Aus der Sicht des Patchworkkindes....

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Nin
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Aus der Sicht des Patchworkkindes....

Beitrag von Nin »

Also, wie ihr wisst, ist mein Vater vor kurzem gestorben.

Wir hatten es auch besprochen, aber seine Entscheidung war da sowieso schon getroffen: Mein Vater hat alles, seine Wohnung, seine Möbel, alles, seiner zweiten Frau vererbt. Sie waren drei Jahre verheiratet. Meine Eltern 36. Wenn eines Tages meine Stiefmutter stirbt (sie ist 57) erben wir drei Kinder alles von ihr.

Nein, es geht nicht darum, dass meine Mutter etwas erben sollte, oder wir... aber...

Die zweite Frau meines Vaters war nur sehr teilzeit berufstätig. Und meine Mutter gerade nicht 65. Sie bekommt also immer noch Unterhalt. Nach dem Tod meines Vaters ging seine gesamte Rente an seine zweite Frau, drei Monate lang. Und kein Pfennig an meine Mutter. Die zweite Frau meines Vaters hat meiner Mutter nicht mal den Unterhalt überwiesen.

Jetzt, nach drei Monaten hört die Rente auf zu fliessen, dann bekommt meine Mutter den ihr zustehenden Teil direkt. Während drei Monaten haben wir Kinder sie also über Wasser gehalten. (was nicht hilft für die Geldsorgen). Der Anwalt meiner Mutter hat gesagt, sei könne nichts machen: ihr Anspruch ginge an meinen Vater oder an die Ausgleichskasse. Wenn die zweite Frau meines Vaters ihr also den ihr zustehenden Teil zahlen würde, sei das fair aber nicht verpflichtend. Tut seine zweite Frau aber nicht.

Nun gut, nach drei Monaten steht sie ohne jede Rente da, und sie nimmt in der Zeit, was sie kriegen kann, aber es war ein harter Schock.

Andere Dinge auch: sie hat also alles geerbt - das ist auch okay. Aber jetzt hat sie Dinge meines Vaters weiter gegeben, ohne uns auch nur zu fragen. Schöne Dinge - ein Museum hat sie genommen. Es tut weh, dass sie nicht einmal fragt. Natürlich muss sie nicht. Aber es ist, als hätte mein Vater nur diese drei Jahre mit ihr gelebt und nicht alle die vorher mit uns. Sie will alle seine Tagebücher verbrennen. Wenn wir sie wollen, sollen wir sie holen. Aber jetzt kann ich nicht! Aber in ein paar Jahren würde ich sie gerne lesen können. Nein. Sie müssen jetzt gleich weggeschafft werden. Jetzt spricht meine Stiefmutter davon, die Wohnung meines Vaters sehr bald zu verkaufen. Dann kann sie von dem Geld ziemlich gut leben. Es ist ihr Recht. Aber das sie nicht fragt, dass sie auch nciht daran denkt, dass wir vielleicht ein paar Dinge von unserem Vater gerne hätten.... das tut weh.
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
Anita

Beitrag von Anita »

ohje nin das ist traurig :cry: ...

vielleicht kann dein mann bei ihr vorbei fahren und die tagebücher abholen? ich finde schon, dass die sehr wichtig sind und nicht einfach verbrannt werden sollten.
kannst du mit ihr reden? ihr vielleicht mitteilen, dass ihr den schmerz ja teilt? oder ein brief schreiben?

ich wünsche auch deinem mami viel kraft....wirklich eine schwere zeit die ihr da habt.

*umarm*
anita
Bernina

Beitrag von Bernina »

Liebe Nin

Das tut mir leid.
Wieso werden wir für etwas bestraft, wo wir gar nichts dafür können?

Deine Stiefmutter ist vermutlich eifersüchtig, dass ihr euren Vater (aus ihrer Sicht) viel unbeschwerter geniessen konntet. Du hattest ihn dein ganzes Leben, sie nur 3 Jahre inkl. Altlasten.

Als meine Mutter ihr (auch unser) Haus verkaufte, musste sie von einer 7 Zimmer Villa in eine 3 Zimmer Wohnung ziemlich räumen. Sie hat ganz viele Antiquitäten ins Brockenhaus gegen, mitunter Sachen, an denen ich gehangen bin und ständig sagte, falls sie es mal nicht mehr wolle, ich nähme es gerne. Im Gegenbezug gab sie mir Dinge, die ich regelmässig in Versandkatalogen sehe und jederzeit nachbestellen könnte, die ich aber gar nicht will.

Wegen der Tagebücher: Kann sie dir die nicht schicken? Du würdest ihr das Porto zurückvergüten. Aber villeicht ist ihr sogar dies zu anstrengend. Sie will dich einfach qälen.
tabida
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Beitrag von tabida »

Hallo Nin

Erkundige Dich unbedingt nach der rechtlichen Situation. Ich denke nicht, dass sie die Wohnung einfach so verkaufen kann - wenn ihr ja nach ihrem Tod von ihr erben würdet. Ich nehme an ihr habt das Testament Eures Vaters indem dies festgelegt ist. Wenn sie alles verkauft und weggibt könntet ihr ja nichts mehr erben. In der Regel gibt es in solchen Fällen ja eine Nutzniessung.

Und dann sag ihr doch, was Du von Deinem Vater haben möchtest und wann Du diese Dinge holen kannst. - Ich kann irgendwie auch verstehen, dass sie sich von Dingen trennen möchte, die sie an Deinen Vater erinnern (das hat meine Mutter auch ziemlich rasch getan, und natürlich gab es da auch Verletzungen weil Dinge wegkamen, wo sie gar nicht daran gedacht hat, dass wir sie evt. gerne hätten). Vielleicht kann sie sie eher aufbewahren, wenn sie weiss, bis dann und dann werden die Sachen geholt.

Das sie Dich quälen möchte, glaub ich eher nicht (aber Du kennst sie). In der Trauer denkt man einfach oft nicht an andere man braucht die Kraft für sich selber.

Auch Du selber möchtest wahrscheinlich im Moment einfach trauern und Dich nicht noch um anderes kümmern (was aber eben auch notwendig ist).

Ich wünsch Dir / Euch viel Kraft

Gruess Tabida
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Nin
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Beitrag von Nin »

Danke für eure Antworten.

Also quälen möchte sie mich (oder uns alle, denn wir sind ja drei Kinder) gewiss nicht, ich glaube, es ist ihr einfach nicht bewusst.

Für die Tagebücher wird es sehr schwierig: hinfahren wird zu knapp und zu teuer. (Es sind ja 900 Kilometer hin und zurück). Und schicken würde auch sehr teuer: Mein Vater hat über 40 Jahre lang jeden Tag geschrieben. Wie dem auch sei, es ist auch nicht wirklich so, als würde sie fragen. Sie kündigt es eher an.

Tabida, wir haben das Testament noch nicht. Aber es scheint tatsächlich so, dass sie zu Lebzeiten machen kann, was sie will, auch mit der Wohnung, es ist kein Nutzungsrecht, sie ist die Eigentümerin. Das ist auch okay, ich habe sowieso in Essen, wo mein Vater gewohnt hat, nichts zu suchen. Und die Dinge, die ich gerne hätte, oder meine Geschwister... die wird sie bestimmt nicht herausgeben wollen. Sie ist auch wirklich rechtlich nicht dazu verpflichtet und fühlt sich moralisch auch nicht verpflichtet.
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Delphia
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Beitrag von Delphia »

Liebe Nin

Ich kenne das Erbrecht in Deutschland nicht, aber wenn Du sagst, dass ein Testament vorhanden ist, dann würde ich mal die Testamentseröffnung abwarten. Auf wann ist diese vorgesehen?

So wie Du schreibst, habe ich den Eindruck, dass das Verhältnis zwischen Dir und Deiner Stiefmutter ok ist? Dann bin ich überzeugt, dass es möglich sein sollte, offen und ehrlich über Deine Bedürfnisse zu reden. Vielleicht fehlt Dir momentan die Kraft, vielleicht geht es besser schriftlich?

Das mit Deiner Mutter verstehe ich auch nicht, denn die rechtliche Situation bei uns ist schon anders als in Deutschland. Es ist einfach schade! Kann sich Deine Mutter finanziell selbständig über Wasser halten? Was für Möglichkeiten gibt es da?

Grosse *umarmung* und eine Portion *kraft* maile ich Dir!

Liebe Grüsse
Delphia
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tabida
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Beitrag von tabida »

Nin, wenn das stimmt, was Du schreibst, dann wärt ihr Kinder ja praktisch enterbt (sie kann ja alles verbrauchen, bis nix mehr da ist) und die Kinder zu enterben ist auch in Deutschland nur unter ganz bestimmten Umständen möglich. Aber ihr werdet sicher bei der Testamentseröffnung mehr darüber hören und da würde ich dann auch nachfragen (schreib Dir auf jeden Fall vorher auf, was Du wissen möchtest!). Da solltest Du sowie so hinfahren. Kannst Du das dann nicht mit dem Abholen der Tagebücher etc. verbinden?

Ich wünsch Dir viel Energie.

Gruess
Tabida
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Nin
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Beitrag von Nin »

Wir haben das Testament heute per Post bekommen. Und es stimmt alles: mein Vater und seine Frau hatten sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und im Lebensfall dürfen sie über das komplette Vermögen frei und nach Gutdünken verfügen.

Und das ist völlig legal. So ist es halt.

Eine richtige Testamentseröfnnung gibt es übrigens im Prinzip nicht mehr. Man bekommt es mit der Post. Fertig. Und nach Deutschland jetzt noch mal fahren war auch nicht drin. Wie gesagt, es sind elf Stunden Fahrt, ich arbeit am Freitag bis 4 Uhr, käme als vorher nicht weg... und dann war es schon zu spät für die Tagebücher. Jetzt sind sie also verbrannt.

Was soll's?
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Bernina

Beitrag von Bernina »

Liebe Nin

Das tut mir so leid wegen den Tagebüchern. Mehr kann ich jetzt gar nicht schreiben, bin einfach traurig, für dich.
Anita

Beitrag von Anita »

liebe Nin

ich möchte dich ermutigen für das zu kämpfen was dir wichtig ist.
hast du der frau geschrieben....sie angerufen....ihr ins gewissen geredet wie wichtig dir diese tagebücher sind?
hat diese frau keine kinder? sonst ruf doch die an. vielleicht verstehen sie als kinder deinen wünsche und können dir helfen?

ich drück dich nochmals und schicke dir eine portion hoffnung mit auf den weg :)
herzlich
anita
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Nin
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Beitrag von Nin »

Anita, es ist zu spät.

Wir haben sie im Februar gesehen, als der siebzigste Geburtstag meines Vaters gewesen wäre. Sie hat uns da gesagt, dass sie einen Teil der Tagebücher bereits vernichtet hatte und angekündigt, mit dem Rest genauso zu verfahren, sobald sie zurück sein würde.

Wir (alle drei) haben sie gefragt, ob sie nicht damit warten könnte, wir hätten sie gerne usw. Aber sie meinte, was darin stünde, würde sowieso nur unser Bild von unserem Vater angreifen und sie könne es nicht ertragen, diese bücher zu sehen. Hinfahren ging zu diesem Zeitpunkt absolut nicht. Und sie meinte auch, es sei ihr Recht. Sie ist die Alleinerbin meines Vaters. Ihr gehört alles zur freien Verfügung.

In meinem letzten Brief an sie, neun Tage vor seinem Tod hat mein Vater geschrieben, nach seinem Tod solle sie weitermachen, wie sie es wolle. Wotwörtlich: "Deine Massstäbe gelten." Und das ist für sie das einzige. was zählt - und es ist hin und her, ob es mir gefällt oder nicht, der Wunsch meines Vaters gewesen.

Und nein, Anita, die Frau hat keine Kinder. Sie war auch vorher nie verheiratet. Aber mein Vater hat sie sehr geliebt, und das respektiere ich. Es ist einfach.... ernüchternd.
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tabida
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Beitrag von tabida »

Hallo Nin

Kann es Dir nicht helfen, wenn Du weisst, dass es der Wille Deines Vaters war, dass seine Frau über alles verfügen darf? Mir hatte das sehr geholfen.

Betr. Tagebücher kann ich irgendwie beide Seiten verstehen. Dich, dass Du sie gerne gehabt hättest, aber auch sie: ich selber würde nie Tagebücher (oder auch persönliche Briefe) von jemand anderem lesen. Das wäre mir zu persönlich.

Was Du im Herzen von Deinem Vater trägst kann Dir niemand wegnehmen und dass ist doch, was wirklich zählt.

Alles Gute
Tabida
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Delphia
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Beitrag von Delphia »

Hallo Nin

Das trifft mich auch sehr, was Du da schreibst.

Meine Grossmutter hatte auch Tagebücher verfasst. Ich habe diese bereits, als sie ins Alterheim gezogen ist (für ca 9 Monate) erhalten. Ich habe damals alle gelesen und bin froh darum. Ich konnte bei ihrer Abdankung für sie noch allen Leuten danken, bei denen sie sich schriftlich in ihrem Tagebuch bedankt hatte. Als ich in diesen zufriedenen Gesichter sah, fiel mir der Abschied auch leichter.

Die Gründe warum Deine Stiefmutter diese Tagebücher nicht rausgeben wollte, kann ich verstehen. Andererseits wäre es für sie eine Möglichkeit gewesen, mit Euch Kinder ihres verstorbenen Mannes näher zu kommen. Sie hat keine Kinder und was will sie vom Leben nun?

Das ist die eine Sache, die andere, die mir noch weniger gefällt, ist die Sache mit dem Erben! Klar, es war der Wunsch Deines Vaters und mit diesem Wunsch würde ich auch leben können, aber es scheint mir, dass sie eigentlich Euch nichts gönnt, kann das sein? Es geht hier nicht darum, dass Ihr jetzt sofort Geld und materielle Werte erbt, sondern viel mehr um das Menschliche. Das geht in dieser Sache völlig verloren... Und das tut mir sehr Leid für Dich! Sei umarmt und ich sende Dir auch viel Kraft, diese Tatsache zu akzeptieren.

Beste Grüsse und :bussi:
Delphia
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Anita

Beitrag von Anita »

liebe Nin

es ist wirklich sehr ernüchternd mit was wir nach dem tod unserer eltern konfrontiert werden können :cry:
ich musste vor ein paar jahren meinen papi verabschieden und erleben wie seine brüder uns danach quasi aus der familie ausgeschlossen haben. beide brüder meines vaters haben keine kinder. sicher ein punkt der einfluss auf dies verhalten nimmt. es bleibt auch mir nur zu akzeptieren (nachdem auch keine aussprache zu stande gekommen ist).
seit ich diese tatsache etwas verdaut habe, sehe ich ihr leiden, ihre probleme und ihren kampf mit ihren entscheiden. es hilft mir. weh tut es aber immer mal wieder.

ich wünsche dir viel kraft und eine liebe familie die dir gut tut.
herzlich
anita
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Beitrag von Nin »

Meine Stiefmutter wird die Wohnung bald verkaufen.

Und ich habe heute erfahren, dass sie schon Sachen aus der wohnung verkauft hat, ohne uns nur zu fragen, darunter ein Sofa, was schon meiner Grosstante gehört hat. Ich weiss noch, wie wir es vor zwanzig Jahren geholt haben und den neuen Stoff dafür ausgesucht haben...

Nicht mal gefragt.

Ich weiss noch nicht mal, was sie sonst schon einfach verkauft hat.

Langsam beginne ich, sie zu hassen.
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
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