: Wenn man aneinander Erwartungen hat, ist Nähe, gibt es ein Geben und Nehmen (im besten Fall sogar ausgewogen...), einen Beziehungsfluss, eine Verbindung. Mit dieser fehlenden Nähe und der Übervorsichtigkeit erscheint mir mein Freund so schwach, gar nicht väterlich, Schutz gebend...
Ja, so ungefähr isses. Hmm. Patchworkerin wäre ich schon gerne, wenn auch nur manchmal an Wochenenden.

Das Abschiednehmen von meiner jüngsten Tochter ist tatsächlich nicht easy. Mein Baby, meine Kleinste will gehen... Da kommt mein Mutterherz ins Trudeln...
Anita

Beitrag von Anita »

hallo Nermin

ich verstehe dich gut. so ging es mir auch als ich und mein mann ein paar wurden. unsere vorstellungen klaften auseinander - emal äusserlich.

leider sind genau diese vorstellungen oft die beziehungskiller.
wir mussten lernen uns von ihnen zu verabschieden.
patchworken gelingt dann, wenn wir wegkommen von diesem "heile-welt-denken". wenn wir die bilder der perfekten familie verabschieden. na eigentlich bin ich sogar der meinung, dass dies für alle familien gilt :wink:

dein partner lebt seine form von familie. es entspricht überhaupt nicht deinem bild von vater-kind-beziehung. dein freund scheint es ok zu finden so oder hat sich zumindest damit arangiert.
seine kinder suchen diese beziehung nicht im moment und dein freund nimmt dies, aus was auch immer für gründen, so hin.

es stört dich, weil es nicht in dein bild von familie passt. es löst in dir was aus, was dir mühe macht. du findest, dass dir was genommen wird.

werde dir bewusst, dass es dein problem ist, darauf zu verzichten.
du kannst beziehung nicht aufzwingen.

es sind alles fast oder gar erwachsene kinder, die erst mal ihren weg gehen wollen. wenn diese banden nicht so eng gelebt wurden, kannst du sie nicht für ihn ändern. das heisst doch nicht, dass da keine tiefen gefühle sind.....nur der weg war ein anderer und die zeit dazu ist es vermutlich auch.

mein rat. verabschiede dich von deinen vorstellungen und lebe "beziehung" mit deinem partner. nur der abschied davon wird euch eine chance geben, vielleicht sogar die, dass auch bei ihm langsam ein bezug entstehen kann, weil du ihm den mit deinen kindern vorlebst!
er wird ihn erst kennenlernen müssen und das braucht zeit.

alles gute

die teilzeit-patchworkerin :)
anita
Moni

Beitrag von Moni »

Liebe Nermin

Meine Kinder sind 22, 20, 20, 17 und 7. Die 22jährige ist 80% beim Freund, mein Stiefsohn hat eine eigne kleine Wohnung und der 17jährige passt sich sehr an die Zeiten der Freundin an und mein 20jähriger arbeitet viel und ist dann in der Freizeit oft mit dem Motorrad weg. An den Wochenenden schlafen alle bis mittags oder länger, weil sie lange im Ausgang waren.
Glaubst Du, dass ich noch viel von Familie im Sinne von miteinander zusammensitzen und essen oder was unternehmen habe?

Erwachsene Kinder, ja schon Pubertierende gehen doch ihre eigenen Wege und Familie wird ihnen immer weniger wichtig. Das ist gut so, denn sie sind eigenständige Persönlichkeiten und wollen sich von den Eltern und auch Stiefeltern abgrenzen.
Ich kann Dich verstehen, dass es schmerzt, aber ich freue mich auch zuzusehen, wie sie mutig ins Leben schreiten und ihren Weg gefunden haben. Da darf doch mein Bedürfnis nach "Familie" den Kindern nicht im Wege stehen?
Nein ich ermutige sie noch, denn wenn sie mich grosszügig erleben, kommen sie schneller und eher wieder zurück, weil sie den Kampf der Ablösung schon hinter sich haben. Wenn ich klammern würde, bin ich überzeugt, würden sie sich länger Zeit lassen, mich wieder vermehrt an ihrem Leben teilhaben zulassen.

Also ich handhabe es so und es läuft gut.

Ich sehe meinen Stiefsohn auch nur so 5,6 x im Jahr, wenn wir ihn besuchen gehen oder ihn und seine Freundin zum Essen einladen.
Mehr wollen sie halt nicht und das ist okey für uns. Hauptsache, wir haben überhaupt kontakt!

Ganz sicher aber braucht es Zeit, bis die kids von sich aus kommen.
Höre nicht auf sie zum Weihnachtsessen einzuladen. Mach auch an Ostern ein Versuch und sei nicht gleich beleidigt, wenn es noch etwas dauert. Sei Du grosszügig und entgegenkommend. So wie Du klingst, hat es Dich sehr persönlich getroffen. Das solltest Du als allgemeines Desinteresse abhaken.
Mit dem Satz "also ich war immer alleinerziehend..." verrät sich ja der Wunsch, endlich dochmal noch mit einem Partner eine Familie zu haben.
Das ist ein Druck, auf den seine Kinder anscheinend schlecht reagieren.

Es geht leider nicht immer alles in Erfüllung, daran haben wir alle zu beissen....


Zum Thema Achtung möchte ich Dir sagen, dass es immer schwierig ist in der Beziehung die Achtung vor dem Partner aufrecht zu erhalten, denn wenn man so langsam alle Schwächen erkennt und die Marötteli immer mehr nerven, kann das schon schwieriger werden.
Ich würde es als Liebe und Geduld mit den Kindern, Grosszügigkeit und "es Füfi mal grad la sii" anschauen. So lange er Dir gegenüber und im Beruf noch immer weiss was er will und eine klare Linie hat, ist es keine Charakterschwäche, sondern ein hilfloser Versuch den Kindern seine Liebe zu zeigen.

Er hat sich diese Situation sicher auch anders gewünscht. Sei Du auch grosszügig mit ihm. Männer sind in Gefühlsdingen halt etwas unbeholfener. Kannst Du das so akzeptieren?

Sei stolz und habe Geduld!
Moni
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