lieb und gut

Austausch zu psychologischen Theorien
Babell
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lieb und gut

Beitrag von Babell »

mira hat geschrieben:Würde am liebsten den Beitrag von Asja vom 21. Juni hierher verschieben, der würde gut passen und gäbe sicher eine interessante Diskussion. Aber das muss natürlich sie entscheiden.
Vielleicht nehme ich es mal als neues Thema auf.
Hallo Mira
Von mir aus muss jener Text nicht extra ein Thema für sich bekommen, ich fand den eher etwas aus der Luft gegriffen und hat für mich nicht so viel mit der Patchworkrealität zu tun, wie ich sie erlebe. Aber das vielleicht, weil ich Menschen, die von sich nur in positiven Gefühlen reden, ein bisschen skeptisch gegenüber stehe. Es kann ja durchaus sein und ich möchte es anderen gönnen, wenn sie nur immer glücklich und lieb sind. Für mich stellt sich dann aber die Frage: Wie steht denn jemand, der darauf plädiert, dass man nur gute Gefühle gegenüber einem anderen haben muss, denn einem Menschen gegenüber, der die ganze Palette von Gefühlen erlebt, z.b. einem Kind? Und wie muss sich ein Kind fühlen, wenn es spürt, dass seine Mutter will, dass es nur lieb und gut ist?
Das sind so die Gedanken, die mir unterdessen durch den Kopf gehen, wenn mir jemand vorwirft, ich dürfe keinerlei negative Gefühle gegenüber meinen Stiefkindern (oder der Exfrau) haben... Vorher hatte es mich immer sehr verletzt. Es ist was anderes, wenn jemand sagt: wenn du diese Person hasst, bringt es dir nichts, denn das ist nämlich schon so. Es schadet dann nur mir selbst. Aber jemanden als "Primitiv" zu bezeichnen, der nicht in bedingunsloser Liebe zur Vergangenheit des Partners aufgeht, finde ich auch nicht in Ordnung.
mira
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Beitrag von mira »

Hallo Babell
Babell hat geschrieben:Von mir aus muss jener Text nicht extra ein Thema für sich bekommen
Aber du hast ihm mit deinem Post ein eigenes Thema gegeben, und damit auch gezeigt, dass der Text über Diskussionsstoff verfügt.

Mich hat der Beitrag auch etwas geärgert aus den gleichen Gründen, wie du sie beschreibst (siehe meine Reaktion). Aber ich finde, in dem Text sind auch einige Ansätze verpackt, über die es sich zu diskutieren lohnt.
Z.B. Inwieweit versucht eine Zweitfrau ihrem Partner zu beweisen, dass sie besser ist als die Ex-Frau, wenn sie sich übermässig für ihn einsetzt. Besonders am Anfang unserer Beziehung war das ein grosses Thema für mich.
Im Buch 'Im Schatten der Ersten' wird schön beschrieben, wie solche Mechanismen ablaufen.

Ich stimme den restlichen Aussagen deines Beitrages zu. Negative Gefühle sind Teil unseres Lebens und sie zu verdrängen halte ich für gefährlich. Aber wie können wir sie gerade in der Patchworksituation konstruktiv ausleben?
carlotta37
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Beitrag von carlotta37 »

Negative Gefühle sind durchaus erlaubt und wichtig! Die Frage ist doch eher, wie ich damit umgehe und was ich draus mache!!! Hass ist etwas anderes....die negativen Gefühle können mir auch etwas über mich selbst sagen, meine Bedürfnisse. Oft verbirgt sich hinter ihnen etwas ganz anderes: da kann z.B. die Wut über das Benehmen eines Dritten einfach auch nur bedeuten, dass es mich eigentlich so betrifft, weil ich mich zurückgesetzt fühle.
Ich finde, man muss einfach negative Gefühle gut reflektieren und bereit sein, in der Partnerschaft auch offen damit umzugehen und darüber zu sprechen - eben damit sie nicht in Hass ausarten oder andere anfangen darunter zu leiden, weil ich sie nur noch an meiner Umgebung auslasse. Auch für unsere negativen Gefühle haben wir so etwas wie Verantwortung, oder?
tarzan
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Beitrag von tarzan »

genau carlotta, wir müssen negative Gefühle unbedingt akzeptieren und durchleben und dann verschwinden sie auch wieder.
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BabyOne
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Beitrag von BabyOne »

Ich weiss nicht...das klingt mir ein wenig zu sehr nach Wunschdenken. Man muss sich den negativen Gefühlen stellen (nachdem wir ja leider nicht ganz verleugnen können dass es sie gibt) und dann gehen sie schön brav weg und alles ist wieder gut...

Ist das nicht schon wieder eigentlich eine Abwehr, ein Verleugnen? "Eigentlich sind negative Gefühle gar nicht negativ, denn man kann sie ja produktiv nutzen und dann werden sie letztlich positiv"? Würde ein Akzeptieren der negativen Gefühle nicht auch beinhalten zu akzeptieren, dass diese negativen Gefühle manchmal eben nicht einfach wieder gehen? Ist es nicht vielleicht manchmal eher so, dass man lernen muss, mit ihnen zu leben? Und ist nicht genau das die größte Herausforderung nicht nur, aber gerade in Patchworkfamilien?
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Babell
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Beitrag von Babell »

BabyOne hat geschrieben:Würde ein Akzeptieren der negativen Gefühle nicht auch beinhalten zu akzeptieren, dass diese negativen Gefühle manchmal eben nicht einfach wieder gehen?
Ja, genau!
tarzan
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Beitrag von tarzan »

ja Babell so hab ich das gemeint. Wir haben doch gelernt negative Gefühle wie Angst, Trauer usw. zu verdrängen.
Und das Leben soll jeden Tag Spass machen und ein totales High-light sein.
Aber Gefühle können sich auch verwandeln, wenn wir sie annehmen und nicht verdrängen. Gedanken und Gefühle sind selbstgemacht.
Die Leute und Situationen sind die Auslöser dieser Gefühle. Wie wir damit umgehen ist unsere Sache.
Man kann sie ablehnen oder annehmen.
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mira
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Beitrag von mira »

Es gibt unterschiedliche negative Gefühle. Wenn mein Partner etwas sagt, das mich verletzt oder wütend macht, dann hält dieses Gefühl eine Weile und verschwindet dann wieder. Die Grundgefühle meinem Partner gegenüber verändern sich dadurch nicht.

Dann gibt es aber auch grundsätzliche Abneigung gegenüber bestimmten Menschen, die nicht so ohne weiteres verschwinden. Ich hatte mal eine Arbeitskollegin im gleichen Büroraum, mit der ich einfach nicht klar kam. Mir war schon bewusst, dass sie für meine Gefühle nichts kann, aber die Gefühle waren dennoch da. Das ging soweit, dass ich mir sogar überlegt habe, die Stelle zu künden. Erst nachdem ich ein anderes Büro bekam, konnte ich mit meinen negativen Gefühlen ihr gegenüber umgehen.

In der Patchworksituation wird das schwieriger. Was wenn man einem der Stiefkinder gegenüber Abneigung empfindet, einfach weil man charakterlich nicht zusammen passt?
Oder wenn Abneigung im Verlaufe der Zeit entsteht. Z.B. als meine Stieftochter anfing zu pubertieren, konnte ich sie manchmal kaum noch ertragen. Das als Stiefmutter zu sagen, ist sehr heikel, selbst wenn es den Eltern genau so ergeht.
Klar kann man sagen, es ist eine Phase, die geht vorbei. Aber im Alltag muss man eine Lösung finden, um mit diesen Gefühlen umzugehen.

Die Gefühle anzunehmen, ist für mich nur der erste Schritt. Aber dann, wie weiter?
tarzan
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Beitrag von tarzan »

Ich hatte es mit meinen Ex-Stiefkindern gut. Doch auch bei uns gab es Zeiten, wo ich den Besuch der Kinder nicht gewünscht habe, ich wollte meine Ruhe haben am Wochenende. Das war aber eigentlich erst als sie schon grösser wurden. Ich habe mich dann auch gefragt, warum mich das so stört, dass sie kommen, resp. es war meist nur der Sohn.
Mir wurde auch Eifersucht vorgehalten.
Mit der Zeit fand ich raus, es liegt nicht am Kind als solches, sondern was mich störte, dass die Kinder von meinem EX was bekamen, was ich nicht mehr bekam: Zuneigung.

Personen, Situationen etc. sind oft ein Spiegel unseres selbst.
Oftmals geht es auch um eigene Mangelzustände, Verstrickungen, Erwartungen. Wir nehmen das Leben nicht mehr bejahend an, sondern denken: "er hättte" "er sollte" usw.

Wir sind nicht mehr im Frieden und im Fluss in uns selbst, kein Wunder werden wir krank.

mira wenn wir JA zu den negativen Gefühlen sagen, dann verwandeln sich diese von selbst. Das fliesst dann wieder weg.
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Beitrag von Greenacre »

Grundsätzlich ist jeder Mensch gut. Die Umstände, seine Erziehung, die Gesellschaft bringen es aber fertig, dass einige Menschen sich von dieser Eigenschaft entfernen. Es sind ihre Taten, die dann "schlecht" sind.

Es gilt doch, die guten Seiten in jedem Menschen zu entdecken.
Gruss

Greenacre
carlotta37
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Beitrag von carlotta37 »

BabyOne, natürlich verschwinden negative Gefühle nicht einfach so, nur weil man sie akzeptiert. Aber dennoch habe ich die Wahl, wie ich damit umgehen. Ich denke jeder von uns kennt das: wenn man sich in negative Gefühle gegenüber einem anderen Menschen hineinsteigert, werden diese immer extremer, bis hin zu Hass. Und das ist - Stiefkindern gegenüber erst recht - für niemanden gut.

Wenn ich verletzt bin von dem Verhalten eines anderen Menschen, dann entwickeln sich solche Gefühle. Aber anstatt sie zu pflegen und immer nur nacvh Beweisen zu suchen, wie schlecht der andere doch ist, kann ich mich auch fragen, was das mit mir zu tun hat. Warum verletzt mich das wirklich so? Was steckt dahinter? Dann kann ich evtl. lernen, mit den negativen Gefühlen so umzugehen, dass sie niemandem schaden und mich selbst nicht total verbittert machen. Ich kann dann damit leben und das ist doch für alle das kleinste Übel!
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BabyOne
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Beitrag von BabyOne »

carlotta37 hat geschrieben: Dann kann ich evtl. lernen, mit den negativen Gefühlen so umzugehen, dass sie niemandem schaden und mich selbst nicht total verbittert machen. Ich kann dann damit leben und das ist doch für alle das kleinste Übel!
Und wie genau geht das nun? Diese Frage hat hier noch keine(r) beantworten können...

In meinem konkreten Fall: ich denke ich kann schon recht genau sagen woher meine negativen Gefühle kommen. Ja sicher, es hat auch etwas mit mir zu tun, damit dass ich bei einer jähzornigen, nörglerischen Mutter aufgewachsen bin, so dass mich jetzt der Jähzorn und das Meckern und Nörgeln meines Stiefsohnes vielleicht stärker treffen als jemand anderen. Es hat aber auch damit zu tun, dass er sich oft sehr schlecht verhält, und dass die letzten Urlaube mit ihm die Hölle waren, und dass mein Lebensgefährte eigentlich viel früher sehr viel mehr auf meine Gefühle hätte achten müssen, statt immer nur seinen Sohn zu sehen.

Und jetzt? Was mach ich nun damit? Die Wochenenden mit ihm sind für mich jedes Mal unangenehm. Am liebsten wäre mir, ich müsste ihn mal ein halbes Jahr überhaupt nicht sehen, aber dafür müsste ich mich von meinem Freund trennen. Wie sieht das nun konkret aus, "damit leben"? Zähne zusammen beißen, ist das alles?
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Beitrag von carlotta37 »

Nein! NAtürlich nicht nur Zähne zusammen beissen!

Also, iin Deinem Beispiel: was tut Dir gut? Nimm Deine Gefühle und Bedürfnisse ernst. Du darfst Dich ja distanzieren - ein ehrlicher Abstand ist besser als sich jedes Wochenende zu verbiegen und so zu tun als ob....
Natürlich kannst Du dem Kind nicht komplett aus dem Weg gehen, aber soweit ich weiss, hast Du bereits gemeinsame Urlaube gestrichen z.B.. Das war sicher richtig so und ist eine Möglichkeit, nicht noch mehrr Abneigung aufzubauen und stressige Situationen erstmal zu vermeiden.

Du sagst, Dein Partner hätte von Anfang an mehr auf Deine Gefühle eingehen müssen. Das ist nun Vergangenheit und Konjunktiv. Ich finde, sowas muss man loslassen können, sonst gärt es im Untergrund immer weiter und vergiftet die Atmosphäre.
Es ist gar nicht so einfach als Vater oder Mutter, wenn man irgendwie zwischen Kindern und neuer Partnerin/Partner steht, die sich nicht mögen. Aber das nur nebenbei....

Ihr lebt ja jetzt und immer noch zusammen, also habt Ihr täglich eine neue Chance. Wenn es Dir irgendwie gelingt, Deinem Partner klar zu machen, dass Du Abstand von seinem Sohn brauchst, ohne dabei Vorwürfe zu äussern oder extreme Abneigung gegen den Jungen, könnt Ihr vielleicht ein gemeinsames Vorgehen finden. Möglicherweise akzeptiert er dann eher, dass Du Abstand brauchst? Und macht von sich aus entsprechende Vorschläge?
Wie laufen denn nun die Wochenenden ab? Kümmert er sich um seinen Sohn? Unternimmt er etwas mit ihm allein? Solche Abmachungen könnte man treffen und dann reduziert sich die gemeinsame Zeit schonmal.

Letztlich denke ich, musst Du dem Kind aber auch eine Chance geben. Abstand kann helfen, aber das Ziel müsste schon sein, dass Ihr Euch irgendwann wieder annähert. Kinder entwickeln sich ja, da kann man auch ganz schön überrascht werden. Es wäre ganz wichtig dass Du dafür innerlich offen bleibst und Dich - wenn Du das Kind nun nur noch in kurzen Momenten miterlebst - aktiv darum bemühst, auch positive Seiten an ihm zu sehen oder kleine Momente auch mit ihm zu geniessen.

Was macht Ihr nun mit den Ferien?

Übrigens: man hat schon selber Einfluss auf die eigenen Gefühle. Ich weiss z.B. sehr genau, dass ich mich in ewas reinsteigern kann, aber ich weiss auch, wie ich das vermeiden oder durchbrechen kann. Ich muss mir dann immer wieder selber sagen: lass das, suche nicht immer noch mehr Beweise für das unmögliche Verhalten von Person X. Schreib etwas Positives über diese Person auf, denk an etwas Schönes!
Oft hilft das tatsächlich. Es mag komisch klingen - aber wir sind als Erwachsene nicht nur ausgeliefert an unsere Gefühle, wir können sie bis zu einem gewissen Grad auch lenken und verändern!!
tarzan
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Beitrag von tarzan »

Gedanken und Gefühle haben nur mit uns zu tun. Die sind selbstgemacht, die Personen sind nur der Auslöser, aber wie es in mir denkt oder fühlt, das ist unsere eigene Sache.

Dann hat man die Wahl wie man sich fühlen und denken kann. Sehr wichtig ist, dass man den eigenen inneren Frieden hat, und sein Glück nicht von anderen Personen abhängig macht.

Wir müssen zuerst in uns innen Klarheit haben, dann kommt sie auch im aussen. Wir finden im aussen nichts, was wir nicht in uns haben.

Carlotta hat das gut beschrieben.
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Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

BabyOne hat geschrieben:... dass ich bei einer jähzornigen, nörglerischen Mutter aufgewachsen bin, so dass mich jetzt der Jähzorn und das Meckern und Nörgeln meines Stiefsohnes vielleicht stärker treffen als jemand anderen.
Bei mir war es anfangs die Ex-Frau, welche ein ähnliches Verhalten hat wie meine Mutter. Ihr Umgang mit den Kindern hat alte Wunden in mir wieder aufgerissen. Ich sah soviele Parallelen aus meiner Kindheit. Daher habe ich mich ja auch so für die Kinder engagiert und bei dem Kampf um die Obhutsumteilung eben auch meine Erfahrungen mit eingebracht.

Mein Partner hatte sich bereits seit Jahren mit dem Verhalten seiner Frau auseinander gesetzt. Und dank Literatur und einem Borderline-Forum fand ich Antworten. Endlich konnte ich den Teufelskreis und die Muster meiner schwierigen Mutterbeziehung ergründen.

Nun, ich kann meine Vergangenheit nicht ändern und meine Mutter in ihrem Alter schon gar nicht mehr. Also akzeptiere ich was ist. Ich habe ja das Glück, mein Leben anders zu gestalten.

Beim älteren Stiefsohn wurde es für mich insofern schwierig, da er eben auch das gleiche Verhalten hatte wie seine Mutter, resp. meine Mutter. Dann fühlte ich mich wieder wie damals als kleines Kind, welches zitterte und überlegte, womit es die Mutter wieder freundlich stimmen konnte. Da gabs Momente, da ich mich kaum getraute zu atmen. Oder ich habe die Sätze so vorsichtig und nicht wertend formuliert, um ja keinen Ausbruch zu riskieren und stotterte fast ... ne, das kanns nicht sein. Er ist das Kind und hat soviel Macht über mich?

Irgendwann zog ich mich ja dann zurück. Ich war zwar physisch da, aber emotional ziemlich standby. Auch in den Ferien. Ich fühle mich nicht mehr verantwortlich und lasse einfach die Zeit vorüber gehen. Wenn ich Lust habe und nervlich fit, dann gebe ich mich ein und sonst bin ich einfach anwesend. Ich kann mich in den Ferien auch alleine beschäftigen. Da unsere Ferien eigentlich immer gleich ablaufen, habe ich auch keinen Anspruch auf exclusive, einzigartige, gigantische Urlaubstage. Die Zeit wird kommen, da dies möglich ist. Bis jetzt begleitete ich meinen Partner einfach, damit er mit seinen Söhnen nicht alleine war.

Letztes Jahr war es ja ganz schlimm. Aber nicht nur wegen den Jungs, sondern v.a. wegen dem Wetter. Ich habe ja darüber geschrieben. Wir waren nicht auf permanent Schlechtwetter eingerichtet. Wenn man dann während Tagen nicht im Trocknen essen kann, ständig alles feucht ist, mein Rollstuhl kaum durch den Match kam und meine Kleider entsprechend aussahen, da hätte ich am liebsten gesagt: Ich bin ein Star, holt mich hier raus. :-) Ich habe mir dann einfach gesagt, dass ich mich irgendwann über diese Erlebnisse amüsieren werde. Ich zählte die Tage und Stunden, bis wir am Zielbahnhof von meinem Ex-Mann abgeholt wurden. Bis dahin habe ich mich mit der Situation arrangiert. Es ist jetzt einfach so. Punkt. Es geht vorbei. Ich habe einfach funktioniert. Ich habe weder Ansprüche gestellt noch überlegt, wie ich mich fühle, noch irgendwas gewertet.

Und bei den Jungs habe ich mich ebenfalls distanziert. Ich sagte mir jeweils: es sind nicht meine Kinder. Sie müssen mir nicht peinlich sein. Im Urlaub kennt uns niemand. Und wenn es zu einem Kontakt kommt, dann lässt sich die Situation erklären. Nicht ich benehme mich daneben, sie sind es. Man kann sie zwischendurch daran erinnen. Einfach für später, wenn sie sich mal zurück erinnern. Und hätte man uns aus dem Camping geworfen, dann hätten wir der Mutter telefoniert, sie könne ihr Kind abholen. Ob wirs dann gemacht hätten, vermutlich nicht, aber ein bisschen Ironie ist manchmal ganz hilfreich.


Und mir gefällt halt der Spruch: Was mich nicht umbringt, macht mich stark. Ich habe durch unser Patchwork so viel gelernt. Es hilft, wenn man sich den negativen Gefühlen hingibt. Akzeptiert, dass die jetzt halt da sind. Die gehen irgendwann auch wieder. Sie gehören zum Leben.
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