Was soll ich machen

Erziehung ganz allgemein
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Juwel
Beiträge: 7
Registriert: 11.06.2008 16:08

Was soll ich machen

Beitrag von Juwel »

Ich habe mir lange überlegt ob ich überhaupt hier schreiben soll, denn ich komme mir mit meinen Sorgen ziemlich blöd vor. Und doch belastet mich die Situation. Mein Freund und ich wohnen seit gut 3 Jahren zusammen. Meine drei Kinder leben bei mir/uns und sein Sohn ist Montag und Donnerstag bei uns, geht aber am Abend zur Mutter nach Hause und jedes zweite Wochenende ist er bei uns.
Wir hatten auch schon etliche Diskussionen über die Erziehung und ich merkte mit der Zeit immer mehr, dass mein Freund eine andere Vorstellung von Erziehung hat. Also mir kommt es so vor, als hätte er Angst, wenn sein Sohn da ist und er ihm eine Aufgabe erteilet, dass es ihm nicht passt und er vielleicht nicht mehr kommen möchte oder es sonst Probleme gibt.
Schon seit längerem habe ich unangenehme Gefühle gegenüber des Sohnes meines Freundes und ich schäme mich auch dafür, dass ich so fühle, dass ich ihn manchmal an der Wand verreiben könnte, obwohl er mir keinen Grund gibt. Was mich ärgert ist, dass sein Anstand zu wünsche übrig lässt. Und wenn ich ihm etwas sage, muss ich es sicher viermal sagen, bis er überhaupt Anstalt macht etwas zu machen. Das Verhältnihs zwischen seinem Sohn und mir ist nicht das allerbeste und das macht mich traurig. Mir ist auch bewusst, dass es mein Problem ist und ich weiss nicht warum und wieso usw. Schon seit langer Zeit zerbreche ich mir den Kopf, warum.
Ich habe auch schon mit meinem Freund über meine Gefühl gesprochen und er versucht es zu verstehen, obwohl ich mich frage, kann man das überhaupt verstehen, dass eine erwachsene Frau manchmal eifersüchtig auf ein Kind ist, dass gerade mal 12 Jahre alt ist? Das ist ja bedenklich und ich schäme mich und doch tut es gut, endlich das einfach mal mitzuteilen.
Dem Sohn wird jetzt so viel gemacht. Hat er was vergessen, trägt man es hinter ihm her, man erinnert und macht und tut und irgendwie wird der nie selbstständig. Dann frage ich mich wieder, warum regt mich das so auf? Es ist ja nicht mein Kind, dass kann mir doch egal sein.
Dann frage ich mich, soll ich was sagen oder nicht und meistens kommt von mir eine schnippische Antwort und ich ärgere mich darüber.

Ach was solls, wenn der Beitrag fehl am Platz einfach löschen, es hat gut getan das zu schreiben und wer weiss, vielleicht habe ich ja Glück und jemand ist eventuell in einer ähnlichen Situation und kann vielleicht etwas von dem verstehen und mir sogar einen Tipp geben .

Danke fürs zu(hören)lesen.

Grüässli
Juwel
Anita

Beitrag von Anita »

hallo Juwel

was du schreibst kenne (kannte) ich auch und ich kann deine gefühle gut nachvollziehen. ganz vielen patchworkerinnen geht es so - der austausch hier ist doch genau dazu da - also nix löschen :)

heute weiss ich, dass bei mir diese gefühle vor allem aufgekommen sind, weil ich lange dachte; ich müsse die kinder meines mannes lieb haben. das hat mich während der besuchswochenenden total unter druck gesetzt und jede regel die mir wichtig war und die nicht funktioniert hat, setzte mir vor augen, was ich eben nicht erreiche - ui war das anstrengend!

der abschied von der "heile-welt-familie" war meine erste erlösung. ich war froh, dass die familientherapeutin dies damals auch meinem mann gegenüber kommunizierte - es war auch seine traum-vorstellung.
so wurde mir der druck genommen und ich konnte schon ganz anders auf seine söhne eingehen.
ich habe dann diese besuchszeiten auch umgestaltet und wir haben sehr wenig gemeinsam unternommen. das taten wir auch nur, weil wir immer dachten, dass es so sein muss - wir sind nun eine familie und so.... dabei haben wir aber ausser acht gelassen, dass nun mal nicht alle familien gleich gut zusammen passen und das wir das nicht erzwingen können...
erst war ich traurig, weil mir in der zeit auch mein mann fehlte und ich diese zeit immer etwas "verloren" für mich und uns fand...aber je länger je mehr habe ich davon profitiert und geniesse heute diese tage sogar sehr. abends zum essen treffen wir uns immer und die gemeinsamen essen machen mir viel spass. wir haben gute gespräche und die beziehung und die gefühle zu den kindern sind gewachsen.

vielleicht kannst du dir ja was draus nehmen und mal ausprobieren, wie sich das für dich anfühlt....alle familien sind anders...es gibt kein patentrezept, aber immer mal wieder eine idee...bestimmt bekommst du noch mehrere hier :)

alles gute
anita
Juwel
Beiträge: 7
Registriert: 11.06.2008 16:08

Beitrag von Juwel »

Hallo Anita

vielen Dank für deine Zeilen und dein Verständnis. Ziemlich ähnlich wie du schreibst, sehe ich das von mir, alles muss perfekt und heile Welt sein. Vielleicht sollte ich das einfach mal loslassen, zu wissen, dass wir keine Heile Welt haben.
Manchmal macht es mir mühe, wenn er mit seinem Sohn etwas unternimmt, auch wenn ich weiss, dass das ja ganz normal ist. Da muss ich noch bei einigen Sachen umdenken. Aber aus deinem Feedback kann ich einiges rauspicken, vielen, vielen Dank!
Bernina

Beitrag von Bernina »

Hallo Juwel

Mir kommt dabei gerade in den Sinn, dass mich mein Freund des öfteren kritisiert, weil ich auch oft etwas für meine Tochter tu. Also wenn ihr Sirup auf dem Tisch fehlt, dann stehe ich auf und hole ihn in der Küche.

Bei den Jungs würde ich das nie machen.

Nun muss ich vielleicht erklären, dass meine Tochter sehr viel freiwillig mithilft, d.h. die Arbeit ansonsten sieht.
Die Jungs sind da sehr egoistisch und bequem. Die setzen sich einfach an den ungedeckten Tisch und warten, bis irgend jemand mal mit Teller und Besteck vorbeikommt.

Wirklich frech ist kein Kind zu mir.

Ich weiss nun nicht, wie viel dieser Junge bei euch hilft. Wenn ich aber mal für meine Tochter den Gango spiele, dann auch, weil ich sie gerne habe und ihr gerne diesen Gefallen mache. Würde ich mich ausgenützt fühlen, dann würde ich sagen: hol es doch selber.

Viele Väter tun viel für ihre Kinder, auch aus schlechtem Gewissen, weil sie nicht mehr so viel Zeit mit ihnen verbringen können, dieses alles hinterhertragen ist ihre Form zu zeigen, dass sie sie lieben.

Auch meine Tochter lebt sehr wenig bei mir. Aus diesem Grund verwöhne ich sie schon. Ich hindere sie aber deswegen nicht an ihrer Entwicklung. Wie du mir, so ich dir. Das kann man auch im positiven so handhaben.
Morpheus

Beitrag von Morpheus »

Hallo Juwel,

als wir vor 5Jahren mit patchworken begonnen haben, kaufte ich mir einige Bücher zu diesem Thema.
Einige Dinge konnte ich daraus ziehen, erstaundliches, erschreckendes (dazumals emel) und viel Verständnis für diese Lebensform.

ich habe zu Themen wie folgende Bücher gelesen:

-was heisst schon Ideal-Familie
- Vaters Haus/Mutters Haus
- Remo Largo: glückliche Scheidungskinder


Heute nach 5Jahren ist unser Patchi-Familie auf einer Ebene angelangt die "gut" zu leben ist.

Viel Geduld und Kraft und eine grosse Prise Humor,

Morpheus
Anita

Beitrag von Anita »

ich würde sogar nocht etwas weiter gehen juwel....und sagen: "unsere heile welt schaut eben so aus und muss für uns stimmen!"

also nicht "keine heile welt", sondern "unsere heile welt" - einfach anders halt :)
Juwel
Beiträge: 7
Registriert: 11.06.2008 16:08

Beitrag von Juwel »

Vielen lieben Dank für die wervollen Gedanken und Erfahrungen die ihr mir geschrieben habt.

@ Bernina
ich kann das ein Stückweit nachvollziehen, dass mein Freund seinen Sohn verwöhnen will gerade weil er ihn nicht so oft sieht und weil er vermutlich auch ein schlechtes Gewissen hat. Mit dem habe ich mühe, dass es dann schon fast unnatürlich ist und man ihm ja fast alles abnimmt. Am liebsten würde es mein Freund sehen, wenn er gar nichts helfen müsste. Aber ich finde, wenn er bei uns ist, gelten die Regeln die wir haben, ob es ihm passt oder nicht. Da wird mitgeholfen, so sehe ich das. Das kann ja nicht sein, dass er meint, er müsse hier nichts machen und ist zur Erholung hier. Und das verstehe ich mein Freund nicht, er tut dem Kind ja auch kein Gefallen wenn es keine Grenzen und Regeln kennt, wenn man für alles eine Entschuldigung hat und mehr oder weniger durch gehen lässt und alles zuckersüss sagt.
Bernina

Beitrag von Bernina »

@ Juwel
Wie reagieren denn deine Kinder auf dieses "bequeme" Verhalten? Oft klären das Kinder unter anderem fast auf bessere Weise, weil sie in der Hyrarchie auf gleicher Ebene sind.
Meine Tochter zum Beispiel nervt sich, wenn die Jungs sich vor gewissen Arbeiten drücken und kommandiert sie dann auf witzige Weise (sie will sich ja das gute Verhältnis zu den Jungs nicht verderben) herum. Es sieht jeweils sehr lustig aus, wenn das zarte Persönchen die behäbigen Jungmänner auf Touren bringt. Jedenfalls nehmen sie es mit Humor, weil sie ja gleich alt sind.

Wir halten ab und zu Familienratssitzung. Leider etwas zu selten. Aber die Kinder wünschten kürzlich, dass wir das wieder mal machen müssten. Viele Abmachungen gilt es neu zu klären.

Dabei diskutieren wir zum Beispiel, Thema Tisch decken und abräumen, Ämtli, persönliche Bedürnisse, Menupläne, Ausflüge, Sackgeld, etc.

Jemand muss Protokoll führen und alle müssen dann unterschreiben.

Für Kinder, die nur am WE da sind, müssen spezielle Ämtli gefunden werden. Zugegeben, damit klappts bei uns nicht vorbildlich. Da die Jungs wegen ihrem teuren Hobby viel Geld brauchen, können sie sich das mit Arbeit dazuverdienen.

Seit übrigens der Ältere 2 x das ganze Haus saugen wollte und merkte, wie anstrengend das ist, hat sich die Einstellung über diese Tätigkeit massiv geändert. *grins
baboe
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Beitrag von baboe »

Hallo Juwel,

Auch ich kenne deine Situation sehr gut. Ich lernte einen Mann mit drei Kindern kennen. Aber mit dem Jüngsten hatte ich von Anfang an meine liebe Mühe. Er nervte mich mit seinen Bedürfnissen. Ui, war das schwierig.
Ich fühlte mich natürlich sehr schuldig und hätte meine Gefühle gerne geändert.
Irgendwann sagte mir ein Psychologe, dem ich meine Gefühle gestand, dass ich nicht alleine für die Beziehung zu diesem Jungen verantwortlich sei: Ich schaue gut für ihn, schaue dass er alles hat, und er hat die Aufgabe, dieses sein Schicksal zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen. Das hat mich sehr entlastet.
Und heute? Er ist jetzt 8 Jahre alt und ich kenne ihn seit sieben Jahren. Seit vier Jahren lebt er bei uns. Und ich kann sagen: ich habe ihn gerne so wie er ist. Ich bewundere diesen Burschen, wie er sein Schicksal gemeistert hat. Er hatte es in dieser Patchworkfamilie am Schwierigsten. Sei so wie du bist, dann lernt dich dieser Junge kennen so wie du bist. Ihr werdet bestimmt eine Beziehung zu einander finden können, die für euch beide stimmt.

Herzlich (willkommen hier!)

Babö
Habe fünf Kinder im Alter von 11,10,8,6 und 4. Die drei Grossen sind von meinem Mann aus erster Ehe. Die beiden Kleinen sind Gemeinsame. Alle leben seit 4 Jahren bei uns - und das find ich toll!
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Delphia
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Beitrag von Delphia »

Hallo Juwel

Ich kann Deine Gefühle gut verstehen. Meine Kinder waren von früh auf sehr selbständig mit Helfen, sich zurecht finden usw. Den Kids meines Mannes wurde viel abgenommen.

Am Anfang hatte ich Mühe damit, weil mit nun fünf Kindern im Haus viel Arbeit auf mich zukam. Ich fand es zum Beispiel unerträglich, dass man einem Kind die Sachen oben aus dem Zimmer holt, damit es nichts für die Schule vergisst... Ich hätte das Kind nach den Sachen gefragt und es hätte sie selbständig holen müssen. Mein Mann warf mir damals auch vor, ich ginge auf die Kinder zu wenig ein. Dabei war ich stets da, wenn es galt Tränen zu trocknen. Im Notfall die Querflöte im 5 km entfernten Dorf zu bringen, weil diese zu Hause vergessen wurde... usw. usw.

Nach längerem Reflektieren glaubte ich, dass ich meinen Platz neben meinem Mann hart erkämpfen sollte. Das gleiche galt für die Kids. Sie wollten ihre Stellung nicht verlieren. Ich musste viel lernen und vor allem aushalten.

Glücklicherweise sind die Jahre vergangen (bald 8 ) und mittlerweile tauchen diese Gefühle fast nicht mehr auf. Also mit Geduld kommt es schon.

Beste Grüsse
Delphia
___________________________________
Probleme? nein! Herausforderungen: ja :-), manchmal aber völlig hoffnungslos...
Morpheus

Beitrag von Morpheus »

hallo zusammen,

Zitat Delphia:
Glücklicherweise sind die Jahre vergangen (bald 8 ) und mittlerweile tauchen diese Gefühle fast nicht mehr auf. Also mit Geduld kommt es schon.



Ja, uns gehts genau so. In der strengsten Zeit habe ich immer auf das gehofft. Bei uns tritt dies nun auch ein, nach 5Jahren.

Lg Morpheus
Juwel
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Registriert: 11.06.2008 16:08

Beitrag von Juwel »

@ Bernina

Wie meine Kinder auf den Sohn meines Mannes wenn er so bequem ist? Sie fragen dann sofort, ja warum er nicht? Oder sie hatten auch schon geäussert, jetzt kommt der wieder. Aber das waren nur ganz kurze Phasen, aber ihnen fiel natürlich auf, dass er einfach auch anders ist und wie ihn seine Mutter zu Hause erzieht weiss ich natürlich nicht.

Aber ich habe mir jetzt vorgenommen, dass ich ihm einfach die Ämtli aufdrücke ohne zu fragen oder das OK von meinem Partner einzuholen. Meine Angst ablegen wenn ich ihm etwas sage und ihn mehr zur Selbstständigkeit fördern. Das heisst, dass er nach den Sommerferien nicht mehr wecke für die Schule, sondern, dass er selbstständig aufstehen muss genauso wie meine älteste Tochter die nach den Ferien ebenfalls in die Oberstufe kommt.
Ich glaube, ich mache mir viel zu viele Gedanken. Es würde vermutlich um einiges besser gehen, wenn ich viel mehr bei mir bleiben würde und nicht Gedanken nachhänge, was ist wenn und wie reagierne die anderen usw.

@ alle, vielen Dank für eure Worte. Ich fühle mich sehr gut verstanden.
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