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Fragen, Probleme und Sorgen...
carlotta37
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Beitrag von carlotta37 »

Liebe mira, das ist wohl für jeden ein Rätsel, der das liest!
Dennoch kann ich mir verschiedene Szenarien vorstellen, unter denen Kinder so reagieren - ohne dass tatsächlich der wirkliche Grund Desinteresse des Vaters ist....

Was ich definitiv nicht glaube: dass ein paar negative Worte der Mutter allein genügen, um Jugendliche so zu beeinflussen!!! Deswegen denke ich eben auch, dass immer beide Seiten dazu beitragen. und sei es nur, indem sie nicht verstehen, was in ihren Kindern vorgeht und vorgegangen ist!! Es gibt Dinge, die passieren, Situationen die man mit bestem Willen falsch einschätzt...JEDEM von uns kann das passieren!!!

Ich kann mir z.B. lebhaft vorstellen, dass Jugendliche sich auf diese Weise einem jahrelangen Kampf oder Konflikt zwischen den geschiedenen Eltern entziehen. Partei zu ergreifen für ein Elternteil bedeutet in dem Fall nichts weiter, als dass endlich Ruhe einkehrt für die Jugendlichen....Man kann aber nicht erwarten, dass sie das schon so reflektieren können, es ist meiner Meinung nach völlig logisch, dass sie einen anderen Grund dafür suchen.


Auch kann ich mir vorstellen, dass der Vater sich zwar interessiert und kümmert, aber dennoch bei seltenen Kontakten nciht mehr wirklich weiss (wissen kann!!!), was seine Kinder gerade beschäftigt. Er interessiert sich also sozusagen für die falschen Themen im Leben seiner Kinder.....(kein Vorwurf an die Väter, wie wechselhaft und spontan Jugendliche oft sind, sehe ich auch hier an meinen Kindern: was sie gestern noch gehasst haben, ist heute plötzlich "in"...). Sogar ich als Mutter, die täglich mit ihren Kindern lebt, erlebe Situationen, in denen mir quasi mangelnde Gesprächsbereitschaft vorgeworfen wird: einfach weil ich z.B. nach einem Thema frage, das doch bis gestern noch so brennend aktuell war und nun plötzlich total unwichtig geworden ist.....über Nacht.... :roll:

Dass so der Kontakt gerade zu Jugendlichen für Wochenend - Väter nicht immer einfach ist, ist logisch....Und wenn dazu noch Konflikte im Hintergrund schwelen, die Mutter nicht gut auf den Vater zu sprechen ist - dann....reagieren die Kids....Sie sind (und das ist auch bis zu einem gewissen Grad gesund!) sehr mit sich selbst beschäftigt und auf sich selbst bezogen. Je mehr emotionales Chaos sie miterlebt haben, desto stärker denken sie vielleicht mal nur an sich. Sie können oft wahrscheinlich gar nicht sehen, was sie damit anrichten.....Wenn ihnen Rücksichtnahme etc. nicht vorgelebt wurden (und da hat natürlich die Person, bei der sie ständig leben, den grlösseren Einfluss!), woher sollen sie es dann können?

Ich glaube, bis zu einem gewissen Grad ist die Distanzierung von den Eltern normal und ein Abnabeldungsprozess, der in jeder Familie stattfindet (und wenn nicht, dann stimmt irgendwas auch nicht so ganz!). Der Unterschied ist nur, dass ein Wochenendvater sehr viel weniger Einfluss hat auf seine Kinder und es ihn viel härter trifft bei dem eh schon seltenen Kontakt.

Selbst wenn die Kinder ein 50/50 Modell gelebt haben: ich kenne Scheidungskinder, die das nicht geschätzt haben und sich auch davon distanzieren wollen. Es ist nicht für jeden die gleiche Lösung gut!

Damit so eine extreme Ablehnung garantiert nicht auftritt, wäre eine ganz aktive Zusammenarbeit der Eltern nötig. Eine Mutter, die zwar nicht gegen den Ex redet, aber innerlich gegen ihn ist, signalisiert das nach aussen. Die Kinder spüren es, über Jahre. Und wenn dann irgendwann im Jugendalter Schwierigkeiten auftreten und die Mutter sich vielleicht heimlich freut ("hab ich ja immer gewusst, der Typ ist kein guter Vater!"), dann wird sie auch nicht die Kinder zugunsten des Vaters beeinflussen.

Ehrlich gesagt ist das auch ein grosser Anspruch. Fragen wir uns mal ehrlich: wer von uns schafft das? IMMER? Aktiv für den Ex einzustehen? Man muss sich ja darüber klar sein, dass das jahrelange Prozesse sind, die ablaufen und dann irgendwann mal zu soclehn Situationen führen!

Es ist total hart gegenüber den Vätern: aber ich finde, man kann nicht anders reagieren, als loszulassen. Auch auf die Gefahr hin, dass man sich damit zunächst noch unbeliebter macht und dieVorwürfe bestätigt. Aber letztlich müssen die jungen Erwachsenen irgendwann von selber wieder kommen.
Zur Beruhigung: Kinder werden eben gross und gehen eigene Wege. Auch in ganz normalen Familien, die scheinbar immer glücklich waren, gibt es das, dass junge Erwachsene keinen engen und vertrauten Kontakt mit den Eltern pflegen - mindestens ein paar Jahre lang, bis sie dann wirklich erwachsen sind!

Mira, an Deiner Stelle würde ich auch verstehen wollen, was da passiert ist. Aber vielleicht werdet Ihr darauf noch eine Weile warten müssen....Niemand kann dazu wirklcih etwas sagen, ausser die Kinder selber. Was ich hier geschrieben habe, ist nur eine Idee, ein Versuch, solche Situationen wie bei Euch aus den Augen der Jugendlichen zu betrachten. Aber das tröstet wahrscheinlich auch nicht besonders....

Ich wünsche Euch trotzdem ein sonniges Wochenende!
mira
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Beitrag von mira »

Liebe Carlotta

Das hast du aber sehr schön geschrieben! Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, eine so ausführliche und einfühlsame Antwort zu schreiben. Ich bin sicher, dass du damit nicht nur mir Trost gegeben hast.

Ich spüre, dass vieles davon stimmt. Einiges hat uns bereits die Familienberaterin genau so eklärt, wie du, und wir finden hier Bestätigung. Dann gibt es aber auch völlig neue Inputs, über die ich noch nie nachgedacht habe, die mir völlig einleuchten, wenn du das so schreibst.

Es bleibt uns nichts anderes übrig, als zu warten und daran zu glauben, dass die Kinder eines Tages zurückkommen und wir die Möglichkeit haben, ihre Beweggründe zu verstehen, vielleicht auch die Möglichkeit zu haben, uns für Fehler zu entschuldigen, oder Verhaltensweisen unsererseits zu erklären.

Meist gelingt uns das sehr gut, und wir machen uns kaum Gedanken darüber. Dann kommt ein Mail o.ä. und wir sind wieder voll im Grübeln drin.

Nochmals besten Dank für diesen ausgezeichneten Beitrag!
Anita

Beitrag von Anita »

"sich interessieren" hat für mich ganz viel damit zu tun, dass ich wissen möchte wer mein kind ist.
also was mag es, was beschäftigt es gerade, welchen sport interessiert es, welche werte entwickelt oder hat es....also nicht nur oberflächliches "abfragen" was hast du heute getan....sondern eben tieferes interesse am menschen.

"sich kümmern" heisst für mich präsent sein und zeit aufwenden. gemeinsam etwas erledigen, da sein wenn aufgaben erledigt werden sollen, erklären wie ich mit alltagsdingen umgehe, arztbesuche besprechen....aufklärung, vorleben, gemeinsam essen, ausflüge, haushaltsteilung, ec...

alles in allem wäre das für mich BEZIEHUNG :wink:
Babell
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Beitrag von Babell »

Anita hat geschrieben: also was mag es, was beschäftigt es gerade, welchen sport interessiert es, welche werte entwickelt oder hat es....also nicht nur oberflächliches "abfragen" was hast du heute getan....sondern eben tieferes interesse am menschen.
Das stimmt schon, aber bei mir war es z.b. so, dass mich mein Vater nach einem bestimmten Jungen in der Klasse fragte, von dem ich eben noch in kindlicher Unschuld geschwärmt hatte und am nächsten Tag machte ich zu, wollte nichts mehr erzählen, da mir in der Schule nachgesagt wurde, ich sei verliebt und sowas wollte ich denn schon gar nicht sein! (das konnte ja mein Vater nicht wissen!) Und als ich es dann auch zum ersten Mal war, wollte ich meinen Eltern nichts erzählen! Denen zuletzt! :wink: :wink:

Ich denke, ein Vater und eine Mutter haben es nicht einfach, wenn die Kinder in die Pubertät kommen. Kinder drehen auch alles so extrem rum, man kann denen manchmal gar nichts recht machen. Vielleicht suchen Kinder sogar nach den Fehlern bei den Eltern? Ich rede hier von mir in meiner Kindheit! Nicht verallgemeinern!
Anita

Beitrag von Anita »

Babell hat geschrieben:Das stimmt schon, aber bei mir war es z.b. so, dass mich mein Vater nach einem bestimmten Jungen in der Klasse fragte, von dem ich eben noch in kindlicher Unschuld geschwärmt hatte und am nächsten Tag machte ich zu, wollte nichts mehr erzählen, da mir in der Schule nachgesagt wurde, ich sei verliebt und sowas wollte ich denn schon gar nicht sein!
hallo babell

GENAU. darum schrieb ich auch "nicht abfragen" sondern interessieren!

finde es wichtig, dass du es nochmals ansprichst. viele eltern fragen ihre kinder aus und das geht gar nicht...löst eben meist auch stillschweigen und ausweichen aus und ist eine bekannte KOMMUNIKATIONSPERRE!

ideal ist, wenn eltern erst mal VON SICH erzählen. etwas vom alltag, etwas das SIE beschäftigt...das sie gerne tun oder tun würden...etwas persönliches...vielleicht auch mal was aus ihrer jugend ec....das schafft BEZIEHUNG und zeigt, dass eltern ihre kids vollwertig sehen, vertrauen schenken (anvertrauen von eigenem) und ich verspreche allen - SIE SPRECHEN dann noch so gerne von sich....auch jugendliche suchen diese momente und mögen es, wenn man ihnen aufmerksam zuhört und wenn man ihnen zeit schenkt :)
mira
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Beitrag von mira »

Liebe Anita

Danke für deine Antworten.
Anita hat geschrieben:finde es wichtig, dass du es nochmals ansprichst. viele eltern fragen ihre kinder aus und das geht gar nicht...löst eben meist auch stillschweigen und ausweichen aus und ist eine bekannte KOMMUNIKATIONSPERRE!
Ja, ich denke, das ist ein Fehler, den mein Partner gemacht hat (mein Vater übrigens auch). Mir war das auch nicht bewusst. Beim Sohn war das eindeutig so. Er machte oft zu und wirkte eher genervt ab der Fragerei.
Anita hat geschrieben:ideal ist, wenn eltern erst mal VON SICH erzählen. etwas vom alltag, etwas das SIE beschäftigt...das sie gerne tun oder tun würden...etwas persönliches...vielleicht auch mal was aus ihrer jugend ec....das schafft BEZIEHUNG und zeigt, dass eltern ihre kids vollwertig sehen, vertrauen schenken (anvertrauen von eigenem) und ich verspreche allen - SIE SPRECHEN dann noch so gerne von sich....auch jugendliche suchen diese momente und mögen es, wenn man ihnen aufmerksam zuhört und wenn man ihnen zeit schenkt
Das gab es bei uns aber auch viel. Besonders beim gemeinsamen Abendessen hat mein Partner oft erzählt, wie sein Tag war. Die Kinder öffneten sich auch meist dann, wenn sie von sich aus erzählen durften, was sie beschäftigte. Da konnten wir auch nachfragen so viel wir wollten.

Aber eben, obwohl er den Fehler mit der Abfragerei machte, gab es die andere Seite auch. Deshalb bin ich manchmal sehr verwirrt, wenn der Vorwurf des Desinteresses an ihn kommt.
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Delphia
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Beitrag von Delphia »

Manchmal haben auch Kids eine "Kommunikationssperre", die ihnen auferlegt wurde... Und da kommst einfach nicht an sie.

Haben wir erlebt. Es war eine ganz schlimme Zeit. Sie beginnen erst jetzt zu begreifen, dass es nicht nur für sie schwierig war sondern auch für uns...

UFF! Bin ich froh, ist das heute besser... Diese Zeit hat aber Spuren in den Seelen hinterlassen.
Delphia
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Probleme? nein! Herausforderungen: ja :-), manchmal aber völlig hoffnungslos...
Anita

Beitrag von Anita »

mira hat geschrieben:Liebe Anita

Danke für deine Antworten.
Anita hat geschrieben:finde es wichtig, dass du es nochmals ansprichst. viele eltern fragen ihre kinder aus und das geht gar nicht...löst eben meist auch stillschweigen und ausweichen aus und ist eine bekannte KOMMUNIKATIONSPERRE!
Ja, ich denke, das ist ein Fehler, den mein Partner gemacht hat (mein Vater übrigens auch). Mir war das auch nicht bewusst. Beim Sohn war das eindeutig so. Er machte oft zu und wirkte eher genervt ab der Fragerei.
Anita hat geschrieben:ideal ist, wenn eltern erst mal VON SICH erzählen. etwas vom alltag, etwas das SIE beschäftigt...das sie gerne tun oder tun würden...etwas persönliches...vielleicht auch mal was aus ihrer jugend ec....das schafft BEZIEHUNG und zeigt, dass eltern ihre kids vollwertig sehen, vertrauen schenken (anvertrauen von eigenem) und ich verspreche allen - SIE SPRECHEN dann noch so gerne von sich....auch jugendliche suchen diese momente und mögen es, wenn man ihnen aufmerksam zuhört und wenn man ihnen zeit schenkt
Das gab es bei uns aber auch viel. Besonders beim gemeinsamen Abendessen hat mein Partner oft erzählt, wie sein Tag war. Die Kinder öffneten sich auch meist dann, wenn sie von sich aus erzählen durften, was sie beschäftigte. Da konnten wir auch nachfragen so viel wir wollten.

Aber eben, obwohl er den Fehler mit der Abfragerei machte, gab es die andere Seite auch. Deshalb bin ich manchmal sehr verwirrt, wenn der Vorwurf des Desinteresses an ihn kommt.

Liebe mira

Das klingt alles sehr vernünftig und wirklich interessiert.
Deine Erzählungen hinterlassen bei mir ein wenig den Verdacht, dass die Kinder in einem Loyalitätskonflikt stehen. Warum genau und ob es wirklich so ist, weiss ich nicht...

manchmal braucht es wirklich einfach auch Zeit.
Die Kinder werden grösser und entwickeln eigene Werte. Das kann eine Chance sein, dass Papi und Kinder wieder mehr zueinander finden. Sie werden sich erinnern...und für sich entscheiden, wenn sie sich "ablösen" (können).

Mein Mann (und ich) ist immer zu "Seinem" gestanden. Er hat sein Bestmögliches gegeben. Hat die andere Seite nicht schlecht gemacht. Schwieriges hat er ausgehalten ohne die Kinder damit zu belasten - wenn immer möglich.
Das macht ihn als Vater authentisch, ehrlich und echt.

Jeder kann ja nur immer seinen Teil an Verantwortung übernehmen...das ist aber auch so, wenn Eltern im gleichen Haushalt leben. Auch Kinder die so aufwachsen, machen solche Aussagen. Ein Stück weit ist es ja auch normal, dass "Kritik" kommt...eigentlich auch ein gesundes Zeichen ;)
Kinder oder besser gesagt Jugendliche die das wagen, haben gelernt für sich zu sprechen....auch wenn es vielleicht noch nicht ganz "selbst-studiert" ist...

hinhören, annehmen, nachdenken....aber nicht verrückt werden davon....es gibt dafür auf jeden Fall mehr als eine Antwort und vielleicht auch irgendwann eine, die sich anders anfühlt! Habt geduld :)

Lieber Gruss
Anita
mira
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Beitrag von mira »

Anita hat geschrieben:hinhören, annehmen, nachdenken....aber nicht verrückt werden davon....es gibt dafür auf jeden Fall mehr als eine Antwort und vielleicht auch irgendwann eine, die sich anders anfühlt! Habt geduld
Das versuchen wir. Nicht immer mit Erfolg. Gerade gestern Abend hat mein Partner wieder gesagt, wie traurig er sei, dass die Kinder auf diese Weise weggegangen sind.

Aber es gelingt uns immer besser. Dank diesem Forum verstehe ich die Kinder immer mehr. Ich diskutiere oft mit meinem Partner über das, was hier geschrieben wird. Und ich bin froh zu wissen, dass wenn die Kinder wieder kommen, wir ihnen nicht mit Groll und Vorwürfen gegenüber stehen werden, sondern mit offenen Ohren und Verständnis.

Irgendwo in einem Thread wurde vor kurzem wieder von 'falschen Botschaften' geschrieben. Ich denke, bei uns ist das ein zentrales Thema, und zwar von allen Beteiligten.
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