Telefonitis....

Erziehung ganz allgemein
carlotta37
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Telefonitis....

Beitrag von carlotta37 »

Hallo!
Ich brauch mal wieder eine gute Idee: meine Tochter hat neuerdings die Telefonitis. Insbesondere am Abend. Ich selber bin so telefonisch so gut wie gar nicht mehr erreichbar und wenn ich einen Anruf machen will, muss ich erst immer das Telefon einfordern und dabei gibt's immer patzige Antworten und Streit. Für mich ist auch der Abend die einzige Zeit, in der ich in Ruhe Anrufe erledigen kann....

Sowieso fühle ich mich hier manchmal als Untermieterin meiner Tochter. Das Badezimmer -ständig besetzt....Morgens stehen sie und ich um die gleiche Zeit auf, die Jungs etwas später.Ich dusche erst, dann sie, natürlich schliesst sie da die Tür, was ja auch okay ist. Aber: mit duschen ist es da ja nicht getan, auch beim Schminken, Haare machen und Zähne putzen muss Fräulein allein sein und schliesst ab. Sie verlässt das Bad quasi gar nicht, Frühstück verweigert sie. Jeden Morgen gibt's ein Riesengeschrei, wenn die Jungs und ich auch nochmal ins Bad wollen zum Zähne putzen - und wir müssen alle in etwas gleichzeitig aus dem Haus bzw. sie geht etwa 10 Minuten nach uns anderen. Besteht also für uns keine Chance, das Bad zu nutzen (und Himmel nochmal, warum muss man sich zum Zähne putzen einschliessen????? Es hat zwei Waschbecken....also genug Platz....).

Computer: während ihr Bruder gespart hat und nun nächsten Monat einen eigenen bekommt, hat sie noch keinen Franken beiseite gelegt (abgemacht war, dass jedes Kind den halben Betrag spart, die andere Hälfte gebe ich dazu). Ich brauche meinen Compi dringend zum Arbeiten. Und auch da muss ich immer schimpfen und streiten, damit sie ihn frei gibt (egentlich hätte ich gern gesehen, wenn die Kinder sich einen Computer teilen, aber diese Idee lässt sich einfach nicht realisieren: denn natürlich findet der Bruder es super unfair, dass er spart wie verrückt und die Schwester nichts beisteuert, dann aber den Compi wahrscheinlich dauernd für sich beansprucht. Klare Zeiten regeln wäre ja fein, aber eben: die Grossen sind hier auch nachmitags öfter mal allein und ich kann mir schon lebhaft vorstellen, zu was für Streitereien das führen wird, wenn ich sie nicht ständig kontrolliere.....).

Also; welche Abmachungen habt Ihr mit Euren Jugendlichen in solchen Fragen? Hat jemand eine gute Idee, welche Regeln da angebracht wären und was ich den Kindern vorschlagen könnte? Ich hätte gern irgendeine feste Abmachung, bin mir aber noch nicht so klar darüber, was ich genau vorschlagen kann und will.....
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Nin
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Beitrag von Nin »

Hallo Carlotta,
erstmal tief durchatmen.

Einige der Probleme, die du schilderst, kenne ich gar nicht: Benutzung des Badezimmers ist bei zwei Jungs völlig unproblematisch und wenn wirklich mein Stiefsohn auch mal da ist - dann sind es drei - gibt es eingentlich auch keine. Meine Stieftochter hat ihr eigenes Bad und wir auch.

Mein Vorschlag: Schminken muss sie sich in ihrem Zimmer. Dazu braucht sie einen Spiegel und kein Waschbecken (und sowieso braucht sie ja noch nicht Tonnen von Make-up).

Computer: meine Kinder haben zugesagt bekommen, dass sie zum Anfang der Mittelschule einen Computer bekommen. Mein ältester Sohn hat dann meinen geerbt. Ich habe ihn sehr streng programmiert: Hoher Internetschutzfilter, Maximal 1 Stunde am Stück, maximal 2 Stunden pro Tag. Nach 21 Uhr schaltet sich sein Profil automatisch aus. Ich habe ein admin-Profil, was nur mit Passwort zugänglich ist. Das ganze ist auf einem Macintosh, da ist sowas sehr einfach. Wenn du das technisch kannst, würde ich deiner Tochter ab einer bestimmten Uhrzeit den Computer abwürgen. (Mein Sohn hat bis jetzt noch nicht einmal gemerkt, was für Beschränkungen ich ihm reingewürgt habe, weil er noch nie lange oder spät genug am Computer war.) Technisch geht das so: Sie hat ein Profil unter ihrem Namen, du eins unter deinem Namen - du kannst unbeschränkt unter deinem Namen und mit deinem Passwort auf den Computer, sie nur unter den von dir gewählten Vorzeichen.

Mit dem Computer deines Sohnes würde ich fast ähnlich verfahren, damit seine Schwester ihn wirklich nur dann nutzen kann, wenn der Bruder einverstanden ist. Und auch, wenn das hart für sie ist: es geht nicht, dass sie über andere bestimmt, und wenn sie das nicht begreift, dann wird halt über sie bestimmt - warum Rücksicht, sie nimmt ja auch keine.

Abgesehen davon, kommt es mir doch, wenn ich dich lese, immer wieder so vor, dass deine Tochter die Familie sehr dominiert. Täuscht der Eindruck?
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
carlotta37
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Beitrag von carlotta37 »

Liebe Nin,

sie braucht keine Tonnen von Make-up? Schön wär's.....mit erst 13....Aber leider verbraucht sie wesentlich mehr davon als ich.
Sie ist schon eine kleine Dame geworden, aber eher nicht im positiven Sinn. Damit ist sie aber überhaupt keine Ausnahme, die Mädchen in ihrer Klasse (1. Sek A) sind alle so. Es erschreckt mich manchmal wie oberflächlich sie sich geben (ich rätsle noch daran herum, ob sie das wirklich sind oder ob sie nur so tun, weil es cool ist). Facebook ist die Freizeitbeschäftigung Nr. 1, ich nehme mir die Freiheit, gelegentlich ihre Kontakte zu kontrollieren und sehe dann auch: da wird gelästert wo's nur geht, das Niveau ist so dermassen albern, dass es mir graut!

Einiges davon finde ich auch normal: besonders Mädchen in dem Alter sind oft unsicherer als sie tun und die Auseinandersetzungen mit der Clique, den Freundinnen, die eigene Position stärken, das sind alles emotionale Dramen. Da bleibt der Kopf nicht wirklich frei für irgendwelche anderen Interessen. Und am wenigstens für die Schule....Und in der Schule motiviert zu sein, das wäre auch äusserst uncool (es gibt ein paar Schüler in der Klasse, die motiviert sind und die sind sozial einfach Aussenseiter.....gelten als langweilige Streber....und bilden ein Grüppchen unter sich, zu dem mein Mädel definitiv nicht gehört). Ich sehe wenig Möglichkeiten, da auf sie einzuwirken....Und sie will es auch nicht, hält mich möglichst raus.

Hm, ob sie die Familie dominiert? Sie selber würde das anders sehen, sie hat permanent das Gefühl, sie ist hier total benachteiligt und ich ergreife immer Partei für ihre Brüder. In gewisser Weise stimmt das auch, sie ist nicht benachteiligt, aber sie hat eine Sonderrolle, aus vielen verschiedenen Gründen: einziges Mädchen, hat als einzige engen Kontakt zum Vater, lehnt als einzige meinen Freund ab....
Sie distanziert sich zur Zeit sehr. Was mich oft belastet, ist diese offen zur Schau gestellte Verachtung für den Rest der Familie: beim Essen möglichst weit abrücken auf der Bank, Augen verdrehen wenn die Brüder was erzählen etc..
Aber haben wir nicht alle in der Pubertät mal gedacht: so wie meine Eltern will ich NIE werden? Und das auch gesagt und gezeigt?

Es gibt auch Momente der Nähe zwischen ihr und mir, aber in letzter Zeit sind sie selten geworden. Ausser shoppen kann ich ihr auch nichts anbieten, das ihr Freude machen würde....

Naja, sie hat einen Spiegel im Zimmer, werde das mal ansprechen. Die Zeit am Compi wird natürlich beschränkt! Wei ich das genau mache, weiss ich noch nicht. Sie will ein kleines Netbook, ich dachte, sie muss das dann einfach abends bei mir abliefern. Muss mich aber mal erkundigen, ob ich das auch so einstellen kann, dass es sich von selber abschaltet nach einer gewissen Zeit.
Eine Abmachung haben wir jetzt schon: ab September gehört mein Compi nur noch mir, d.h. wenn sie bis dahin nichts gespart hat, sitzt sie auf dem Trockenen und hat einfach Pech gehabt. Ich glaube kaum, dass der Bruder ihr erlaubt, seinen Computer zu nutzen und finde das auch völlig berechtigt. Bei ihm mache ich mir noch wenig Sorgen, er nutzt den Computer in erster Linie für seinen Flugsimulator (kein Spiel sondern ein ziemlich professionelles Ding, das auch Piloten nutzen....deswegen hatte er viel gespart, da er einen leistungsstarken Compi brauchte dafür....und den teilt er nun nicht mit einer Schwester, die nichts dazu beigetragen hat): Aber die Zeit wird natürlich auch da beschränkt!

Irgendwie scheint die Pubertät mit Jungs einfacher, oder täusche ich mich da?

Ich finde es zur Zeit wirklich schwierig. Wir haben ja auch eine kleine und recht hellhörige Wohnung und müssen viel Rücksicht aufeinander nehmen. Aber sie findet das eine Zumutung....es ist einfach alles nur noch Kampf.....
aisha

Beitrag von aisha »

hi carlotta,

deine Tochter gibt einfach Vollgas mit ihrem pubertäten Schüben. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dich das an den Rand des Wahnsinns treibt.
Ich habe ja zwei von dieser Sorte, meine Tochter fängt auch von einem Tag zum andern an sdo rumzuzicken.
Von Stieftochter bin ich mir seit 7 Jahren nichts anderes gewöhnt.

Bei uns haben die Damen ein eigenes Bad und nicht mal zu zweit klappt es ohne Streit. Man kann nicht anständig fragen, ob man zuerst rein darf, das ist offenbar nicht im Repertoire vorhanden.

Eine Bekannte von mir hat 4 Kinder und ein Bad für die ganze Familie. Dort gibt es festgelegte Fixzeiten, das Bad darf pro Kind 15 Minuten benutzt werden.

Ich würde in deinem Fall ev. den Schlüssel wegnehmen und ein "Besetzt" Schild an die Türe machen.
Und ich habe auch wie Nin das Gefühl, dass deine Tochter die Familie ziemlich dominiert. Das ist nicht nur ein Pubertätsproblem.
Ich denke, du musst ihr ziemlich deutlich klarmachen ,wer der Chef im Haus ist.
Und Schminken im Zimmer finde ich eine gute Idee.
Natürlich braucht so eine 13 jährige kein Make-up, aber gegen den Gruppendruck in der Schule kannst du wenig machen. Die Girls durchlaufen in der Oberstufe eine Phase, wo nur die Gruppe zählt. Und vor allem muss es die richtige Gruppe sein, die der Alpha Tierchen. Und ich denke, deine Tochter ist ein Alpha-Tier.

PC Benutzergercht installieren finde ich eine tolle Idee. Muss mich selbst mal erkundigen, wie das geht. Denn meine Tochter treibt auch Schindluder mit ihrem, oft nehme ich den Laptop abends aus dem Zimmer, denn sonst liegt sie bis 24.00 wach.
Nin, wie installiert man so eine "Zeituhr"???

Eine weiteres Problem carlotta, du bist ja zwangsläufig viel weg, weil du die Familie allein durchbringen musst. Deine Tochter nützt die Freiheiten aus.
Nicht jedes Kind tut das, aber wohl die Meisten.
Ich merke sehr gut, wenn ich eine Weile viel auswärts arbeite und wenig zuhause bin, dann entgleitet mir alles. Die Mädels nützen es schamlos aus. Wenn ich hingegen zuhause bin, wenn sie von der Schule kommen, dann lege ich den Tarif fest und rein durch das Anwesenhiet markieren meinerseits, klappt alles viel besser.
Besonders Stieftochter nervt sich darüber fürchterlich. Sie möchte immer "sturmfrei" , kann aber selbst mit 18 nicht damit umgehen. Total unzuverlässig und chaotisch .
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BabyOne
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Beitrag von BabyOne »

Hallo Carlotta,

ich habe zwar noch keine Pubi-Tochter (wobei meine mit ihren knapp acht mir manchmal auch schon so vorkommt), aber auch ich habe den Eindruck, dass Du Deiner Tochter zu viel durchgehen lässt.

Sicher, gegen Augenverdrehen und ähnliches schlechtes Benehmen kann man nicht so viel machen (außer sie vielleicht alleine essen lassen), aber dass sie sich im Bad einschließt wenn es nicht nötig wäre und wenn sie genau weiß dass drei andere Personen dringend ins Bad müssten, das ist schon sehr rücksichtslos. Und genau als das würde ich das auch adressieren und eine klare Ansage machen. Notfalls würde ich das Schloss ausbauen oder Schlüssel entfernen, wie schon vorgeschlagen wurde. Zähneputzen und Duschen (wenn das morgens gemacht wird) muss man im Bad machen, aber das ist in 20 Minuten locker zu schaffen, und Haare föhnen und schminken etc. geht auch woanders.

Du schreibst, sie hat ein wenig eine Sonderrolle als Mädchen, Papas Liebling und weil sie deinen Freund nicht mag. Dass sie ein Mädchen ist liegt ja nun nicht an ihr, aber Du bist doch auch eine Frau, insofern ist sie doch nicht sooo ein Exot, oder? Und die beiden anderen Punkte sucht sie sich ja selber aus bzw. betont sie, offensichtlich um sich abzugrenzen. Da frage ich mich sofort, WARUM eigentlich grenzt sie sich so stark ab? Die geschilderten Phänomene sind für mich nur ein Symptom und keine Begründung. Nur an der Pubertät alleine scheint es auch nicht zu liegen, da es wohl nicht erst seit kurzer Zeit so ist, sondern wohl schon länger (wenn ich das richtig in Erinnerung habe).
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aisha

Beitrag von aisha »

das frage ich mich auch carlotta. Warum grenzt sie sich so ab und dies nicht erst seit Beginn der Pubertät.
Pubertät ist ja das eine-das sich abgrenzen hilft den Jugendlichen dabei, später auf eigenen Beinen zu stehen. Da ist aber immer noch das Mass der Abgrenzung zu beachten.
Bei deiner Tochter grenzt das eigentlich ja schon an Dauerrevolte. Dein Freund passt ihr nicht, die Brüder werden runtergemacht, deine Ferienwahl findet kein offenes Ohr, sie enthält dir das Telefon vor, sie besetzt nach ihrem Gutdünken das Badezimmer....sie verherrlicht einen physisch nicht anwesenden Gottvater..
Carlotta, bei allem Respekt wenn ich das so mitverfolge, aber deine Tochter nimmt einen Sonderstatus ein und sie glaubt auch noch im Recht zu sein.
Sie tanzt dir auf der Nase rum und schaut zu, wie du dich aufreibst dabei.

Wie baby one sagt, du bist doch auch eine Frau,also ist Töchterlein ja nicht ein Exote.
Weisst du, bestimmt kann man vieles durch konsequente Erziehung steuern. Aber ich bin überzeugt, dass manche einfach Gene in sich tragen, die wir nicht beeinflussen können.
Du kannst du zuhören und wenn sie zugänglich ist, ein offenes Ohr haben.

alle andern Spielregeln gelten aber für das Fräulein auch. Carlotta, es kann doch nicht sein, dass deine Tochter einen abendlang das Telefon besetzt und du stehst frustriert daneben!!!
Ich würde mit ihr Regeln aufstellen. Ab 20.00 gehört das Telefon dir!!
Und wie schon am Morgen erwähnt, nimm den Badezimmerschlüssel weg.
Warum kann Madame denn nicht am Abend duschen?

Deine Tochter testet dich bis zum geht nicht mehr, also dann zeig ihr auch wo Schluss ist. Schliesslich ist es ja auch den Brüdern gegenüber nicht fair, wenn sie immer eine Sonderrolle einnimmt.

Und sie ist 13 sagst du. Meine Stieftochter ist 18 und betreff Sozialkompetenz noch meilenweit vom Erwachsensein entfernt. Für sie heisst erwachsen sein derzeit, ausgehen ohne Ende, Alkohol, aufgetakelt mit hohen Absätzen rumstolzieren, sich ohnehin nichts sagen lassen...
das ist für sie derzeit die Definition :hey, ich bin erwachsen und volljährig.
Auf uns Erwachsene wirkt das halt so grotesk und lächerlich, dass man sie wiederrum nicht ernst nehmen kann.

Somit stehst du erst am Anfang carlotta!!
Babell
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Beitrag von Babell »

Hallo Carlotta

Beim Titel "telefonitis" musste ich lachen: Was hatte ich doch jeweils 2std mit meiner Freundin telefoniert, dabei hatten wir kurz danach sowieso abgemacht gehabt? Das verstanden meine Eltern auch nie.. Es gab auch Geschrei, etc., Missachtung ihrer Regeln, natürlich wenn sie nicht zu Hause waren, pssst :wink:

Wenn du Deine Tochter und Eure Situation so beschreibst, sehe ich viele Parallelen zu mir in meiner Kindheit.
Ich war auch die Älteste, fühlte mich gegenüber meinen Schwestern oft ungerecht behandelt (das war die Geschwisterposition, nicht die Realität!) und meine Mutter gab sich alle liebe Mühe, mir meine Pubertät etwas zu erleichtern. Ich weiss nicht, was sie besser hätte machen können. Sie hatte sich so bemüht.

Ich finde es gut, dass sie mir das stundenlange Telefonieren (die Regel hiess: höchstens eine Stunde) nicht ganz verboten hatten, aber wenn ich sowieso mit einer Freundin abgemacht hatte oder abmachen wollte, hiess es: "Nur fünf Minuten!", und dann stand mein Vater daneben und schaute auf die Uhr. Durch diese Abmachung ging ich mehr mit meinen Freundinnen raus. Wir sassen dann auf einem Bänklein oder in der Wiese und redeten über sehr oberflächliche Sachen. Meine Eltern schickten mich quasi aus der elterlichen Kontrolle raus, so kam ich auch gerne wieder nach Hause.

Mein Vater blieb bei der Sache und nahm meine Ausbrüche nicht persönlich. Dies entlastete mich als Pubertierende. Meine Mutter nahm (vielleicht) mein Autonomiebedürfnis als persönlicher Angriff. Das sagte sie natürlich nie. Dies war meine Wahrnehmung. Es tat mir leid für sie: Ich konnte ja nicht anders, als raus gehen, es war ein innerer Drang! Trotzdem brauchte ich meine Mutter noch sehr. (und sie mich?)

Carlotta, deine Tochter ist die Erste, die in die Pubertätsrunde geht. Vielleicht ist das der Haken? Sie muss quasi ein Exempel statuieren. Ich habe mich auch immer gefragt, warum meine Geschwister in meine so hart erarbeiteten Freiräume nicht eingetreten sind? Weil sie es eben nicht brauchten. Sie hatten die Gewissheit, dass sie losgelassen werden, da sie es bei mir sahen. Ich hingegen, als die Älteste konnte ja nicht mit Sicherheit sagen, ob meine Eltern mich aus dem Hafen der Familie in die weite Welt ausliefen liessen?
carlotta37
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Beitrag von carlotta37 »

Liebe Babell,
in Deiner Antwort finde ich vieles, was auf uns zutrifft. Und ganz ehrlich: ich war ja auch nicht wirklich anders......vielleicht ein bisschen respektvoller in meinem Verhalten, aber sonst.....Nur hatten meine Eltern damals ein grosses Haus, sie waren zu zweit, ich war das einzige Kind, nur meine Cousine lebte noch bei uns, aber die war älter und hatte sowieso eine Sonderrolle. Man konnte sich mehr aus dem Weg gehen....
Trotzdem würde ich sagen, ich hatte eigentlich immer ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern, grundsätzlich sogar während der Pubertät. Und eigentlich glaube ich, meine Tochter hängt auch sehr an mir. Unsere Situation ist halt anders, mit dem Vater so weit weg.

aisha, es stimmt schon, dass meine Tochter sich sehr absetzt und distanziiert. Einerseits glaube ich, vieles davon ist normal, eben Pubertät, die Frage ist nur, wie ich konkret damit umgehe.
Ansonsten: sie ist eben schon auch sehr anders als ihre Brüder und sie hat eine Sonderrolle, die nicht ganz einfach ist für sie. Aber damit wurde sie sozusagen schon geboren, es ist einfach so. Ich versuche auch, ihr das zu erleichtern und viel Verständnis zu haben!

Meine Grosse ist ein ganz durchschnittlich begabtes Mädchen, sehr offen und sozial, ein "Gruppenmensch", kreativ. Und sie hat dummerweise zwei kleine Brüder, die von klein auf einfach aus der Rolle fielen. Beide Brüder sind extrem begabt, der Mittlere wurde mal abgeklärt als hochbegabt, der Kleine ist quasi selbstsicher geboren, sehr musikalisch und das Lernen in der Schule fällt ihm einfach zu. Die beiden Jungs fallen immer auf, mit ihren speziellen Interessen und ihren Leistungen.
Dabei steht diese Leistung in der Familie mindestens von meiner Seite aus gar nicht im Vordergrund. Für den Vater allerdings zählt nur eines: seine Kinder müssen die besten sein in ihren Schulklassen. Die Jungs schaffen das, unsere Tochter KANN das gar nicht schaffen.
Und auch wenn ich alles tue, um ihr zu zeigen, dass sie genauso besondere Fähigkeiten hat und genauso viel wert ist wie ihre Brüder, hat sie glaube ich grosse Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl. Sie steht masslos unter Druck von seiten des Vaters, der nicht einsieht, dass das nicht konstruktiv ist. So kämpft sie ständig um die Anerkennung des Vaters, aber ihre Brüder bekommen die von selber. Und das absurde ist: die Brüder interessiert die Meinung des Vater einfach überhaupt nicht! Aber sie, die seine Anerkennung bräuchte, bekommt sie nicht....

Und in diesem ganzen Kampf um die Anerkennung des Vaters holt sie sich bei mir zwar emotionale Sicherheit, lässt ihren Frust aber auch einzig an mir aus. Ist ja logisch: ich bin ja da, er ist in Afrika und am Telefon streitet man doch nicht!

Aber diese Dinge kann ich nicht ändern, so ist einfach die Konstellation in der Familie! Vielleicht bin ich deswegen vorsichtig und lasse ihr manches durchgehen.
Eine Medaille hat ja auch immer zwei Seiten: seine Begabung nützt meinem Mittleren wenig, er hat im sozialen Bereich unter Gleichaltrigen lange grosse Probleme gehabt (ja, aisha, sie ist ein Alpha-Tierchen und er ein Streber....). Ich gönne meiner Tochter das auch, dass sie Teil einer Clique sein darf und kann, beliebt ist, hübsch, interessiert an Mode etc.

Ich kann wenig Grundstäzliches ändern, muss einfach mit der Situation umgehen und weiss manchmal nicht so ganz, wie ich das am besten mache.....
tabida
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Beitrag von tabida »

Einfach mal so als Gedanke: Hast Du Dich auch schon mal gefragt, ob Du Deiner Tochter evt. zuviel Freiheit und Verantwortung auferlegst? Vielleicht kann sie damit einfach nicht umgehen?
und hast Du schon daran gedacht, Hilfe zu holen? Für Euch alle?
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Nin
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Beitrag von Nin »

Viele Kommentare, die auch einiges zu denken geben....

Also, im Gegensatz zu aisha denke ich nicht, dass das mit dem Durchsetzen von Regeln schon viel geholfen ist. Das Wichtigste ist meiner Meinung nach eher, dass Regeln akzeptiert und als sinnvoll erlebt werden. (Und wenn sie so gesehen werden, werden sie auch leicht respektiert, jedenfalls meiner Erfahrung nach).

Sicher hat deine Tochter unter den Kinder - und mit denen identifiziert sie sich und nicht mit dir! -einen anderen Status als die Brüder. Und ich finde auch, dass du viel psychologisches Feingefühl mitbringst und auch Verständnis.

Ich hatte in der Pubertät eigentlich eher ein gutes Verhältnis zu meinen Eltern, insbesondere zu meiner Mutter. Und mit 13 war ich noch sehr kindlich - und mein Sohn, der im Juni 13 wird, ist es auch noch. Aber sie ist das älteste Kind, und das macht reif.

Ich muss jetzt mit dem Hund raus und denke beim Spazieren mal nach, ob mir was Schlaues einfällt.
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
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BabyOne
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Beitrag von BabyOne »

Hallo Carlotta,

so wie Du das schilderst verstehe ich nun besser worin die Sonderrolle Deiner Tochter liegt.

Wenn sie in ihrer Gruppe beliebt ist, zeigt das ja , dass sie anscheinend im Grundsatz die wichtigsten sozialen Fähigkeiten schon gelernt hat. Aber "merkwürdigerweise" wendet sie ja diese Fähigkeiten innerhalb der Familie systematisch nicht an.

Und das ist der Punkt wo ich sagen würde, mit 13 Jahren kann man eine gewisse Einsicht von ihr erwarten. Der Hintergrund mag so sein wie er eben ist, Du kannst daran nichts ändern, und Deine Tochter muss mit dem Vater leben den sie eben hat - weit weg, fordernd, nicht anerkennend. Dass sie deswegen Frust schiebt ist verständlich, aber deswegen muss sie diesen Frust nicht hauptsächlich und gezielt innerhalb der Familie ausleben. Und da lauert die Falle für Dich: Du hast Mitgefühl, vielleicht richtiges Mitleid, auch ein wenig ein schlechtes Gewissen, und willst etwas an ihr wieder gutmachen, das Du aber gar nicht gutmachen kannst. Dass das nicht funktioniert und welche Folgen das bei den Kindern hat, erleben wir alle immer wieder bei unseren Scheidungsvätern und Stiefkindern.

Ich denke schon dass es wichtig ist, neben allem Verständnis auch da und dort eine klare Kante zu zeigen. Das Leben muss für die anderen Familienmitglieder noch erträglich sein. Und dazu sind einfach Grenzen und klare Ansagen wichtig.
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Beitrag von carlotta37 »

Ja, Babyone, die Grenzen sind wichtig! Aber ich gebe Nin recht, dass sie auch von den Kindern als sinnvoll erlebt und mitbestimmt werden müssen, sonst werden sie sowieso nie eingehalten.

Meine Erfahrungen mit schriftlichen "verträgen" mit den Kids sind ganz gut und ich würde sowas gern wieder machen. Bevor ich in solche Gespräche gehe, überlege ich mir aber sehr gut, was ich genau will und was sozusagen das Minimum für mich ist, das die Kinder anbieten müssen. Man kann ja keinen Vertrag aushandeln, wenn man selber nicht ganz schlüssig und klar ist, was man erreichen will und kann - vor allem letzteres: was ist hier sinnvoll, was ist eine gute Mischung zwischen Verständnis für ihre Bedürfnisse und Respektieren acuh von meinen Bedürfnissen?
Deswegen hat mich interessiert wie andere Familien das regeln. Denn Pubis mit Telefonitis gibt's ja sicher nicht nur bei uns....

Nin, ich war auch mit 13 noch sehr kindlich. Und ich glaube bei Jungs ist das eh was anderes, auch heute noch. Aber so wie ich mit 13 war, da würde heute jedes Mädel in der Schule nur gemobbt werden.....meine Grosse ist in keiner Weise anders als ihre Freundinnen. Sie gilt auch in Schule und Bekanntenkreis als anständig und hat sicher soziale Fähigkeiten, ganz gelegentloich auch hier zuhause....;-)
aisha

Beitrag von aisha »

danke für deine ergänzenden Aeusserungen carlotta. Sicher ist deine Tochter ein grosses stückweit wohl gefangen in den Ansprüchen ihres geliebten, aber abwesenden Vaters. Das kann ich mir gut vorstellen. Und dass du dein Bestes gibst, hast du ja schon oft im Forum bewiesen. Deine Geduld hätte ich nicht.
Und offenbar kann deine Tochter ja sozial sein in der Gruppe. Das ist auch ein normales Verhalten. Denn in der Gruppe würde sie mit einem solch asozialen Verhalten, wie sie es der Familie gegenüber an den Tag legt, ausgeschlossen werden.
Bei dir ist sie sich aber sicher, dass du sie trotzdem lieb hast, egal, wie sie sich benimmt. Das ist an und für sich ein grosser Vertrauensbeweis. Ihrem Vater gegenüber würde sie sich niemals so verhalten, denn dort ist sie sich der Anerkennung und Liebe ja auch nicht sicher.

Das erinnert mich sehr an meine Tochter. obwohl ihr Vater keine Gemeinheit, kein Vertrauensbruch, keine Enttäuschung ihr gegenüber ausgelassen hat, ist sie zu ihm komplett anders als zu mir. Da wird gesäuselt und gesülzt... bei mir fliegen die Fetzen und oft frage ich mich, ob meine Erziehung jemals Früchte tragen wird...meine Tochter hat z. B. Tischmanieren, da wird einem schlecht...
Und trotz allem bin ich mir unterdessen sicher, dass sie weiss, wo Sicherheit und Stabilität zu holen ist. Nämlich bei mir und nicht bei ihrem Superdaddy.

Trotz allem, es ist oft ärgerlich und ich könnte meine Tochter auch in Gedanken manchmal an die Wand klatschen, wenn sie sich aufführt, als würden wir im Zoo leben.

Trotzdem bleibe ich dabei, eine gewisse Provokation darf geduldet werden, aber Grenzen müssen sein.
Da bin ich anderer Meinung als Nin, meine Kinder bzw. Stiefkinder sind ja auch schon etwas älter.. aber Grenzen und Leitplanken müssen gesetzt werden. Auch wenn unsere Jugendlichen den Sinn nicht einsehen.
Denn solange die Herrschaften hier wohnen und von meinen Ahnehmlichkeiten profitieren, darf ich als Gegenleistung ein anständiges Benehmen verlangen. Da bin ich sicher, dass sie nicht in ihrer psychischen Entwicklung gehemmt werden...
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Nin
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Beitrag von Nin »

Aisha, meine Stiefkinder sind fast 20 und 22 1/2 und ich begleite sie seit fünf Jahren durchs Leben, inklusive Pubertät.

Ich sehe, wie unsere Familie mit unseren Vorstellung von Grenzen aus Sinn und nicht aus Prinzip läuft. Ich höre unseren Umgangston. Ich habe mit meiner Stieftochter erlebt, wie sie unsere Hochzeit zunächst ablehnte - um uns dann ein Geschenk zu machen und eine Freundin einzuladen "weil es doch cool ist".

Das alles überzeugt mich, dass ich mit meiner Erziehung bis jetzt so durchkomme, wie ich es mir wünsche und wir sehr respektvoll miteinander umgehen. Selbst, als meine Stieftochter unsere Hochzeit abgelehnt hat, sind keine harten Worte geflogen und keine Beleidigungen.

Ich bieten den Jugendlichen eigentlich keine Bequemlichkeit, die ich meinerseits als Opfer empfinde. Das mache ich einfach nicht - schon eher für meine Kinder, aber wenn ich sie biete, dann im Wesentlichen weil ICH das will und dafür keine Gegenleistung erwarte.

Das geht aber vom Thema ab.

Carlotta, ich denke, deine Tochter tut sich einfach sehr schwer, sich in eure Gefühle hereinzufinden. Sie sieht nur ihren eigenen Jammer und ihre eigenen Wünsche und zeigt wenig Empathie und Verständnis für eure Bedürfnisse (und seien es so praktische wie das Telefon). Ich weiss nicht, wie man Empathie lernen kann... und denke weiter nach.
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
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Nin
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Beitrag von Nin »

Ach und das ging gestern unter: wie man das auf einem PC macht, aber auf einem Macintosh gibt es unter "Préférences système" (mein Computer läuft auf französisch!) eine Option "Contrôle parentale" und da kann man das ganz einfach per Mausklick einrichten!
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
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