Zum Heulen --- meine Familie

Reaktionen, und wie ich damit umgehe...
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Nadia
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Zum Heulen --- meine Familie

Beitrag von Nadia »

Also das gehört nun nicht unbedingt zum Thema Patchwork. Möchte es trotzdem loswerden.

Am Samstag hatte meine Mutter Geburtstag. Wir haben zum Kaffee abgemacht und sie war Abends noch eingeladen. So haben wir Kuchen mitgenommen den sie aber wie immer einfach zur Seite schob ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Sie tischte ihren aufgetauten Fertigkuchen auf.

Dann ging die Show weiter. Mein Vater meinte er müsse den Kindern dann mal zeigen wie man Rechnungen einzahlt.
Und ganz erschrrocken meinte er mein Sohn sei ja so dünn und das sei so gefährlich heute. Habe es unterlassen zu sagen das ich mit ihm im Kinderspital abgeklärt habe warum er nicht wächst.

Anschliessend lästerte meine Mutter über Tätowierungen. Mein Partner und ich haben uns letztes Jahr zu Weihnachten drei kleine chin. Schriftzeichen stechen lassen. Wie das die Haut kaputt macht usw.

Irgendwann wollte mein Sohn was erzählen worauf meine Mutter ihm ins Wort fiel und sagte er solle den Mund halten sonst "schmiere ich dir eins".
Da war ich schon fix und fertig und trotzdem war ich so blockiert das ich einfach sitzen blieb und den Mund hielt.

Eine halbe Stunde später haben wir uns verabschiedet und mein Vater hielt mir in der Küche einen Vortag über die Jungend und Arbeiten. Und wenn man teure Ferien macht dann ist das Ersparte weg und man kann nur noch erben und er hätte sich alles mit Schweiss erarbeitet usw.
( Das war wohl eine Anspielung auf unsere Toscana Ferien ... schon davor haben sie mich drauf hingewiesen wie teuer das ist )

Ich bin Hals über Kopf gegangen.

Am Abend war mir speiübel und ich hatte total nervöse Augen. Konnte sie nicht ruhigstellen. Hatte farbige Blitze vor den Augen und mein Körper vibrierte.
Ich habe bis jetzt gebraucht um das einigermassen zu verdauen. Und es ärgert mich das ich mit 47 immer noch nicht imstande bin meine Meinung zu sagen. Oder nicht mehr hinzugehen ( was mein Partner schon oft vorschlug )
Und das obwohl ich so viele Jahre in der Therapie verbracht habe.

Sobald ich dieses Haus betrete komme ich mir vor wie das 10 Jährige Kind das eine Standpauke nach der anderen über sich ergehen lassen muss. Wo nur Leistung gilt. Sonst ist alles kalt.

Mein Sohn gleicht sehr seinem Vater ( den meine Mutter nie mochte ) und sie behandelt ihn so wie sie mich immer behandelt hat.

Sie war eine miserable Mutter und jahrelang Tablettensüchtig. Manchmal stelle ich mir vor wie ich diese Thema mal zur Sprache bringe. Sie tut so als ob es diese Zeit nie gab.
Vielmehr gibt sie mir das Gefühl das ich eine schlechte Mutter bin und ein Sozialfalll bin ich auch ( weil mein Mann gestorben ist ).

Warum tut sie das und ist so gehässig. Jetzt macht sie an meinen Kindern weiter .... die haben aber nur gemeint das Grosi wäre voll daneben und sie hätten keine Lust mehr hinzugehen.

Nadia
Anita

Beitrag von Anita »

Liebe Nadia

Ich finde schon, dass hier Platz dafür sein sollte. Auch unsere Eltern sind Teil der Familie und wie Du ja selber merkst, beeinflussen sie unser Tun und Handeln unter Umständen ganz intensiv.

Am meisten bleibt mir Dein Satz am Schluss hängen:

Code: Alles auswählen

Jetzt macht sie an meinen Kindern weiter .... die haben aber nur gemeint das Grosi wäre voll daneben und sie hätten keine Lust mehr hinzugehen.
Ihn vor Augen zu halten scheint mir wichtig. Selber hast Du erfahren, was Deine Eltern in Dir bewirkt haben und nun fällt Dir auf, dass Du es zulässt, dass sie es mit Deinen Kindern tun.
Sei es Dir und Deinen Kindern wert, Deine Grenze zu setzen! Lebe es vor, sodass es Deine Kinder auch lernen und es sich künftig wert sein werden.

Mir hilft es, wenn ich Briefe schreibe an die Personen, von denen ich mich nicht verstanden fühle. Meist schicke ich sie nicht mal ab...
es hilft mir ein Stück los zu lassen und anzunehmen, dass selbst Menschen die mir nahe stehen, nicht in der Lage sind, mir das zu geben was ich mir wünschen täte.
Manchmal ist auch eine Aussprache gut. Ich glaube aber, dass sie nicht in jedem Fall nötig ist oder wirklich weiter hilft.

Ich wünsche Dir viel Kraft und Mut, einen Schritt zu tun...
weil ich weiss, wie stärkend das sein kann :)

Alles Gute und *energiesend*
Anita
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Delphia
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Beitrag von Delphia »

Hallo Nadia

Oh Schreck :staun: !

Geht mir im Fall auch so. Ich schaffe es auch nicht, meinen Eltern klar die Meinung zu sagen :erstaunt: . Meine zweite Schwester schafft es auch nicht. Nur die Jüngste (jetzt 36) von uns schafft es. Sie musste lernen, ihr Leben neu zu sortieren, organisieren usw. Ihr Mann hat sich vor 3 1/2 Jahren das Leben genommen und sie mit 2 Kleinkindern im Stich gelassen.

Ich habe mich von meinen Eltern schon vor Jahren sehr distanziert und halte den Kontakt nur aufrecht wegen der Kinder. Beispiel: meine Eltern haben es nicht für nötig befunden, mich im Spital zu besuchen, als ich einen Bandscheibenvorfall hatte. 2 Wochen musste ich meine Kinder unterbringen. Sie haben nie offeriert, sie zu hüten. Meine Grossmutter (die Mutter meiner Mutter) ist dann eine Woche eingsprungen und meine mittlere Schwester hat im Büro frei genommen, obwohl der Chef nicht wollte, es sei ein Notfall, hat sie ihm mitgeteilt. Die anderen Tage haben Bekannte geschaut.

Ehrlich gesagt, ich finde es sehr gemein, dass Eltern ihren Kindern gegenüber so reagieren. Nun heisst es für Dich, wie weiter? das ist nicht einfach zu beantworten, ich hoffe, Du findest den für Dich und Deine Kinder und Lebenspartner und, und, und :) richtigen Weg!

Liebe Grüsse :D
Delphia
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Aila
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Beitrag von Aila »

Liebe Nadia

Oh je oh je, das klingt so bekannt für mich. Dieses ewige auf einem Rumhacken, an allem Rummekeln und alles Schlechtmachen - kenne ich nur zu gut. Mein Vater benimmt sich wie Deine Eltern und wundert sich dann, dass ich ihn nicht einlade und ihn schon gar nicht besuche. Oder auch anrufe. Ich sag mir oft: "Wozu soll ich die Kinder ins Auto packen und total 4 Std. fahren (hin und zurück) um mich dann für 3 Std. von ihm Anmotzen zu lassen. Er sagte auch zu meiner Tochter als sie mal was erzählen wollte: "Halt die Klappe!" Ich war so paff, dass ich sie nicht mal verteidigen konnte und das führte dazu, dass ich mich doppelt über die Situation geärgert habe. Er hat es auch voll drauf mich - an meinem Tisch sitzend - zu beleidgen mit "Du Idiot". :shock: Meine Reaktion:"Super jetzt wissen wir ja endlich alle dass ich ein Idiot bin, dann kann ich mich ja auch wie einer benehmen :ausla: !" Seine Frau und ich haben dann gleich losgelacht, wenigstens hat sie mitgemacht. Sie wird auch oft von ihm bei Tisch runtergeputzt und erträgt das einfach. Ich habe keine Lust mehr mir und meiner Familie das - also meinen Vater - anzutun und drum beschränke ich die Besuche auf max. 2 pro Jahr. Mein Mann konnte ja gar nicht glauben was da alles abging in den 1,5 Std. in denen mein Vater letztes Mal mit seiner Frau hier war.

Zum Glück sind meine Eltern geschieden, so dass ich sie nicht im Doppelpack ertragen muss. Meine Mutter ist nämlich echt gut zu ertragen ohne meinen Vater, wir haben uns auf Tabuthemen (meine Ausbildung, mein Job, teilw. politische Ansichten) geeinigt und wenn einer von uns aus Versehen ein Tabuthema anschneidet so sagt der andere:"Das wollen wir nun aber nicht vertiefen". Das klappt so ganz gut.

Mein Rat :opa: "Ruf an und sag ihnen, dass Du Dich so nicht mehr behandeln lässt und in Zukunft gehst, wenn sie so reden. Geh so selten wie möglich hin evt. sogar nur mit Mann, ohne Kinder und brech den Abend ab, wenn sie sich daneben benehmen." Ich habe das bei meiner Mutter ca. 3x gemacht, also den Abend abgebrochen, sie dann 6 Monate stehen lassen, dass hat gewirkt, seither klappt es mit dem Benehmen und wir haben's ganz gut (siehe oben).

Ich habe festgestellt, dass meine Eltern mich im Endeffekt mehr brauchen als umgekehrt, seit ich erwachsen bin.

Herzlich :D Aila
Patchwork seit 2004, 2 Mädchen (7,10) von ihm, sind 40% bei uns und eines (10) von mir, 100% bei uns
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Nin
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Beitrag von Nin »

Liebe Nadia,

das hört sich echt heftig an.

Aber ich kann auch verstehen, wie schwer es ist, sich zu sagen, ich geh gar nicht mehr.

Deine Eltern entscheiden nicht, ob du ein guter Mensch bist!!!!
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
Nadia
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Beitrag von Nadia »

Hallo alle

Danke für euren lieben Zuspruch. Es tut gut verstanden zu werden.
Es ist nicht schön und wünsche es niemandem. Aber es tut dennoch gut zu wissen das ich nicht allein so empfinde im Elternhaus.

Ich werde die Besuche sicher aufs Minimum beschränken ( ohne schlechtes Gewissen ) und meinen Kindern zuliebe.

@ Nin

Ja du hast was ganz gutes gesagt. Meine Eltern entscheiden nicht darüber ob ich ein guter Mensch bin.

Herzlich ... Nadia
Bernina

Beitrag von Bernina »

Hallo Nadia

Endlich habe ich Zeit, dir zu anworten. Meine Mutter hat mich früher uach immer so denunziert. Bei mir reagiert dann jweils der Magen. Entweder ich habe das (eigentlich) feine Essen noch auf dem Nachhauseweg erbrochen oder ich bekam so schnellen Puls und Herzrasen, dass ich anderntags Durchfall habe.

Ich hatte das Glück während der Scheidung einen tollen Freund (mehr platonisch) zu haben. Er war viel älter als ich und ersetzte auch ein wenig den Vater, den ich bereits mit 23 Jahren veroren habe. Dieser Mann half mir, meinen Platz in meinem neuen Leben zu finden. Mit der Scheidung trennte ich mich eigentlich nicht nur von meinem Mann, ich pubertierte zum ersten Mal in meinem Leben. Die Verletzungen meiner Mutter erreichten während der Scheidung den Siedepunkt, somit hatte ich zweierlei Sorgen am Hals.

Dieser Mann kannte diese Problematik, da seine Ex-Frau das gleiche Problem mit ihrer Mutter hatte.
Er lehrte mich, die negativen Gefühle in mir nicht immer zu verdrängen. Ich habe ein Recht, traurig und verletzt zu sein und muss die Schuld nicht immr bei mir suchen.
Mein Selbstbewusstsein war ja arg im Keller, auch wegen meinem Ex-Mann. Und so hat mich dieser Freund immer wieder aufgebaut und hat mir immer wieder aufgezeigt, wie und was ich in meinem Leben gut mache. Meine Mutter hat ja alles negiert, auch Dinge die ich sehr gut machte und sogar viele Komplimente bekam. Eine Kritik von meiner Mutter und ich war wieder am Boden zerstört.

Dieser Freund hat mir dann auch die Taktik und die Gründe aufgezeigt, mit denen mich meine Mutter klein halten wollte. Meine Mutter kann nicht loslassen und sie ist kontrollsüchtig. Sie möchte, dass ich nach ihrem Lebensplan lebe. Zudem stehe ich mitten im Leben und habe vieles geschafft, wozu sie keinen Mut hatte.

So nach und nach lernte ich mich zu wehren. Am besten gelang mir das am Telefon. Ich fragte sie, warum ich bei ihr immer das Gefühl haben muss, ich sei ein Versager. Sie sei doch meine Mutter, warum muss sie mich dann immer wieder mit diesen Beleidigungen verletzen? Manachmal konnte sie sich richtig in etwas hineinsteigern und sprüh nur noch Gift und Galle. Ich blieb in der Stimme ganz ruhig - innerlich habe ich gekocht - und sagte: entweder du redest in einem anderen Ton mit mir, oder ich hänge das Telefon auf. Worauf sie mich noch mehr beleidigte. Also habe ich einfach aufgehängt. Ich sagte ihr aber immer wieder, dass ich mich freue, wenn sie mir anruft, anfangs habe sogar ICH das Gespräch gesucht. Aber es gibt keinen Grund, weshalb sie mir weh tun muss. Ich habe ihr gegenüber nichts falsch gemacht und ihr auch nichts kaputt gemacht. Es ist rein nur mein Leben, meine Lebenseinstellung die in ihren Augen falsch sind.

Hier ist das Telefon im Vorteil. Du kannst das Gespräch unterbrechen und bist die andere Person los. Der Frust ist zwar noch da und ich brauchte jeweils Tage, bis ich mich von so einem Telefonat erholt habe.

Wenn du aber zu Besuch bist, oder noch schlimmer, die Eltern bei Dir sind, so ist das nicht so einfach. Da kann man nicht einfach auch einen Knopf drücken und die Eltern sind weggebeamt.

Mit der Zeit lernte ich mich aber auch da zu wehren. Ich sagte jeweils in knappen klaren Sätzen (diesem Mann sei dank)
- mein Kind ist gut so wie es ist.
- ich bin die Mutter meiner Tochter und ich finde das und das ist gut so wie es ist.
- ich bin jetzt ... Jahre alt und seit ... Jahren volljährig und erwachsen. Ich darf jetzt selber entscheiden, wie ich was mache/denke.
- ich habe ein Recht auf ein eigenes Leben und mische mich auch nicht in ihr Leben ein.

Und wenn sie dann mal zu einer erzieherischen Generalüberholung ausholen wollte, sagte ich:
- wieso kann ich so schlecht sein? Du bist doch die Mutter dich mich so erzogen hat?

Da entstehen dann ganz krasse Situationen, die auszuhalten starke Nerven braucht und darauf manch schlaflose Nacht folgte. Aber ich glaube, da musst du durch. Wenn man sich diesem Konflikt nie stellt, dann hören die Verletzungen nie auf. Der Hammer schlägt immer wieder zu.

Ich habe ja nun den Kontakt abgebrochen. Im Frühling wollte dann meine Mutter mit mir reden. Ich hatte aber nie Zeit und schon gar keine Lust, mit ihr zu reden. Sie ist aber schon alt und ich muss das mal hinter mich bringen. Im September hatte meine Tochter Geburtstag und ich wollte, schon wegen ihr, die Grossmutter dabei haben. So habe ich sie einfach kurzfristig eingeladen, ohne vorgängiges Gespräch.
Zum ersten Mal habe ich sie unsicher erlebt. Sie weiss, dass sie viele Fehler gemacht hat; mein Bruder hat inzwischen einige Gespräche mit ihr geführt.
Jänu, jedenfalls hat sie nur noch gestaunt, wie wir hier im Patchwork leben und wie ich diesen Haushalt schmeisse. Ich bin mit Absicht auf Distanz gegangen, um ja die Macht/Kontrolle nicht zu verlieren. Das ist ansonsten nicht meine Art. Aber ich brauchte das um ihr zu demonstrieren, ich bin nicht mehr das kleine Kind.
Ich hoffe, wir haben nun eine Basis, in der wir als Erwachsene miteinander reden können. Inzwischen bin ich stark genug, den Dialog mit ihr zu suchen.

Jetzt habe ich nur von mir geschrieben. Nun zu dir:
Ich würde den Eltern sagen, dass du nach den Besuchen bei ihnen immer sehr traurig und frustriert seist.
Frage sie, ob die Abischt dieser Einladungen darin bestehe, dich zu beleidigen, zu verletzen, schlecht zu machen.
Gibt es nichts, dass du in deinem Leben gut gemacht hast?
Sage ihnen, dass du dich gar nicht mehr freust, zu ihnen zu kommen, wegen den vielen Kritiken.
Sie werde es wohl nicht verstehen oder fühlen sich womöglich noch im Recht. Dann musst du ihnen ein paar Szenen vor Augen führen und erklären, wie das bei dir ankommt.

Ich erklärte das bei meiner Mutter mal mit dem Beispiel einer Bombe. Die ist so gesehen nur eine Kugel, die man anfassen kann und überhaupt nicht weh tut. Wird sie aber weggeworfen, explodiert sie beim Aufprall und hinterlässt eine Spur der Verwüstung.

Ich hoffe, ich konnte dir ein paar Anregungen geben.

Herzliche Grüsse

Bernina
Nadia
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Beitrag von Nadia »

Hallo Bernina

SEUFZ ... ein ganz tiefer. Ich wünschte ich wäre schon soweit wie du.

Du hast ein ganz schön hartes Stück Arbeit hinter dir. Kompliment.

Weisst du ich glaube das schwierige ist eben überhaupt etwas zu sagen.
Wir wurden ja zum Schweigen erzogen und erpresst.

Selbst heute ist das an der Tagesordnung. Mein Bruder kommt schon seit Jahren nicht mehr nach Hause --- und auch nicht mehr zu mir. Obwohl ich mir absolut keiner Schuld bewusst bin. Ich weiss nicht was da gelaufen ist.
Jedenfalls schickt er mir jedes Jahr eine Geburrikarte und nur mir.

Es wurde niemals ein Wort über die Sucht meiner Mutter gesprochen. Oder darüber das wir als Kinder meinem Vater helfen mussten Tabletten im Haus zu suchen.
Ich weiss nicht wie ich das beschreiben soll ... es herrscht so ein Codex oder wie man dem sagt.

Ich habe einmal oder zweimal versucht auf nette Art etwas zu sagen. Ich kam gar nicht weit ... sofort rennt sie weg und schliesst sich ein und weint und jammert das sie immer an allem schuld sei. Und so weiter und so weiter ....

Im Moment fehlt mir die Kraft mich da wirklich reinzuhängen. Nadia
Bernina

Beitrag von Bernina »

Hallo Nadia

Danke für das Kompliment.

Es war ein langer Weg bis dorthin. Ich habe manche Träne vergossen und mich darob geärgert, dass ich sie überhaupt für etwas vergiesse, dass nicht sein müsste.

Ich habe 10 Jahre Psychotherapie hinter mir und während dieser Zeit vieles ausprobiert um Klarheit zu bekommen. Es war so viel, was ich aufarbeiten musste und so viele Problemthemen, die parallel ich zu lösen hatte: Meinen verstorbenen Vater, den ich immer verdrängte, meine Mutter, die ihre schwierige Vergangenheit zu meinem Problem machte und mein Ex-Mann, der auch eine persönlichkeitsgestörte Mutter hatte und die sich immer in unsere Ehe einmischte. Dazu kam meine Behinderung, mit der ich klarkommen musste.

Den Spruch: Was mich nicht umbringt macht mich stark, würde ich im Nachhinein mit dickem Filzer unterschreiben.

Bereits als Kind spürte ich, dass das, was ich in meinem Elternhaus erlebe, nicht normal ist. Ich sah, wie sich andere Mütter gegenüber ihren Kindern verhielten. Zudem machte mir der Spruch meiner Mutter, wenn ich nicht brav war, "man hätte mich im Spital verwechselt, ich sei gar nicht ihr Kind, denn ihr Kind sei ein liebes" arg zu schaffen.

Als ich dann selber Mutter wurde, realisierte ich, dass ich eigentlich gar nie eine richtige Mutter hatte. Und ich beobachtete, wie meine Freundinnen von ihren Müttern unterstützt wurden. Die kamen einfach und halfen, wo sie gebraucht wurden. Von da an wusste ich, dass ich das Verhalten meiner Mutter nicht weiter tolerieren muss und ich begann mich zu wehren.

Ich denke, du müsstest bei deinem Vater ansetzen. Er hat zugelassen, dass eure Kindheit so schwierig war. Ändern kann man die Vergangenheit nicht mehr, aber er muss anerkennen, dass eure Kindheit Scheisse war. Nachträglich Vorwürfe zu machen bringt niemandem was. Trotzdem war es so nicht richtig.

Vielleicht würde dir eine Familienaufstellung helfen.

So und nun muss ich ab in die Küche. Melde mich ev. später nochmals

Herzlichst Bernina
Reni73
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Beitrag von Reni73 »

Liebe Nadia!
Wie es scheint gibt es hier sehr viele die noch Probleme aus ihrer Kindheit mit sich herum tragen!

Ganz so arg, wie ich hier lesen kann, war es bei mir nicht!

Mein Dad hat die Angewohnheit (vielleicht auch von seinen Eltern vorglebt bekommen) bei kleinsten Dingen, die ER nicht schön fand, manchmal Tage- oder Wochenlang nicht mit uns zu reden! Als Kind war das sehr schwer zu verstehen! Ich sehe mich heute noch wie ich als kleines Kind um ihn rum geschlichen bin und gebettelt hab "er soll doch wieder mit mir reden! Ich werd auch immer lieb sein!"
Dabei wußte ich oft nicht einmal warum er nicht mit mir/uns sprach!

Und dieses Verhalten hat mich so geprägt das ich nicht streiten und meine Meinung vertreten kann!
Sofort kommt die Angst des abgelehnt werdens und des allein seins wieder in mir hoch!
Bei meinem EX hab ich immer die Klappe gehalten! Bis gewisse Umstände mich dann doch zur Trennung bewegt haben!

Jetzt arbeite ich an mir! Auch wenn es gestern nicht gut bei uns lief, ich bin stolz auf mich das ich mich meiner Angst gestellt habe!

Was meine Eltern betrifft, da bin ich noch nicht so weit!
Mit meiner Mum hab ich darüber gesprochen, bei meinem Dad hab ich schiß!

Obwohl er dieses Verhalten bei meiner Kleinen auch weiter praktiziert!

Viel helfen kann ich dir leider nicht! Stecke selber noch fest, und hoffe das ich auch da bald den Mut finde!

Dir wünsch ich auch viel Kraft um diese innere, tiefe Angst zu überwinden!

Liebe Grüße von Reni :wink:
Bernina

Beitrag von Bernina »

Hallo Nadia

Ja, sie ist schuld, dass sie damals ihre Krankheit nicht zugegeben hat und dein Vater ist schuld, dass er nicht gehandelt hat. Bei einigen Suchterkrankungen muss man eben den Süchtigen zu einer Kur zwingen. Deine Eltern waren verantwortlich für Euch Kinder und nicht umgekehrt.

Deine Mutter muss aufhören zu jammern, weil sie sich damit nur in den Mittelpunkt stellen will und dir ein schlechtes Gewissen einzujagen. Sie muss aufhören, zu flüchten, sondern sich der Situation zu stellen. So benimmt sich vielleicht ein kleines Kind, aber keine erwachsene Frau.

Ich schreibe das so für dich, damit es dir leichter fällt, nicht immer auf ihre Muster reinzufallen. Ich weiss natürlich schon, dass jeder Mensch ein Recht hat, Gefühle und Schwächen zu zeigen, so auch deine Mutter. Aber hier geht es darum, dass ihre Geschichte/Gefühle über die deinen gestellt werden.

Meine Mutter machte aus Problemen auch immer eine Rangliste und sie stand auf diesem Podest zuoberst mit dem schrecklichsten aller Schicksale. Und ich fragte dann zurück, ob die Leute in Äthiopien Halleluja singen dürfen, weil sie wegen Hungersnot ihre ganze Familie verlieren. Weil das, was die dort erleben, ist ja nicht so schlimm.

Und wenn sie nichts mehr zu klagen hatte, brachte sie immer den Satz: Dass sie noch viel mehr tragisches aus ihrem Leben erzählen könnte (um sich noch wichtiger zu machen) aber das würde ich eh nicht verstehen (weil ich ja immer noch dumm und naiv bin). Und ich lernte zu antworten: Ja, aber es gibt gar nichts tragischeres, das ist nur bluff.

Und dann blähte sie sich auf und drehte ihre Stimmbänder bis zum Anschlag, bis ihre Stimme krächzte und sie aus dem Mund schäumte.

Dann blieb ich jeweils ganz ruhig (nachdem ich viele male vorher zu zittern begann) und sagte nur: Du bist doch meine Mutter? Warum tust du mir das an? Es war wohl ein Fehler, auf die Welt zu kommen. Es war nie meine Absicht, ihr eine so schlimme Kindheit zuzufügen.

Das Verhalten meiner Mutter hat mich sehr geprägt und tiefe Wunden hinterlassen. Ich bin aus diesem Grund sehr Harmoniesüchtig. Und sobald jemand die Stimmer erhebt, fühle ich mich unwohl und bekomme Angst.
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Nisli
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Beitrag von Nisli »

Liebe Bernina

Da kommt mir in den Sinn: Freunde kann man aussuche, Familie nicht.

Es ist sehr schwer, sich von der Familie zu lösen, Abstand zu nehmen. Auch ich lasse mir ab und zu noch dreinreden, wie wenn ich 10 Jahre alt wäre!! Doch es gelingt mir immer mehr mir zu sagen, ich bin 46, habe zwei gesunde Kinder und mein Leben im Griff. :D Das hilft. Ich nehme nichts mehr so ernst, was mein Vater betrifft. Soll er mir sagen was er will, ich schweige. Denn alte Leute sind sowieso schwierig und kompliziert. Deshalb gilt: Dä Gschider git nah, dä Esel bliebt stah. Jawohl :arschzwigen:
Suche interessante Patchworkleute, welche schon grosse "Kinder" haben :-)!
Nadia
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Beitrag von Nadia »

Hallo Bernina

Du gibst dir total viel Mühe um meine Geschichte anzuschauen.
Das ist total herzig .... danke dir vielmal.

Ich denke du hast Recht. Meine Mutter hat ihre Gefühle immer über alles andere gestellt. Als ich 22 wurde kam sie nach Embrach in die Klinik.
Dort war sie drei Monate. Die Familie wurde damals gat nicht einbezogen.

Es hat kein Hahn nach uns Kindern gekräht.

Du wirst es kaum glauben aber mein Vater muss ihr jedes Jahr an dem Tag als sie entlassen wurde einen Blumenstrauss kaufen.

Als mein Mann starb musste sie Fenster putzen und konnte deshalb nicht zur Beerdigung kommen.

Du hast völlig Recht. Ich träume oft davon ihr das alles mal ins Gesicht zu schreien.
Und trotzdem denke ich manchmal ob das nicht alles viel früher hätte passieren sollen. Sie ist alt und gestraft dadurch das ihre drei Kinder nicht mehr nach Hause kommen.
Was kann dir schlimmeres passieren ?

Verzeihen kann ich ihr nicht. Herzlich Nadia
Bernina

Beitrag von Bernina »

Hallo Nadia

Wenn ich dir helfen kann, indem ich dir meine Geschichte erzähle, mit der Absicht, dass du dich vielleicht in meiner Geschichte wiederfindest, dann mache ich das doch gerne.

Ich habe jahrelang meine Freunde mit meiner Mutterproblematik belästigt. Sie alle wollten mir immer helfen, aber damit konnte ich nichts anfangen, da keiner sich vorstellen konnte, wie schlimm es wirklich war. In Gesellschaft war meine Mutter - genau so wie es gerade Val von ihrem Mann erzählt - gut drauf und kam total symphatisch rüber. Also absolut das Gegenteil von dem, was ich über sie berichtete.

Am meisten nervte mich der Spruch: Du musst dich halt mal von deiner Mutter lösen, du bist doch jetzt genug alt.

Irgendwann wurde mir klar, dass mich diese Mutter-Problematik so arg bremste, dass ich in meinem Leben einfach nie weiterkomme. Es war, als wenn ich immer noch die Marionettenfigur meiner Mutter war. Sie sass mir ständig im Nacken und immer wieder hörte ich ihre demütigenden Sätze. Ich wagte nichts, aus Angst, dass es schief gehen könnte, weil ich bin ja ein Versager. Sagt meine Mutter. Sie beherrschte und kontrollierte mein Leben, sie war allgegenwärtig.

Und wie kann ich ein Kind erziehen, wenn ich immer noch wie ein Kind behandelt werde? Diese Nabelschnur muss endlich endgültig durchtrennt werden. Und dann hatte ich endlich die Kraft mich zu wehren.

Mein Vater war nach einem Unfall auch in seiner Persönlichkeit verändert. Damals wurde auch nur er behandelt. Wie wir aber damit klar kommen, hat niemand interessiert. Aus diesem Grund habe ich meinen Vater bis zu seinem Tod nicht gehasst, aber verdrängt.

Um auf deine Geschichte zurückzukommen: Ja es ist traurig, wenn deine Geschwister nicht mehr nach Hause kommen. Aber das ist das Problem deiner Eltern. Deswegen muss dein Vater diesen Frust aber nicht an dir und deinen Jungs rauslassen.

Passiert ist passiert. Aber wenigstens auf ihre letzte Tage könnten sie ja mit dir in einer friedlichen wohlwollenden Weise verkehren.

So und nun bin ich an eine Geburtsnachmittagskäfeliparty eingeladen.

Tschüss bis zum nächsten Mal

Bernina
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