Verzweiflung oder emotionale Erpressung?

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Nin
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Verzweiflung oder emotionale Erpressung?

Beitrag von Nin »

Es geht nicht um mich, sondern um jemand aus meinem näheren Umfeld.

In den letzten zwei Jahren hat sie eine Fernbeziehung zu einem geschiedenen Franzosen geführt. Dieser hatte ein erstes Mal sehr jung geheiratet und hat drei Kinder, von denen eines aus dem Haus, ein zweites sehr selbstständig und fest liiert ist, das dritte ist 15. Es sollte jetzt bei der Mutter bleiben, die im gleichen Dorf in Frankreich lebt.

Er ist jetzt gerade in die Schweiz gezogen. Es ist die erste Woche in seinem neuen Job, seine beiden jüngeren Kinder, die den Vater sehr mögen und seine neue Lebenspartnerin (die ich eben sehr gut kenne) sind gerade diese Woche auf Besuch. Seine Partnerin hat zwei Kinder, von denen eins leicht autistisch ist. Beide Kinder mögen den Partner. Ich habe sie gestern früh gesprochen, alle zusammen im Schwimmbad, Bombenstimmung. Dann gestern abend der Schreckanruf: die Ex-Frau hat einen Selbstmordversuch gemacht. Tabletten geschluckt, eine Freundin angerufen. Es scheint aber ernst zu sein, die Kinder durften noch nicht einmal zu ihr.

Sie hatte die Scheidung gewollt, dann aber sehr bereut (grosser Klassiker, gel) und war seit kurzem in Therapie.

Natürlich ist er sofort mit den Kindern hingefahren - man lässt seine Kinder in einer solchen Situation nicht alleine...

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser Versuch emotionale Erpressung ist, von jemanden, der seine Entscheidung bereut und es nicht ertragen kann, dass der Ex ein neues Leben begonnen hat.
Aber vielleicht bin ich zu hart mit einer verzweifelten Frau...

Die Frage ist jetzt natürlich auch, was aus dem jüngsten Kind wird, ich würde es nicht allein mit seiner Mutter lassen, wenn sie so instabil ist.
Nicht Schöneres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.
Zanilla
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Beitrag von Zanilla »

Ich denke auch, dass es Erpressung ist. Allein schon, nach den Tabletten jemanden anzurufen - das zeigt, dass sie "gefunden" werden wollte. Komisch auch, dass so ein Verhalten (Depressionen, mangelnder Lebensmut) nie vorher ein Thema war...

Dass das Kind dort bleibt, halte ich auch für bedenklich. Die Frage ist, ob die Mutter dann vielleicht wirklich ernst macht, wenn man ihr, aus ihrer Sicht, nach dem Mann nun auch das Kind nimmt? Aber sie geht ja in eine Therapie, da ist ihr zumindest schon mal geholfen.
carlotta37
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Beitrag von carlotta37 »

Naja, Verzweiflung könnte ja der Grund für so eine emotionale Erpressung sein....

Nin, das erinnert mich sehr an die Geschichte eines alten Freundes meiner Eltern. Der hat sich auf diese Art erpressen lassen und die Frau geheiratet, die sich seinetwegen vom Dach stürzen wollte. Es ist seine zweite Ehe und eine Scheidung wäre schon finanziell eine Katastrophe. Aber nach vielen Jahren kann man sehen, dass da zwei Menschen zusammen sind, die sich gegenseitig zerstören. Glücklich ist jedenfalls was anderes....!
Ich hoffe sehr, dass der Mann nicht darauf eingeht....Die Frau braucht - egal was die Gründe waren - externe Hilfe! Dann finde ich es auch nicht ausgeschlossen, dass sie die Kinder weiterhin grosszieht. Das kann ja auch eine starke Motivation sein, sich mit dem Leben wieder anzufreunden! Vorübergehend würde ich aber wohl auch auf eine andere Lösung drängen, bis sie wieder stabil ist.
Babell
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Beitrag von Babell »

Hallo Nin

Geht diese Frau nicht so oder so in die geschlossene Abteilung einer psychiatrischen Klinik? Oder ist das nicht bei allen Suizidpatienten so? Ich weiss es nicht, aber meine Freundin, die in einer Klinik arbeitet, hat viele (oder einige; ich weiss es nicht so genau) Patienten, die eingeliefert werden, weil sie Suizidversuche begangen hatten.
Kinder und andere Verwandte dürfen (jedenfalls dort wo sie arbeitet) die Patienten besuchen.

Gäbe es denn die Möglichkeit für die Jungen, bei ihrem Vater zu wohnen oder allenfalls in einer Pflegefamilie an ihrem Wohnort um die Schule fertig zu besuchen?
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Delphia
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Beitrag von Delphia »

Hallo Nin

Auf Deine Frage gibt es momentan meinerseits keine klare Antwort. Die Fakten sind aber klar. Jedoch sind der oder die Grund/Gründe für diese Tat noch unklar.

Auf jeden Fall kommt in der Schweiz jemand, der sich selbst gefährdet (Suizidversuch) in einer psychiatrischen Klinik und wird zwangsweise dort gehalten je nach Kanton variert die Anzahl Tage. KT ZH: 10 Tage, KT TG: 7 Tage. Der "Notfall" muss diagnotiziert sein (Polizei, Sanität, Arzt, Behörden, allenfalls Patient selbst). Es ist ein fürsorglicher Freiheitsentzug. Dieser kann von einem Richter aufgehoben werden. Das ist die Kurzfassung. Es gibt etliche Suizidversuche, die aber zu keiner Einweisung führen, weil die Angehörigen oder die Personen selbst es nicht für nötig finden, eine Lösung zu suchen.

Der Frau muss geholfen werden, falls sie es zulässt. Zum Schutz des Kindes (15) muss abgeklärt werden, ob die Obhut von der Mutter noch wahrgenommen werden kann.

Zum Ex-Mann: Dieser hilft und steht seinem Sohn bei. Das ist wohl das Natürlichste der Welt. Er muss gestärkt werden. Weiss er, was er wirklich will? Er ist eine neue Beziehung eingegangen. War er von seiner Ex-Frau emotional "getrennt" oder ist seine neue Beziehung eine Ersatzbeziehung?

Deine Freundin braucht wohl moralische Unterstützung, dass die Sachen wohl kommen werden, wie sie zu kommen haben.

Mehr weiss ich jetzt nicht. Hoffe, es hilft Dir ein bisschen weiter.
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Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

Hallo Nin

Die Ex-Frau meines Partners hat 3 Suizidversuche hinter sich. Keiner konnte aber wirklich funktionieren. Alle 3 wurden als Hilfeschrei verstanden oder als Eingeständnis, Fehler gemacht zu haben.

Wirklich etwas nachhaltig an der Situation verändert hat sie leider nicht. Mein Partner hat zwei Mal erlebt, wie sie zurückkam und so tat, als wenn nichts gewesen wäre. Und wenn er sich kritisch verhalten hat, dann hat sie ihn mit der Suizidgeschichte erpresst.

Schwierig in deinem Fall. Wenn dein Bekannter Infos bekommt, dann soll er sich mit ihrem Psychiater austauschen. Auf jeden Fall lohnt es sich, der Sache auf den Grund zu gehen, sonst wird sich dieses Szenario wiederholen und er und die Kinder werden zum Spielball.


So und nun habe ich eine Frage zu diesem Thema.

Ein Bekannte von uns leidet auch unter massiven Depressionen. Es geht ihr so schlecht, dass sie einfach nicht aus dem Teufelskreis rauskommt. Und irgendwie bleibt so ein Gefühl zurück, sie will eigentlich gar nicht. Sie schiebt immer weider einen Grund vor, wehalb man nichts ändern kann. Badet sich in der Opferrolle.
Wenn ich mit ihr am Telefon rede, dann unterbricht sie das Gespräch und man vermutet, sie springt jetzt gerade aus dem Fenster. Andere Leute, welche sie kennen, beschreiben das Gleiche. Scheisssituation.
Ein FFE will sie nicht. Medikamente will sie nicht. Hilfe irgendwie auch nicht.

Was sie braucht ist eine betreute Wohnform. Es darf keine Kinder haben dort und auch keine Drogensüchtige. Sie ist eine sehr intelligente, hübsche Frau. Aber sie kommt einfach nicht aus der Kriese.

Kennt jemand von euch eine Adresse, wo man die Frau unterbringen könnte. Sie braucht einfach Begleitung, Struktur und dann auch wieder Begleitung bei der Rückführung in ihre Wohnung. Eventuell auch Unterstützung bei einem Umzug, damit sie in eine neue Umgebung kommt, wo sie nichts an ihre Vergangeheit erinnert.

Ich dachte an ein Kloster, gut situierte WG
tabida
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Beitrag von tabida »

Einen FFE kann man nicht wollen oder nicht. Es heisst ja Fürsorgerischer Freiheitsentzug. d.h. es wird einem die Freiheit genommen, selber zu entscheiden und man wird gegen den eigenen Willen eingewiesen. Falls man selber in eine Klinik möchte, dann braucht es eben keinen FFE. Es ist dann praktisch eine "normale" Einweisung.

Du könntest evt. mit ihrem Arzt/Therapeut Kontakt aufnehmen oder allenfalls die Fürsorge/Vormundschaft/Sozialdienst informieren. Auch den/die PfarrerIn wäre evt. eine Anlaufstelle.

Vor knapp einem Jahr hatten wir im Haus ein Ehepaar, das enorme gesundheitliche Schwierigkeiten hatte und sich immer wieder gestritten hatte.
Nachdem wir dann einmal die Polizei holen mussten, weil das ganze so eskalierte habe ich noch Kontakt mit der Gemeinde aufgenommen und die haben mir gesagt, dass solche Fälle der Vormundschaft gemeldet werden können und die versuchen dann Kontakt aufzunehmen.

Schwierig in diesen Fällen ist, dass alle auf das Amts-/oder Arztgeheimnis hinweisen. Anderseits ist man dadurch auch etwas geschützt.
Buchenholz
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Beitrag von Buchenholz »

Hallo Tabida

Danke für die Antwort. Das Problem ist, dass ich eigentlich nichts über ihr Umfeld weiss. Ich kenne nur ihren Wohnort, mehr nicht. Wir haben uns mal an einem Vortrag kennen gelernt. Da hat sie ihre Geschichte erzählt. Ich habe Tipps gegeben. Nun hat sie mich wieder getroffen und es kam heraus, dass es ihr jetzt so schlecht geht, dass sie nichts mehr auf die Reihe kriegt, isoliert und einsam ist. Ein Gespräch ist kaum möglich, sie heult nur noch. Sie dreht im Kreis und glaubt, an ihrer Situation lässt sich nichts verändern.
Ich weiss einfach nicht, ob das Ganze Show ist, Mittelpunktbedürfnis, oder ich mir echt Sorgen machen müsste.

Aber die Kirche, das wäre wirklich eine Möglichkeit. Vielleicht empfindet sie es als Verrat. Aber das kann mir egal sein. Es geht ihr schlecht, sie hat mich um Hilfe gebeten und ich biete ihr eine Lösung.
Dann werde ich morgen noch 143 telefonieren. Es nimmt mich Wunde, wie die mit solchen Situationen umgehen.
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Delphia
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Beitrag von Delphia »

Hallo Buchenholz

Mache mich in meinem Umfeld schlau. Vielleicht ergibt sich was. Melde mich dann wieder.

Jetzt habe ich eine Antwort erhalten...

Einen FFE organisiert niemand für sich selbst. Man kann sich aber freiwillig in eine Klinik einweisen lassen. FFE kommt immer von aussen.

Wenn die Frau tatsächlich depressiv ist, kann sie nicht wollen. Der Ausdruck "sie badet sich in der Opferrolle" (auch wenn es von aussen so wirkt) ist nicht zutreffend. Sie kann aus dieser Rolle nicht heraus, weil ihr die Depression die Kraft nimmt zu wissen, was sie wirklich will und vor allem was ihr helfen könnte.

Ich glaube kaum, dass in einer solchen akuten Phase ein betreutes Wohnen sie in diesem Zustand aufnehmen wird.

Freunde können in einer solchen Situation fachliche Hilfe organisieren. In unserem Kanton haben wir eine gute Adresse. Dort können Angehörige und Freunde anrufen und sich beraten lassen. Zudem können von dort aus ausgebildete Leute auch zu den Leuten nach Hause kommen. Wenn Du die Adresse brauchst, melde Dich doch via PN.

Die Freunden könnten den Helfenden einen Zugang zum Kranken organisieren, diese allenfalls zum Hilfesuchenden begleiten. Manchmal muss wirklich ein FFE organisiert werden, um die akute Krise medikamentös zu behandeln, damit eine psychiatrische Behandlung überhaupt möglich wird.

Die Organisation eines FFEs als Hilfe anzusehen, fällt vielen Leuten schwer, insbesondere wenn man zu den Helfertypen zählt. Die gute Absicht allein, jemandem zu helfen, reicht oft nicht. Diese Helfertypen werden schnell ausgelaugt und sie müssen sich selbst Sorge halten.

In Deinem Fall Buchenholz: Du kennst die Dame kaum und ihr Umfeld sowieso nicht. Wie willst Du diese Massnahmen umsetzen?

Abgrenzen ist auch ein Thema bei den Helfenden ;-)!
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Beitrag von Buchenholz »

Danke Delphia für deine Abklärungen.

Die Frau kommt immer wieder an Treffen unseres Vereins. Ich sehe sie einfach nicht jedes Mal. Andere kennen sie besser. Andere haben auch schon ganz viel Hilfe angeboten und scheitern daran, dass sie sich irgendwie nie helfen lassen will. Immer wenn es um praktische Hilfe geht blockt sie ab. Eben, als wenn sie sich gar nicht helfen lassen will. Deshalb war ich so unsicher, ob es ihr echt schlecht geht oder ob sie allenfalls nur mit uns spielt.

Nun bin ich aber um ganz viel Infos weiter.

Ich habe 143 angerufen und mich erkundigt, wie die mit solchen Situationen umgehen. War ein ganz konstruktives Gespräch.

Dann habe ich dem Pfarrer telefoniert. Und der kennt die Frau seit Jahren und hat bestätigt, was wir auch vermuten. Die Frau bräuchte eine Rundumbetreuung. Sie will keine Verantwortung über sich selber wahrnehmen.
Man hat schon alles versucht. Ohne Erfolg.

Wir bleiben aber in Kontakt und werden schauen, zusammen mit der Kirche und unserem Verein etwas zu organisieren. Vielleicht bin ich dann noch ganz froh um deine Adresse.
Vorerst mal vielen Dank. Hach, fühle mich bereits erleichtert.
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Nin
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Beitrag von Nin »

Danke für eure Kommentare.

Jetzt ist anscheinend erst mal Ruhe. Die Kinder waren sehr wütend auf ihre Mutter und wie es mit dem Sohn weitergeht wird später entschieden - er will nicht in die Schweiz. Grosseltern gibt es auch noch vor Ort.

Es geht dabei übrigens um die Beziehung meiner Schwester.
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Beitrag von Delphia »

Liebe Nin

Viel Kraft für Deine Schwester und Dich.

Liebe Grüsse
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