NZZ-Artikel vom 4. Mai
Verfasst: 05.05.2009 11:09
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Die Perspektive des Kindes ins Zentrum rücken
Miriam Rosenthal arbeitet mit Scheidungskindern
Wenn Eltern sich trennen, leiden immer auch die Kinder. Sie haben eine ganz eigene Sicht der Dinge, werden aber kaum je danach gefragt. Miriam Rosenthal versucht ihnen zu helfen.
cb. In der Schweiz wird heute rund die Hälfte der Ehen geschieden. Von den Folgen einer solchen Trennung sind vielfach auch Kinder betroffen. Die Psychologin und Mediatorin Miriam Rosenthal, die ehemals als Anwältin tätig war, beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit Scheidungskindern, deren Eltern und den Problemen, die sich für alle Beteiligten aus der dramatisch veränderten Lebenssituation ergeben. Als Mitbegründerin des Vereins Trialog - der Name signalisiert, dass Vater, Mutter und Kind am Gespräch beteiligt sind - leitet sie mit einem Berufskollegen seit elf Jahren in Zürich Gruppen mit Kindern, deren Eltern sich trennen wollen oder schon getrennt haben. Daneben führt sie eine Praxis, in der sie bei allen Arten von Konflikten berät und vermittelt. Ihre Klienten sind oft auch inzwischen erwachsene Scheidungskinder. Ausserdem erstellt sie in behördlichem Auftrag Gutachten über schwierige Familiensituationen.
Verlust der Familienwelt als Kernproblem
Woher das grosse Interesse an der Trennungsproblematik? Bei Miriam Rosenthal hat es nichts mit der persönlichen Geschichte zu tun. Die verheiratete Mutter dreier Kinder im Alter zwischen 16 und 20 Jahren ist selber kein Scheidungskind. Auf ihrer vielfältigen Berufslaufbahn fiel ihr indes schon bald auf, dass der Fokus bei der Trennung eines Paares meist ganz auf den Problemen der beiden Partner und auf der juristischen Ebene, nicht aber auf der - ganz eigenen - Wahrnehmung der betroffenen Kinder lag. «Die mussten schon auffällig werden, damit man sich um sie kümmerte», stellt sie nüchtern fest. Und so gründete sie im Jahr 1997 in Zürich, was es in der Stadt Bern schon länger gab und wo sie sich ihr Wissen herholte: Therapiegruppen für Scheidungskinder.
Durch die Arbeit mit diesen Gruppen lernte und lernt Rosenthal am besten, was für die Kinder wichtig ist, besser noch als durch Fachbücher und Zusatzausbildungen. «Es klingt vielleicht pathetisch, aber es ist eben sehr, sehr eindrücklich, was die Kinder erzählen. Und oftmals haben die Eltern keine Ahnung davon, was jene vom elterlichen Konflikt wahrnehmen und wie es sich für sie anfühlt.» Nicht selten würden die Kinder von Vater und Mutter gar nie nach ihren eigenen Gefühlen in der schwierigen Situation gefragt, die kindliche Perspektive sei ein Tabu und bleibe es häufig auch noch im Erwachsenenalter.
Scheidungskinder haben oft typische, immer wiederkehrende Probleme, wie Rosenthal aus ihrer Arbeit weiss. Für die Kinder ist zentral, dass sie auch nach der Trennung der Eltern zu beiden eine wirkliche Beziehung haben dürfen: «Vater und Mutter sind je ein Teil des Kindes. Wenn dann die Mutter etwa verbietet, dass das Kind über den Vater redet, weil sie wütend ist auf ihn, stirbt gleichsam ein Teil im Kind selber ab.» Und deshalb leiden Kinder sehr darunter, wenn die getrennten Eltern schlecht übereinander sprechen, sie schämen sich, wenn sich Vater und Mutter an den Schulbesuchstagen aus dem Weg gehen und sich nicht einmal mehr grüssen, und sie sind traurig, wenn die Besuche der geliebten Grossmutter ausbleiben, weil die neue Familiensituation das nicht mehr zulässt. Die «Loyalität der Eltern zur gemeinsamen Geschichte», wie Rosenthal dies nennt, sei entscheidend dafür, dass das Kind die veränderte Situation verarbeiten könne. Dazu gehöre auch, dass das Kind mit Dritten offen über die Trennung der Eltern reden dürfe und kein «Doppelleben» führen müsse. Das, was zu einem Trauma führen könne, sei oftmals nicht die Scheidung selbst, sondern das Zerbrechen der Familienwelt, das danach komme. «Wenn die Eltern den Kindern erst sagen, die Trennung sei <die beste Lösung für alle> und danach einen kalten Krieg gegeneinander führen, können die Kinder das nicht verstehen», betont die Therapeutin.
Die Sorgen der Kinder aufnehmen
Konkrete Hilfe leisten kann Miriam Rosenthal den Scheidungskindern, indem sie in Gruppen- oder Einzelgesprächen deren Anliegen und Wünsche aufnimmt und diese - mit Einverständnis des Kindes - mit den Eltern bespricht. Auf diesem Weg versucht sie das vormalige Paar zu befähigen, trotz Trennung als Eltern weiter seine Aufgabe zu erfüllen und gut mit seinen Kindern umzugehen. Denn Eltern würden nicht wegen einer Scheidung automatisch schlechte Eltern - «entscheidend ist, wie sie das Leben nach der Trennung gestalten», betont Miriam Rosenthal.
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Die Perspektive des Kindes ins Zentrum rücken
Miriam Rosenthal arbeitet mit Scheidungskindern
Wenn Eltern sich trennen, leiden immer auch die Kinder. Sie haben eine ganz eigene Sicht der Dinge, werden aber kaum je danach gefragt. Miriam Rosenthal versucht ihnen zu helfen.
cb. In der Schweiz wird heute rund die Hälfte der Ehen geschieden. Von den Folgen einer solchen Trennung sind vielfach auch Kinder betroffen. Die Psychologin und Mediatorin Miriam Rosenthal, die ehemals als Anwältin tätig war, beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit Scheidungskindern, deren Eltern und den Problemen, die sich für alle Beteiligten aus der dramatisch veränderten Lebenssituation ergeben. Als Mitbegründerin des Vereins Trialog - der Name signalisiert, dass Vater, Mutter und Kind am Gespräch beteiligt sind - leitet sie mit einem Berufskollegen seit elf Jahren in Zürich Gruppen mit Kindern, deren Eltern sich trennen wollen oder schon getrennt haben. Daneben führt sie eine Praxis, in der sie bei allen Arten von Konflikten berät und vermittelt. Ihre Klienten sind oft auch inzwischen erwachsene Scheidungskinder. Ausserdem erstellt sie in behördlichem Auftrag Gutachten über schwierige Familiensituationen.
Verlust der Familienwelt als Kernproblem
Woher das grosse Interesse an der Trennungsproblematik? Bei Miriam Rosenthal hat es nichts mit der persönlichen Geschichte zu tun. Die verheiratete Mutter dreier Kinder im Alter zwischen 16 und 20 Jahren ist selber kein Scheidungskind. Auf ihrer vielfältigen Berufslaufbahn fiel ihr indes schon bald auf, dass der Fokus bei der Trennung eines Paares meist ganz auf den Problemen der beiden Partner und auf der juristischen Ebene, nicht aber auf der - ganz eigenen - Wahrnehmung der betroffenen Kinder lag. «Die mussten schon auffällig werden, damit man sich um sie kümmerte», stellt sie nüchtern fest. Und so gründete sie im Jahr 1997 in Zürich, was es in der Stadt Bern schon länger gab und wo sie sich ihr Wissen herholte: Therapiegruppen für Scheidungskinder.
Durch die Arbeit mit diesen Gruppen lernte und lernt Rosenthal am besten, was für die Kinder wichtig ist, besser noch als durch Fachbücher und Zusatzausbildungen. «Es klingt vielleicht pathetisch, aber es ist eben sehr, sehr eindrücklich, was die Kinder erzählen. Und oftmals haben die Eltern keine Ahnung davon, was jene vom elterlichen Konflikt wahrnehmen und wie es sich für sie anfühlt.» Nicht selten würden die Kinder von Vater und Mutter gar nie nach ihren eigenen Gefühlen in der schwierigen Situation gefragt, die kindliche Perspektive sei ein Tabu und bleibe es häufig auch noch im Erwachsenenalter.
Scheidungskinder haben oft typische, immer wiederkehrende Probleme, wie Rosenthal aus ihrer Arbeit weiss. Für die Kinder ist zentral, dass sie auch nach der Trennung der Eltern zu beiden eine wirkliche Beziehung haben dürfen: «Vater und Mutter sind je ein Teil des Kindes. Wenn dann die Mutter etwa verbietet, dass das Kind über den Vater redet, weil sie wütend ist auf ihn, stirbt gleichsam ein Teil im Kind selber ab.» Und deshalb leiden Kinder sehr darunter, wenn die getrennten Eltern schlecht übereinander sprechen, sie schämen sich, wenn sich Vater und Mutter an den Schulbesuchstagen aus dem Weg gehen und sich nicht einmal mehr grüssen, und sie sind traurig, wenn die Besuche der geliebten Grossmutter ausbleiben, weil die neue Familiensituation das nicht mehr zulässt. Die «Loyalität der Eltern zur gemeinsamen Geschichte», wie Rosenthal dies nennt, sei entscheidend dafür, dass das Kind die veränderte Situation verarbeiten könne. Dazu gehöre auch, dass das Kind mit Dritten offen über die Trennung der Eltern reden dürfe und kein «Doppelleben» führen müsse. Das, was zu einem Trauma führen könne, sei oftmals nicht die Scheidung selbst, sondern das Zerbrechen der Familienwelt, das danach komme. «Wenn die Eltern den Kindern erst sagen, die Trennung sei <die beste Lösung für alle> und danach einen kalten Krieg gegeneinander führen, können die Kinder das nicht verstehen», betont die Therapeutin.
Die Sorgen der Kinder aufnehmen
Konkrete Hilfe leisten kann Miriam Rosenthal den Scheidungskindern, indem sie in Gruppen- oder Einzelgesprächen deren Anliegen und Wünsche aufnimmt und diese - mit Einverständnis des Kindes - mit den Eltern bespricht. Auf diesem Weg versucht sie das vormalige Paar zu befähigen, trotz Trennung als Eltern weiter seine Aufgabe zu erfüllen und gut mit seinen Kindern umzugehen. Denn Eltern würden nicht wegen einer Scheidung automatisch schlechte Eltern - «entscheidend ist, wie sie das Leben nach der Trennung gestalten», betont Miriam Rosenthal.