Mutter-Tochter Konflikt

Meine persönliche Entwicklung, Erfahrung
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isabel73
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Mutter-Tochter Konflikt

Beitrag von isabel73 »

Liebe LeserInnen

Wer unter Euch hat auch eine schwierige Beziehung zur eigenen Mutter und kann mir einen Rat geben??

Seit der Geburt meines Sohnes vor eineinhalb Jahren habe ich den Eindruck, dass die Beziehung zu meiner Mutter immer schwieriger wird, welche jetzt an einem totalen Tiefpunkt angelangt ist.
Meine Mutter hat sicher schwierige Stationen in ihrem Leben durchgemacht wie der verlust eines Kindes und eine Krebserkrankung, welche sie zum Glück "gut" überstanden hat, zumindest körperlich. Ich habe sie viel Unterstützt in dieser Zeit, bin von Spezialist zu Spezialist mit ihr gegangen und habe sie nach besten Kräften auch emotional versucht zu tragen und Hoffnung zu geben. Das war für mich selbstverständlich. Aber jetzt bin ich selber am Ende, ich weiss gar nicht, wie diese Entfremdung zu ihr enstehen konnte.
Es ist halt nur so, seit ich eigene Kinder habe, kommen mir so viele Kindheitserinnerungen in den Sinn, meine Gedanken kreisen ständig um diese Bilder und deprimieren mich total. Es gab Situationen, wo meine Mutter meine Schwester und mich regelrecht geprügelt hat, das bis ins Alter von 22, und ich kann ihr das einfach nicht verzeihen, es hat im Herzen so weh getan und tut es heute noch. Ich habe sie kürzlich in einem Sterit damit konfrontiert, musste aber einsehen, dass es keinen Sinn macht, da sie sehr wütig geworden ist und mich mit den Kindern regelrecht aus dem Haus geworfen hat. Damit tut sie sich nur selber weh. Sie ist leider kein Mensch, der sich grundsätzlich für etwas entschuldigt bei mir, das habe ich ihr auch gesagt, sie meinte, sie wüsste nicht weshalb, da es nichts bringen würde - worauf ich ihr antwortete, dass sie es vielleicht auch für sich selber tun würde. Ich weiss nicht, ob sie die Bedeutung verstanden hat. Jedenfalls macht mir meine Mutter einen verbitterten Eindruck, ich finde es schade, dass sie sich nie Hilfe von aussen gesucht hat. Was die Schläge betrifft, so begründet sie diese so, dass sie selbst von ihrem Ex-Ehemann (meinem Vater) geschlagen worden sei und er Schuld daran sei, dass sie so geworden ist.
Ein Kind durch Unfalltod zu verlieren ist etwas vom Schlimmsten, dass einer Mutter passieren kann, und eine schwere Krankheit durchzustehen, aber die eigenen Kinder zu schlagen und auch mit Psychoterror die Kinder zu ängstigen (sie drohte einmal aus dem Fenster zu springen, da sie in ihrer tiefdepressiven Phase war), ist das eine Entschuldigung ??

Im Moment ertrage ich ihre Nähe nicht und muss Abstand halten, ich erwäge sogar, eine Therapie zu machen, um selber innerlich zur Ruhe zu kommen oder um ihr emotional für mich verzeihen zu können.
Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht ?
Vielen Dank!
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Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

Liebe Isabel

Die Beziehung zu meiner Mutter ist auch nicht das, was ich mir wünsche. Heute geht es mir aber soweit gut, dass ich mich abgrenzen kann und nach vielen Therapien meinen Weg gefunden habe.

Das Problem bei uns: sie hatte eine unglückliche Kindheit. Meine Grossmutter ging bei reichen prominenten Leuten putzen, spielte dort die Grand Dame. Meine Mutter musste währenddessen ihre Geschwister (alles Jungs) hüten und erziehen. Ihre eigenen Bedürfnisse kamen dabei zu kurz. Die Jugendfürsorge holte sie dann da raus und brachte sie zur Erholung in eine Höhenklink. Dort schummelte sie ihre Mutter wieder raus und der "Missbrauch" ging weiter.

Auf jeden Fall wollte dann meine Mutter, dass ich das Leben führen würde, welches sie nicht konnte. Ich wollte aber keine Karriere und bin auch sonst eher nach meinem Vater geworden. Und den hasste sie, weil sich der auch nicht durch sie beeinflussen liess.

Als Kind musste ich mir anhören, welch undankbares Kind ich sei. Der schlimsmte Satz: man hätte mich im Spital vertauscht, ihr Kind wäre ein liebes.

Da sie berufstätig sein musste, da mein Vater ja nicht so viel Geld brachte, wie es sich meine Mutter wünschte, war ich oft alleine und fühlte mich im Stich gelassen. Und wenn ich dann mal was machte, genügte es nie. Zwischendurch war sie o.k. Das machte es oft so schwer. Es wäre einfacher, wenn sie durch und durch schlecht/böse gewesen wäre. Mein Vater hatte keine Chance, mir zu helfen.


Eine Lehrerin wollte mir mal helfen und auch die Kollegen verstanden das Abhängigkeitsverhältnis nicht.
Nach der Geburt meiner Tochter fiel ich in eine tiefe Depression mit Suizidgedanken. Das war für mich der Punkt, wo ich mir Hilfe holte und meine Vergangenheit aufarbeitete. Ich hatte einen super Psychiater gefunden, der ganz viele versch. Therapien angeboten hat. Nach und nach lernte ich, ihre Geschichte bei ihr zu lassen und für mich einzustehen. Ich verstand, weshalb sie das alles tut und lernte überhaupt viel über die Psyche des Menschen.
Ein guter Freund half mir Sätze zu üben, die ich bei Bedarf sagen kann und mit der Zeit wurde ich richtig vorwitzig und mutig.
Ich brachte Sätze wie: "wenn du wieder so böse Sachen zu mir sagst, dann hänge ich das Telefon auf. Sowas muss ich mir nicht antun. Ich weiss nicht, weshalb ich in diese verbalen Messer laufen muss. Dafür liebe ich mich zu fest."
Meien Mutter war ganz irritiert. Das ich Konter gebe, das war sie sich nicht gewohnt.

"Liebst du mich als dein Kind? Wieso beleidigst du mich dann? Wenn ich nicht gut erzogen bin, dann musst du mit dir selber über die Bücher, du hast mich schliesslich erzogen."

Und dann gabs natürlich noch ganz viele Spiele ihrerseits, die ich mit der Zeit durchschaut habe. Nach meiner Scheidung hatte sie das Gefühl, sie hätte wieder die Vollmacht über mich und der Terror nahm zu. Wie stehe ich denn da, vor meiner Tochter? Die war total schockiert, wie meine Mutter mit mir umgegangen ist.
Da habe ich jeweils meiner Mutter gedroht: wenn sie mich wieder fertig macht, werde ich aufstehen und ihre Wohnung verlassen. Ihre Vergangenheit ist ihre. Sie kann sich ändern. Niemand muss auf Dauer einen Zustand ertragen.
Mein Leben gehört mir.

Dann habe ich jahrelang den Kontakt abgebrochen. Eigentlich unfreiwillig. Ich wollte sie mit unserem Haus überraschen, in dem ich seit Patchwork wohne. Das Haus war aber nie fertig eingerichtet, so kam es nie zu dieser Einladung und plötzlich waren 3 Jahre vergangen. Mein Bruder, ihr Lieblingskind, hatte in der Zwischenzeit sehr viele Gespräche mit ihr geführt und irgendwann haben wir uns wieder langsam genähert.

Ich gebe aber zu: mein Verhalten ihr gegenüber ist distanziert und kontrolliert. Ich behandle sie als Frau, die mich geboren und erzogen hat. Als Tochter empfinde ich eine Art von Verantwortung, da sie schon sehr alt ist und ev. nicht mehr lange lebt. Sie wird fast zusehends dement.

Dir Isabel kann ich eien Therapie wirklich nur empfehlen. Wir haben schliesslich auch eine Verantwortung gegenüber unseren Kindern und wenn wir nicht an unseren Geschichten arbeiten, dann geben wir diese Muster weiter.
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BabyOne
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Beitrag von BabyOne »

Hallo Isabel,

meine Situation scheint Deiner etwas ähnlich zu sein.

Meine Mutter war ziemlich jung und ist ungewollt mit mir schwanger geworden. Ich war dann der Grund für die Heirat meiner Eltern, meine Mutter kam aus dem Ausland und hat damit Hals über Kopf ihre Familie verlassen. Sie war selber das älteste Kind (wie ich) und hatte glaube ich eine gute Beziehung zu ihrem Vater, aber eine schlechte Beziehung zu ihrer eigenen Mutter. Meine Großmutter war eine sehr penible, kontrollierte Frau, ich glaube sie war gar nicht wild darauf überhaupt Kinder zu haben, aber damals ließ sich das noch nicht so verhindern.

Ich war wohl in der ersten Klasse, als meine Mutter mich das erste Mal wirklich brutal geschlagen und getreten hat. Ich war damals völlig fassungslos und geschockt. Ähnliche Situationen sind danach noch ein paar Mal passiert. Auch meinen Bruder hat sie wohl einmal so getreten, aber er war eigentlich ihr großer Liebling, als er dann da war (er ist zehn Jahre jünger als ich). Die Ehe meiner Eltern war auch nicht gerade toll, es gab immer wieder und immer schlimmere Krisen, und einmal auch eine Situation mit körperlicher Gewalt (die auch von meiner Mutter ausging). Danach packte sie meinem Vater und mir einen Koffer und verlangte wir sollten verschwinden. Damals war ich auch gerade erst sechs oder sieben Jahre alt. Ich stand damals daneben und musste das alles mit ansehen. Ich habe geschrien vor Angst, aber das hat sie nicht interessiert.

Als dann mein Bruder da war, hat sie mir buchstäblich die Butter auf dem Brot nicht mehr gegönnt. Alles war nur noch für ihn, bei jedem Streit zwischen ihm und mir bekam er Recht und ich war die böse große Schwester die ihn angeblich provoziert hatte. Das ging so weit, dass er irgendwann als noch ziemlich kleines Kind zu den Eltern petzen ging - mein Vergehen war "X hat mich po-vo-ziert!". Ich wurde morgens nicht mal gegrüßt, wurde für alles kleingemacht und angeschrien, niemals umarmt, ich bekam jahrelang bis ins Teenageralter kein Taschengeld, hatte nur ganz wenig Kleidung (obwohl meine Eltern keine finanziellen Probleme hatten) etc. Im Grunde war ich sowas wie das Aschenputtel. Ich habe jahrelang darüber nachgedacht von zuhause wegzulaufen oder dass ich sterben wollte. Ich weiss noch wie ich an meinem 13. Geburtstag geweint habe, weil ich wusste dass es noch fünf Jahre dauert bis ich volljährig bin und sechs bis ich fertig mit der Schule bin und endlich weggehen kann.

Als ich dann von zuhause weggegangen bin und einen Freund hatte, da hatte ich nach einigen Jahren das Gefühl ich könnte das alles vergessen und verzeihen, und dass es vorbei und nicht mehr so wichtig ist. Aber dann habe ich meine Tochter bekommen - bislang das einzige Enkelkind meiner Eltern. Und nach einiger Zeit habe ich festgestellt, dass meine Mutter sich meiner Tochter gegenüber genauso ungeduldig und lieblos verhält wie früher mir gegenüber. Letztes Jahr waren wir nach Jahren zum ersten Mal eine Woche bei ihr zu Besuch und es war ein Desaster. Mein Stiefsohn war dabei (den sie fast nicht kennt), und den hat sie bei Spaziergängen an die Hand genommen und ihm abends vorgelesen, meiner Tochter aber nicht. Mir gegenüber war sie auch feindselig. Es kam mir vor als wäre ich in meine Kindheit und Jugend zurück versetzt worden, und seitdem sitze ich immer wieder da und mir laufen die Tränen wenn ich daran denke wie unglücklich ich als Kind war.

Bei der Familientherapeutin, wo ich eigentlich nur wegen dem Stiefsohn hingehe, bin ich fast zusammen gebrochen als ich davon erzählt habe. Sie meint, dass die Gefühle noch genauso stark sind wie damals zeigt dass ich traumatisiert bin und ich sollte zumindest eine Kurzzeittherapie machen. Und es scheint so, dass es auch kein Zufall ist dass das Thema jetzt wieder so bedeutend wird, denn meine Tochter ist jetzt gerade in dem Alter in dem ich war als meine Mutter damit anfing mir gegenüber so lieblos zu werden, und auch bei uns ist durch den Stiefsohn eine Variante von meiner Geschwisterkonstellation gegeben.

Was sehr schlimm ist, ist dass ich in manchen Momenten (wenn sie sehr bockig ist) eine solche Wut gegen meine Tochter spüre, dass ich das Bedürfnis spüre zuzuschlagen, so wie ich damals geschlagen wurde. Ich schlage dann so fest ich kann auf den Tisch. Wenn ich den Schmerz in der Hand spüre, lässt die Wut nach. Aber es ist mir auch schon vorgekommen, dass ich sie geschlagen habe. Zum Glück schon länger nicht mehr.

Es hat mir auch lange sehr weh getan, dass meine Tochter keine nette Oma hat. Ich würde mir mehr für sie wünschen.

Mein Freund meinte schon oft, ich sollte die direkte Konfrontation mit meiner Mutter suchen, aber ich halte nichts davon. Sie hat sich selbst nie mit ihrer eigenen Mutter ausgesprochen, und ein Versuch den ich vor vielen Jahren gemacht habe ist damals kläglich schief gegangen. Sie hat nur höhnisch gelacht. Sie würde nie zugeben dass sie mir gegenüber so lieblos war. Ich meide den Kontakt und melde mich so gut wie nie bei ihr. Das hat den Nachteil, dass ich auch kaum Kontakt mit meinem Vater habe, was mir etwas leid tut. Aber die Vorstellung dass ich ihn anrufe und sie geht ans Telefon... lieber nicht.
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eine gemeinsame Tochter 15 J.
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Ria
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Beitrag von Ria »

Hallo Isabel

Frieden mit unseren Eltern zu finden ist möglich und für unsere Lebensqualität wichtig, gerade dann, wenn wir selber auch Eltern sind. Und wie Buchenholz schon geschrieben hat: Wenn wir das schaffen, nehmen wir auch unseren Kindern eine Bürde ab.

All jene, die ihr Kind schon einmal geschlagen haben: Wie habt ihr euch dabei gefühlt? Stark? Kaum. Wie gerne werdet ihr daran erinnert?

Frieden ist nur möglich, wenn wir unser Recht auf Rache aufgeben. Wenn uns der andere nichts mehr schuldig ist. Wenn wir vom anderen nicht mehr fordern, die Vergangenheit zu ändern (was ja sowieso nicht möglich ist) und das stehen lassen können, was war.
Gerade unsere Eltern kamen mit uns an ihre Grenzen und tun sich vielleicht schwer damit, sich das auch selber einzugestehen.

Was aber hilft uns weiter?
Die Fragen:
Hat mir das geschadet?
Was war mein persönlicher Gewinn daraus? (vielleicht habe ich mich dann zurückgezogen und konnte mein eigenes Ding drehen/ich war meinem anderen Elternteil/Geschwister näher...)
Was brauche ich heute noch von meinen Eltern, um glücklich zu sein? Bin ich noch ein kleines Kind und abhängig von ihnen? Oder haben sie ihre Elternaufgabe erfüllt und wir sind jetzt überlebensfähig?
Wie viel Zeit WILL ich mit ihnen verbringen? Und nicht wie viel SOLLTE ich, um einem guten Bild zu entsprechen!

Wenn wir unsere Eltern für ihr Verhalten verachten, können sie uns nicht liebevoll gegenüber treten, dann müssen sie sich dauernd gegen uns und unsere negative Meinung wehren.

Wenn du wirklich etwas ändern willst: Hol dir die Unterstützung, die dir entspricht. Es lohnt sich!
Seit 27 Jahren Patchworkfamilienfrau und Coach für solche :-)
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isabel73
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Beitrag von isabel73 »

Liebe Ria und Leser!nnen

Danke für Eure Antworten.
Was Eure Kernaussagen betrifft, so bin ich mir vollkommen bewusst, dass

- ich kein Kind mehr bin und mein Selbstwertgefühl nicht mehr von der Anerkennung meiner Mutter abhängig ist

- ich aufhören sollte, heute immer noch Erwartungen an meine Mutter zu stellen, die sie ja selbst in meiner Kindheit nicht erfüllen konnte

- ich Verantwortung über mein eigenes Leben trage und es an mir liegt, dieses "Erbe" an meine Kinder weiterzugeben oder nicht. Das will ich natürlich nicht, darum habe ich erkannt, dass ich selber nicht aus der "Opferrolle" heraus selber zur "Täterin" werden möchte. Das hört sich brutal oder schwarzweissgemalt an, aber ich denke, wenn man diese Mechanismen begreift, versteht man erst, was sie mit einem anstellen und kann etwas dagegen tun

- ich meiner Mutter ohne Rachegefühle oder Schuldzuweisungen begegnen möchte. Aber wie macht man das ?

Mir ist klar geworden, trotz alledem, dass ich so viel über diese Dinge nachgedacht habe, bringt es mich schlussendlich nicht weiter und in trete in der Begegnung mit meiner Mutter immer wieder in dieselben "Fettnäpfchen" und die Situation nimmt dann eine Eigendynamik an, wo jede die andere mit Vorwürfen überhäuft und meine Mutter mich vorallem mit grausamen Beleidigungen zutiefst verletzt. Das will ich nicht mehr, ich will mich irgendwie "immunisieren", und das geht nicht alleine.
2 Stiefkinder, 1 leibliches Kind
tarzan
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Beitrag von tarzan »

Hallo isabel

Meine Kind- und Schulzeit war nicht besonders schön. Zu meinem Vater hab ich ein sehr distanziertes Verhältnis. Wo ich ausgezogen bin, konnte ich aber mit der Vergangenheit abschliessen.

Wenn ich heute auf Besuch gehe, dann bleibe ich solange wie es für mich stimmt, merke ich, dass es mir nicht mehr wohl ist, verabschiede ich mich. Ich lasse mich auch nicht mehr auf irgendwelche hitzigen Diskussionen ein, ich gehe vorher.

Ich würde auf Distanz gehen und bleiben. Du musst nicht vorbei gehen, wenn es dir nicht wohl ist. Und nur weil es die Mutter ist.
Liebe sich nur 1x im Monat begegnen und es ist allen wohl dabei, statt sich in eine Situation begeben, wo du dich geplagt fühlst. Tu dir das nicht an, und auch deinen Kindern nicht. Sie kommen auch klar, wenn sie ihre Grossmutter wenig sehen.

Gebe Dich mit Leuten ab, welche dir gut tun, und nicht mit Leuten welche dich verunsichern und verzweifeln lässt.
15 Jahre Patchworkerfahrung
carlotta37
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Registriert: 29.10.2007 15:45

Beitrag von carlotta37 »

Hm, ich hatte zum Glück eine sehr schöne Kindheit. Aber ab der Jugend ein sehr schwieriges Verhältnis zu meinem Vater. Gewalt war da nicht im Spiel, aber Angst hatte ich vor ihm: er war/ist ein richtiger Choleriker, bei ihm genügte ein strenger Blick, um mich zum heulen zu bringen und seine Bemerkungen trafen wie Nadelstiche immer ins Schwarze. Seine Ansprüche konnte ich NIE erfüllen - dachte ich.
Das hat mich auch noch lange beeinflusst.

Heute können wir uns mit Respekt begegnen, allerdings halten wir es nicht besonders lange unter einem Dach aus....Ich weiss inzwischen, dass er seine Gefühle kaum ausdrücken kann. Noch heute kann er diese spitzen Bermerkungen machen, die mich zum Weinen bringen. Er ist Naturwissenschaftler, für ihn ist alles ganz klar und deutlich, Gefühle anderer Menschen respektiert er nicht. Dabei hat er selber ein sehr ausgeprägtes Gefühlsleben....!
Er ist aber auch ein sehr guter Ratgeber gewesen, bis er vor zwei Jahren schwer krank war und seitdem mehr und mehr abbaut. Selber hatte er kein einfaches Leben und ich kann heute als Erwachsene einfach auch besser verstehen, warum er so ist wie er ist. Das hilft mir sehr im Umgang mit ihm.

Wir vermeiden es inzwischen, uns gegenseitig länger zu besuchen. Überhaupt ist der Kontakt eher selten. Allerdings: wenn er mich mal brauchen sollte, wäre ich für ihn da. Es ist für mich sehr viel einfacher, seit ich in ihm nicht mehr den übermächtigen Vater sehe, der mich und mein Leben kontrollieren und bewerten kann, sondern einen alten Mann mit einer eigenen, schwierigen Biographie, der aber auch ganz viele positive Seiten hat und in seinem Leben extrem viel geleistet hat. Heute fühle ich mich fast erwachsener als er und bin deswegen weniger angreifbar. ICh weiss, dass eine Aussprache keinen Sinn hat, also lasse ich es. Für mein Leben bin ich sowieso selber verantwortlich.

Zu meiner Mutter habe ich ein sehr enges und herzliches Verhältnis, zum Glück haben wir genug Möglichkeiten, uns ohne meinen Vater zu sehen.
Lustigerweise hat mein mittlerer Sohn zu seinem Opa eine ganz besondere Beziehung, während die anderen beiden Kinder ihm eher ausweichen. Aber der Mittlere versteht seinen Opa und der Opa versteht ihn. Ich glaube mein Vater sieht in diesem Jungen sich selber als Kind und es rührt mich sehr, wie weich und zart er mit ihm umgeht. So eine Seite habe ich an ihm nie erlebt als Kind. Insofern freut mich das sehr, ich glaube, es tut beiden gut und sie sind sich auch ähnlich (beide so kleine Mathe-Genies).

Ich würde auch sagen, es besteht keine Verpflichtung, das Verhältnis zu den eigenen Eltern afu eine festgelegte Weise zu gestalten. Ich hab schon vor Jahren gesagt, mein Vater und ich lieben uns umso mehr je mehr Kilometer uns trennen. Wir können eben im Alltag nicht miteinander und das zu akzeptieren, vermeidet weitere Verletzungen auf beiden Seiten und erhält den gegenseitigen Respekt.
Bei Gewalterfahrungen denke ich, dass ein Trauma bleibt, das wahrscheinlich nur in einer Therapie aufgearbeitet werden kann!
Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

Körperliche Gewalt spürte ich keine seitens meiner Eltern. Mal eine Ohrfeige oder ein Klapf auf den Hintern. Aber das war damals noch üblich. Die Gewalt war psychisch und von daher schlimm, dass man die von aussen nicht sieht.
In der Pubertät drohte ich meiner Mutter mal, ich würde sie bei der Polizei anzeigen. Sie lächelte und konterte, dass man mir nie glauben würde.

Auch mein Vater hatte eine tragische Kindheit. Er war Verdingbub, kam zu einer Bauernfamilie, die einer Sekte angehörte und wurde dort oft geschlagen. Schlafen musste er irgendwo in einer Scheune, zu Essen gab es kaum etwas. Seine Vertraute war eine Magd. Mein Vater war sicher auch traumatisiert. Gegenüber mir war er aber ein absolut liebenswürdiger Vater. Er hat mir die Liebe / Vertrauen / Respekt und Anerkennung gegeben, die er selber nie erfahren hat. Menschen können also ganz unterschidlich mit solchen Geschichten umgehen.

Als ich meiner Mutter irgendwann mal beichtete, dass ich in psychiatrischer Behandlung sei, wurde sie wütend. Sie wollte nicht, dass ich meine Psyche ergründe. (ich könnte ja etwas finden) Irgenwann erklärte sie mir, ich sei genau so schizophren wie mein Vater. Nach einer Therapiephase wollte ich mit der ganzen Familie unsere Verganenheit aufarbeiten. Sie war sofort dafür, damit man mir endlich sagt, wie krank ich sei. Meine Mutter durfte aus einer Liste von Psychologen eine Adresse aussuchen. Sie hat es nicht getan. Grund: sie will nicht an sich arbeiten. Es ist einfacher, immer anderen die Schuld zu geben und das Opfer zu spielen.

Es lag ihr aber immer viel daran, ihre dramatische Vergangenheit zu erzählen. Und sie wollte auf der Rangliste der armen Menschen den obersten Podestplatz inne halten. Irgendwann wollte ich das nicht mehr hören und habe ihr eben auch geraten, ihre Geschichte aufzuarbeiten. Aber eben sie wollte nicht. Ergo war es vielleicht gar nicht so schlimm.

Wie meine Vorschreiberinnen: man darf sich nicht mehr provozieren lassen.

Mir haben auch Bücher geholfen. Sehr empfehlenswert "Die Masken der Niedertracht" siehe Literaturtipps.
Bacci2
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Beitrag von Bacci2 »

Hallo Isabel, ich hatte eine auch nicht ganz leichte Kindheit. Wurde auch von meinen Eltern viel grundlos geschlagen. Aber sie haben gelernt. Bei meinem Bruder der 11 Jahre später kam, konnten sie schon viel mehr Liebe geben und er wurde nicht mehr geschlagen. Heute sind sie so weit, dass sie auch zugeben, dass es nicht richtig war. Aber sie meinten halt auch, dass das vor 40 Jahren halt noch so war, man kannte das einfach so. Aber sie haben sich entschuldigt und sind auch bereit jederzeit mit uns darüber zu reden.
Wenn deine Mutter nicht dazu bereit ist, dann würde ich eine Therapie machen. Damit du selbst damit klar kommst.
Patchwork seit 2003, 1 Sohn aus 1. Ehe, 2 gemeinsame Kids und 2 Stiefkinder die nicht bei uns wohnen
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