Frieden schließen mit der Vergangenheit

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sofia
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Frieden schließen mit der Vergangenheit

Beitrag von sofia »

Hallo zusammen,

das Patchwork-Leben ist für mich lebendig und anstrengend zugleich. Oft habe ich die Gedanken, es ist doch trotz allem Stress auch schön mit uns. Mein Partner nagt jedoch oft an seiner Vergangenheit und dem Gefühl, versagt zu haben. Nicht nur durch die Trennung, sondern in der Zeit davor, wo jahrelang viel gestritten wurde. (Die Kinder haben unter den lautstarken Streits gelitten und erzählen mir das noch heute.)

Seine 2 Kinder (10,12) kommen mit meinem Sohn (14) ganz gut klar und kommen sehr gerne zu uns. Mein Problem ist: mein Partner ist erschöpft und deprimiert, vorzugsweise, wenn wir beide etwas Zeit miteinander haben. Ich frage mich, wann er endlich Frieden mit der Vergangenheit schließen kann und nicht mehr ständig seiner Jugendzeit nachtrauert, als er noch ungebunden war, oder sein schlechtes Gewissen den Kindern und der Ex gegenüber ihn plötzlich überkommt.
Wie gehe ich damit um? Wie sind Eure Erfahrungen ? (ich weiß, daß er selbst über seine Gefühle von Versagen und Schuld hinweg kommen muss, aber es raubt mir zunehmend Kraft.)

Liebe Grüße,

Sofia
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Ria
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Beitrag von Ria »

Hallo sofia

Ein wichtiger Teil, was Du tun kannst ist, dass Du gut für Dich schaust und Dir auch erlaubst glücklich zu sein, wenn er es nicht ist. Damit unterstützt Du auch ihn auf seinem Weg. Trau ihm zu, dass er das kann, auf seine Art.

Falls er bei Dir immer wieder über das Gleiche klagt, kannst Du ihn fragen, was er als Unterstützung von Deiner Seite wünscht.
Sag ihm, dass Du mit ihm zusammen glücklich sein willst.
Das ist möglich, wenn er es schafft, seine alten Vorwürfe und Schuldgefühle loszulassen. Meist gelingt das nicht allein, aber Unterstützung wird er finden, wenn er dazu bereit (und der Leidensdruck für ihn genug gross :? ) ist.
Seit 27 Jahren Patchworkfamilienfrau und Coach für solche :-)
http://www.coacheria.ch
Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

Hallo Sofia

Das ist bei uns auch immer wieder Thema. Mein Partner kann immer noch nciht wirklich verstehen, dass seine Kinder bei der Mutter aufwachsen mussten.
Und seit ein paar Wochen, da die Kinder nicht mehr kommen, ist es wieder ganz aktuell. Mir fällt auf, wie er immer noch das Handeln der Ex und der Kinder beobachtet. Und wahrscheinlich ist er sich das gar nicht bewusst.

Mein Beitrag ist dann so, das ich ihn zuerst ernst nehme mit seinem Gefühl. Dann sage ich, dass es zwar nicht toll ist, was die Frau oder die Jungs da machen. Aber das geht uns auch nichts mehr an. Sie hat ein Recht, ihr eigenes Leben zu Leben, auch ein fehlerhaftes Leben zu leben.
Es ist jetzt einfach so und daran können wir nun nichts mehr ändern.

Und wenn er aktiv etwas machen möchte, dann empfehle ich euch eine Familienaufstellung. Sorry, ich finde es halt immer noch eine gute Sache.
Irgendo habe ich das mal detailliert erklärt.

Oder dann macht ihr euer eigenes Ritual. Schreibt alles, was ihn beschäftigt auf einen grossen Stein und versenkt diesen im See. Oder schreibts auf ein Papierschiffli und lässt es den Fluss hinunter.
tarzan
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Beitrag von tarzan »

Meine Erfahrungen zu diesem Thema sind:
es wird besser, endet aber nie, zumindest nicht bis zum heutigen Zeitpunkt.
Mein Mann war von seiner ersten Ehe richtig traumatisiert, hat er doch viel Negatives erlebt und auch die Trennung von den Kindern war für ihn sehr schlimm. Er nagt heute noch daran.

Ich habe ihn unterstützt soweit es ging, mehr kann ich auch nicht machen.

Schlussendlich muss er selbst damit klar kommen.
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val
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Beitrag von val »

Liebe Sofia

Ich bin auch eine, die immer noch mit der Vergangenheit hadert. Es fällt mir schwer loszulassen und immer wieder versinke ich ins Grübeln. Ich kann zu Deiner Frage also "von der anderen Seite" her Stellung nehmen.

In Situationen in denen wieder viel hochkommt, hilft es mir, wenn ich mir sagen kann: Das ist vorbei. Das passiert nicht wieder.

Wenn ich am hadern bin, was ich hätte anders machen können, dann hilft es mir, wenn ich mir sagen kann: Ich kann diese Entscheidung nicht nochmals fällen. Damals habe ich nach meinem besten Wissen und Gewissen gehandelt. Heute würde ich es anders machen aber heute weiss ich mehr oder anderes als ich damals wusste. In diesem Moment war es die richtige Entscheidung.

Und ich werde nie wissen können, was dabei rausgekommen wäre, wenn ich es anders gemacht hätte. Denn ich habe es nicht anders gemacht.

Das hilft mir, mich nicht ewig im Kreis zu drehen.

Mein Problem in der Partnerschaft diesbezüglich ist, dass mir oft "Filme" abgehen und ich in gewissen Situationen einfach denke nun läuft es wieder genau gleich ab und damit mein Umfeld schon fast in ein Verhaltensmuster dränge. Es hilft mir dann, wenn mir mein Freund sagt, hallo, ich bin ein anderer. Lass mich zuerst mal reagieren, bevor Du voraussagst, was nun passiert.

Ich habe zudem die Erfahrung gemacht, dass es zwar gut ist, wenn mich mein Freund frägt, was für Gefühle hochkommen oder was in dieser und jener Situation passiert ist. Irgendwann bringt es aber weder ihm noch mir etwas, wenn ich alles widerkäue. Das heilt weder mich noch bringt es uns als Paar weiter. Wenn ich mir das vor Augen halte, dann kann ich auch besser aufhören, in der Vergangenheit rumzuwühlen. Und von mir aus sagen, jetzt ist genug, ich mag nicht mehr erzählen. Nun bin ich hier, mit Dir, und es geht vorwärts.

Und es tut mir gut, wenn er mir sagt, ich soll aufhören, mit Phantomen zu leben. Auch wenn es mich im Moment vielleicht vor den Kopf stösst. Recht hat er ja.

Es ist ein langer Prozess und es braucht viel Geduld. Von beiden Seiten. Loslassen gelingt nicht auf Knopfdruck, auch wenn man es noch so gerne möchte.

Liebe Grüsse
Val
Alleinerziehend mit Partner. Kinder 19/19 und 16
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sofia
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Beitrag von sofia »

Hallo,
vielen Dank für Eure Antworten. Ich bin bei diesem Thema an einem anderen Punkt als mein Freund, aber auch ich muss das Vergangene akzeptieren. Ich kann es zum Glück so sehen, dass ich es ganz gut hingekriegt habe mit meinem Sohn, trotz widriger Umstände. Ich bin ihm zuliebe auch länger in der unzuverlässigen Beziehung mit seinem Vater geblieben, zumindest war er nicht mehr soo klein, als ich ging.

Mit einem neuen Partner habe ich einen neuen Menschen vor mir und die große Chance, vieles zu lernen und zufriedener zu werden. Ich sehe die Lebenserfahrung beim zweiten Versuch als großes Plus. An eine gemeinsame Zukunft glauben zu können, ist doch ein tolles Geschenk. Ja, vielleicht habe ich den Eindruck, die Patchworkfamilie wird (von ihm ?) als "zweite Wahl" angesehen, anstatt zu sagen: "wie schön, dass wir uns gefunden haben." Wenn ich meinem Freund das sage, antwortet er: "ja, aber...dies und das, Finanzen, Kinder etc....
Sofia
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BabyOne
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Beitrag von BabyOne »

Hallo Sofia,

an solchen Punkten empfehle ich immer wieder gerne das Buch "...Familie sein dagegen sehr" von Skynner und Cleese. Ich hab es vor vielen Jahren einmal neugierdehalber auf einem Flohmarkt gekauft, weil es im Ton frisch und witzig war. Ich habe Jahre gebraucht bis ich meinen Freund dazu gebracht hatte es zu lesen (er meinte so eine "Psycho-Kacke" bräuchte er nicht). Als er es dann endlich gelesen hatte, sind ihm ein paar Lichter aufgegangen. Er hat gemerkt, dass er ja wie eine Marionette immer wieder auf das reagiert was seine Ex sagt und tut (sein O-Ton damals). Und alleine diese Erkenntnis hat ihn einen großen Schritt voran gebracht, und war auch eine große Erleichterung für mich.

In dem Buch geht es letztlich um alle Phasen in der psychologischen Entwicklung die man durchläuft wenn man irgendwann eine Familie gründet, und um Probleme die sich ergeben können - die eigenen Kindheit und Jugend, familiäre Tabus, Kriterien der Partnerwahl (warum fand ich eigentlich die Person so attraktiv mit der ich dann zusammen gekommen bin?), und wie sich eine Beziehung verändert wenn ein oder mehrere Kinder dazu kommen. Es geht nicht speziell um Patchworkfamilien, aber ich finde es auch so immer wieder lesenswert und interessant.
Patch von 2002/2003 bis 2017
eine gemeinsame Tochter 15 J.
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